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»Ich habe erfahren«, begann Perenolde, »dass die Horde tatsächlich hierher unterwegs ist.« Mehrere Offiziere schnappten nach Luft. »Sie will offensichtlich in Lordaeron einmarschieren und hat sich für den Weg durch die Berge entschieden, um die Hauptstadt von Norden her zu erreichen.«

»Wie weit sind sie noch entfernt« fragte Colonel Kavdan. »Aus wie vielen Kriegern besteht die Horde? Was für Waffen führen sie mit sich?«

Mehrere andere murmelten zustimmend.

Perenolde hob eine Hand, und die Offiziere verstummten. »Ich weiß nicht, wie weit entfernt die Orcs noch sind«, antwortete er. »Ich vermute einen Tagesmarsch, vielleicht zwei, aber auf keinen Fall mehr. Ich kenne die Anzahl der Kämpfer nicht, doch allen bisherigen Berichten zufolge bilden sie eine riesige Streitmacht.« Er lächelte dünn. »Das ist allerdings nicht länger von Bedeutung für uns.«

General Hath richtete sich auf. »Nicht von Bedeutung für uns, Euer Majestät?«, fragte er aufgebracht. Sein Atem ließ seinen dicken grauen Schnurrbart flattern. »Aber wir sind Teil der Allianz und haben uns verpflichtet, die Horde gemeinsam zu bekämpfen.«

»Die Situation hat sich verändert«, informierte ihn Perenolde, der spürte, dass sein Schweißausbruch den Offizieren nicht entging. »Ich habe unsere Möglichkeiten neu bewertet und entschieden, dass wir uns in diesem Konflikt neu ausrichten müssen. Alterac ist mit sofortiger Wirkung nicht länger mehr Bestandteil der Allianz.« Er atmete tief durch. »Glaubt mir, so sind wir weitaus besser dran.«

Alle Offiziere blickten überrascht. »Wie meint Ihr das, Euer Majestät?«, fragte Kavdan.

»Ich habe einen Nichtangriffspakt mit der Horde geschlossen«, erwiderte Perenolde. »Wir hindern die Orcs nicht daran, durch unsere Berge zu ziehen, und dafür lassen sie Alterac in Ruhe.«

Seine Offiziere wirkten betroffen, ein paar sogar wütend.

»Ihr lasst uns mit den Orcs konspirieren, Euer Majestät?«, fragte Hath empört.

»Ja, das tue ich!«, schnappte Perenolde und verlor die Fassung. »Ich will doch nur, dass wir überleben!« Zorn und Panik erfassten ihn. »Wisst ihr überhaupt, mit wem wir es da zu tun bekommen? Mit der Horde, der ganzen Horde! Sie wird durch diese Berge ziehen! Durch unsere Heimat. Hat irgendjemand eine Ahnung, viele das sind? Tausende! Zehntausende!«

Hath nickte widerwillig, so wie ein paar andere auch. Sie hatten dieselben Berichte gelesen wie er.

»Und kennt jemand diese Orcs? Ich habe einen gesehen, nicht weiter von mir entfernt, als ihr es jetzt seid. Die sind riesig! Fast so groß wie Trolle und doppelt so breit! Starke Muskeln, dazu Hauer und Reißzähne. Jener Orc trug einen Hammer, den drei Mann gemeinsam nicht heben könnten. Und er wirbelte damit herum, als wäre er ein Kinderspielzeug! Niemand kann dagegen bestehen. Sie töten uns alle, versteht Ihr denn nicht? Die Orcs haben bereits Stormwind zerstört, und Alterac wäre als nächstes dran.«

»Aber die Allianz…«, begann Hath noch einmal, ehe er unterbrochen wurde.

Perenolde lachte bitter. »Was ist mit der Allianz?«, wollte er wissen. »Wo ist sie denn gerade? Nicht hier jedenfalls, soviel kann ich Euch sagen! Wir haben die Allianz gebildet, um unsere Königreiche zu beschützen, gegen genau diese Art von Angriff. Und hier sind wir nun mit der Horde im Nacken, und wo, bitte schön, ist die tolle Allianz? Sie lässt uns im Stich. Seht Ihr das denn nicht?« Er merkte, dass seine Stimme fast hysterisch wurde, und gab sich Mühe, wieder normal zu klingen. »Jetzt muss jedes Königreich für sich selbst sorgen«, sagte er, so ruhig er konnte. »Ich muss zuerst an Alterac denken. Die anderen Könige würden dasselbe tun.«

»Ja, aber diese animalischen…«, setzte Trand, ein anderer Offizier, an.

»Diese Kreaturen sind monströs und tödlich, ja«, schnitt ihm Perenolde das Wort ab. »Aber sie sind Argumenten der Vernunft durchaus zugänglich. Ich habe mich mit ihrem Anführer getroffen. Er redete unsere Sprache. Er hörte zu und versprach, uns in Frieden zu lassen, wenn wir seinen Durchmarsch nicht behindern.«

»Können wir… können wir ihm denn vertrauen?«, wollte ein junger Offizier namens Verand wissen.

Perenolde seufzte, als er sah, dass auch ein paar andere nickten. Und wenn seine Offiziere solche Fragen stellten, dann hatten sie insgeheim bereits akzeptiert, dass ein solch ungewöhnliches Abkommen nötig sein könnte. Jetzt sorgten sie sich nur noch darum, ob dieses angestrebte Bündnis auch halten würde.

»Wir haben keine andere Chance«, erwiderte er langsam. »Sie können uns jederzeit zerquetschen. Wenn die Orcs uns hintergehen, sind wir erledigt. Aber wenn sie sich an ihr Wort halten, und ich denke das werden sie, wird Alterac überleben. Ganz egal, um welchen Preis.«

»Ich mag diesen Plan immer noch nicht«, antwortete Hath stur. »Wir haben den anderen Nationen unser Wort gegeben.«

Trotz dieser Worte merkte Perenolde, dass der General die Situation überdachte und sehr wohl erkannte, dass in einem Stillhalteabkommen tatsächlich ihre einzige Hoffnung auf ein Überleben liegen mochte.

»Ihr müsst es nicht mögen«, antwortete Perenolde deshalb scharf. »Ihr müsst nur gehorchen. Ich bin der König, und ich treffe die Entscheidungen. Ihr habt mir Treue geschworen, und Ihr werdet diesen Schwur nicht brechen.«

Er wusste, dass er innere Überzeugung nicht befehlen konnte. Aber er hoffte darauf, dass sie ihm zumindest solange folgen würden, bis die unmittelbare Gefahr vorüber war.

Hath musterte ihn einen Moment lang. »Wie Ihr wünscht, Euer Majestät«, sagte er schließlich. »Ich werde gehorchen.«

Die anderen nickten.

Perenolde lächelte. »Gut. Und was die Allianz angeht, werde ich alle sich daraus ergebenden Konsequenzen persönlich tragen.« Er wandte sich erneut der Karte zu. »Nun denn, die Horde wird hier, hier und hier entlang ziehen.« Er zeigte auf die südlichen Pässe. Dabei ärgerte er sich, dass seine Hand leicht zitterte. »Wir werden diese Pässe ungesichert lassen, und die Horde wird weiterziehen. Wir werden nicht mit einem einzigen Orc zusammenstoßen.«

Hath studierte die Örtlichkeiten. »Offensichtlich wollen die Orcs Lordaeron von Norden her angreifen«, sagte er und zog eine Linie vom Kartenrand bis zu der Stelle, wo die Stadt läge, wäre sie auf der Karte eingezeichnet gewesen. »Ich würde nicht von dort kommen, aber ich verfüge auch nicht über die Übermacht der Orcs – oder ihre Arroganz.« Er wandte sich Perenolde zu und stellte kühl fest: »Es könnte sein, dass die Männer da nicht mitmachen, Euer Majestät. Sie könnten glauben, sie würden damit ihren Eid brechen oder Schlimmeres.« Sein Tonfall ließ keinerlei Zweifel daran, dass er, was das anging, einer Meinung mit ihnen war. »Wenn sie revoltieren, können wir sie nicht davon abhalten.«

Perenolde überlegte kurz. »Sehr gut«, sagte er schließlich.

»Dann sagt den Männern, dass die Horde die drei nördlichen Pässe nehmen wird. Wenn sie wissen wollen, woher Ihr die Informationen habt, erklärt Ihnen, unsere Kundschafter und Spione hätten sie unter Einsatz ihres Lebens erhalten.« Er nickte, stolz auf seine Schläue. »Das sollte jedermann im Zaume halten.«

Hath nickte brüskiert. »Ich werde unsere Männer sofort dort stationieren, Euer Majestät«, versprach er.

»Das ist schön.« Perenolde schenkte dem General das wärmste Lächeln, dass er zustande brachte, um ihm zu zeigen, dass alles vergeben und vergessen war. »Nun sollten wir das Erforderliche in die Wege leiten. Wir wollen doch nicht riskieren, dass die Orcs bereits eintreffen, während unsere Truppen noch unterwegs sind.«

Die Offiziere salutierten und verließen den Kartenraum – alle außer Hath.

»Was ist noch, General?«, fragte Perenolde. Die Müdigkeit in seiner Stimme musste er nicht vortäuschen.

»Ein Bote ist eingetroffen«, antwortete der General. »Von der Allianz. Er kam, als ihr… schlieft.« Haths Blick heftete sich kurz an den Umhang, der auf einem Stuhl in der Ecke lag. Sein Blick sagte deutlich, dass er von Perenoldes Ausflug wusste. »Er wartet draußen.«