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Drei Boote hatte die Horde bereits verloren. Proudmoores Flotte dagegen musste bislang keinerlei Verlust beklagen.

Er erlaubte sich ein seltenes Lächeln. Bald würde das Meer wieder orcfrei sein…

In diesem Moment meldete der Ausguck: »Admiral! Da… da kommt was auf uns zu – aus der Luft!«

Proudmoore sah auf und erblickte den Seemann, der bleich geworden war, sich schüttelte und nach Norden stierte. Der Admiral wandte sein Fernrohr in diese Richtung und erkannte schon bald, was den Ausguck derart verängstigte.

Kleine dunkle Flecke stießen aus den Wolken auf sie herab. Sie waren noch zu weit entfernt, um klar identifiziert werden zu können, aber er sah, dass es mehrere waren, die sich schnell näherten.

Er wusste nicht, über welche fliegenden Einheiten die Horde verfügte. Doch etwas sagte Proudmoore, dass diese Schlacht noch lange nicht gewonnen war.

Derek Proudmoore sah auf. Er stand neben dem Steuermann.

»Was war das?«, wandte er sich an den Mann im Ausguck, aber der war im Krähennest zusammengesunken und gab keine Antwort.

Derek überlegte nicht lange, sondern sprang auf und eilte zum Hauptmast. Über die Aufbauten gelangte er zum Hauptholm und von dort aus weiter zum Krähennest.

»Gerard?«, rief er, oben angekommen. »Alles in Ordnung?« Gerard sah ihn mit Tränen in den Augen an. Er schüttelte den Kopf und kauerte sich noch mehr zusammen als ohnehin schon.

»Was ist?« Derek kletterte in das Krähennest und setzte sich neben den Seemann. Er kannte Gerard seit Jahren und vertraute ihm völlig.

Nach einer Weile begriff er, dass der Mann nicht krank, sondern völlig verschreckt war, vor Angst unfähig zu sprechen. Der Gedanke, dass ein tapferer Seemann, ein Veteran vieler Schlachten, derart verängstigt war, ließ Derek schaudern.

»Hast du etwas gesehen?«, fragte er freundlich.

Gerard nickte. Er kniff die Augen zusammen, als wollte er das Gesehene aus der Erinnerung verdrängen.

»Wo?«

Zuerst schüttelte der Ausguck den Kopf, aber schließlich zeigte er mit zitternder Hand nach Norden.

»Ruh dich aus«, sagte Derek leise. Dann stand er auf und schaute, was seinen Freund und Mannschaftskameraden derart erschüttert hatte – und kippte vor Verblüffung fast selbst nach hinten.

Aus den Wolken stürzte ein Drache herab. Seine Schuppen glänzten blutrot im frühen Morgenlicht. Hinter ihm entdeckte Derek einen zweiten, dann einen dritten. Schließlich noch weitere, bis er schließlich mindestens ein Dutzend der massigen Kreaturen zählte. Ihre ledrigen Flügel schlugen kraftvoll, um sich in der Luft zu halten. Mit jedem Schlag kamen sie ihrem Ziel näher – der Flotte.

Derek bemerkte kaum das Leid in den großen goldenen Augen der Drachen oder die grünhäutigen Gestalten auf ihrem Rücken. Er überlegte nur fieberhaft, wie das Auftauchen dieser Kreaturen sich auf den Verlauf der Schlacht auswirken würde. Jeder einzelne Drache war größer als ein ganzes Schiff, dazu deutlich schneller und beweglicher.

Und er konnte fliegen. Die scharfen Krallen würden sich wahrscheinlich mit Leichtigkeit durch die Bordwand bohren und Masten wie Zweige zerbrechen.

Er musste den Rest der Flotte warnen – er musste seinen Vater warnen!

Derek beugte sich über den Rand des Krähennests, um dem Steuermann etwas zuzurufen, als er eine Bewegung bemerkte und aufblickte.

Der führende Drache war bereits so nah, dass Derek das Grinsen auf dem Gesicht des Orcs erkennen konnte, der ihn ritt. Die Echse öffnete ihr gewaltiges Maul. Derek sah die lange schlangenartige Zunge, umgeben von scharfen dreieckigen Zähnen, die so groß wie er selbst waren.

Dann bemerkte er das Glühen im Schlund des Drachen, der sich näherte und immer größer wurde.

Plötzlich explodierte die Welt um ihn herum. Er hatte nicht einmal mehr die Zeit zu schreien, als die Flammen ihn auch schon verschlangen.

In einem einzigen Durchgang zerstörten die Drachen den dritten Verband, alle sechs Schiffe. Jedermann an Bord stürzte ins Verderben.

Dann rissen die Drachenreiter ihre Tiere herum und wandten sich dem ersten Schiffspulk zu. Den Einheiten, die zwischen den Orcs und der Freiheit standen.

»Verdammt seien sie! Verdammt seien sie alle!« Admiral Proudmoore schlug so hart auf die Reling, dass entweder seine Finger brechen oder ein paar Holzstücke aus der Wand herausbrechen würden.

Er sah gerade noch, wie der Zerstörer des dritten Verbands in den Wellen versank. Zurück blieb nur auf der See schwimmende Asche. Proudmoore wusste, dass keine Chance bestand, Derek oder ein anderes Mannschaftsmitglied jemals lebend wiederzusehen. Aber jetzt war keine Zeit zum Trauern. Das musste bis später warten – wenn er so lange noch lebte. Er schob alle Gedanken an seinen ältesten Sohn beiseite und konzentrierte sich auf die taktischen Auswirkungen.

Die Nordpassage war jetzt wieder offen. Die Orc-Schiffe konnten einfach durchfahren, während die Drachen Dereks Verband bedrängten. Wenn das passierte, konnten die Orcs wieder in den Hügelgegenden oder bei Southshore landen und sich mit der Horde vereinigen.

Dann hatte er versagt. Und das durfte er nicht zulassen.

»Dreht um!«, befahl er und machte dem eigenen Steuermann Feuer unter dem Hintern. »Ich will, dass die Hälfte unserer Schiffe nach Norden fährt und den Weg dort wieder blockiert! Der Rest bleibt, wo er ist, und greift weiter an!«

Der Seemann nickte. »Aber – die Drachen«, begann er, obwohl seine Hände das große Rad bereits bewegten.

»Die Orcs sind ganz normale Gegner«, antwortete Proudmoore. »Wir peilen sie an wie andere Schiffe auch.«

Seine Männer nickten und befolgten seine Befehle. Segel wurden ausgerefft und in den Wind gedreht. Dann luden sie die Kanonen und benutzten Keile, um sie in einem steilen Winkel zu positionieren. Danach machten die Seeleute die Armbrüste sowie die Fässer mit dem Schwarzpulver bereit.

Als ihnen der erste Drache entgegenflog, zog Proudmoore sein Schwert und hielt es hoch, dann ließ er es ruckartig herabfahren.

»Angriff!«

Sie kämpften verzweifelt – aber der Angriff verpuffte wirkungslos. Der Drache wich jeder Kugel aus, die daraufhin ins Meer stürzte. Er schlug die Fässer mit seinen Flügeln beiseite und ignorierte die brennenden Armbrustbolzen einfach, die harmlos von seinen Schuppen abprallten. Immerhin wurde er durch die Heftigkeit des Angriffs zurückgeworfen, wodurch Proudmoore die Möglichkeit erhielt, sich andere Methoden zu überlegen.

Glücklicherweise musste er sich gar nichts einfallen lassen. Er überlegte noch, wie er die Leinen oder Ketten einsetzen konnte, um die Drachen wenigstens zu behindern, da stießen auch schon mehrere neue Gestalten aus den Wolken herab.

Sie waren deutlich kleiner als die Drachen, vielleicht doppelt so groß wie ein Mensch, und hatten lange gefiederte Flügel, Schwänze und scharfe Schnäbel. Auf dem Rücken eines jeden ritt etwas, das wie ein kleiner Mann aussah. Sie waren in merkwürdige, mit Federn bestückte Rüstungen gekleidet, von Tätowierungen bedeckt und kämpften mit massiven Hämmern.

»Wildhammerzwerge, zum Angriff!«

Kurdran Wildhammer stand im Sattel, schleuderte seinen Sturmhammer und erwischte einen Drachenreiter an der Brust. Der überraschte Orc fiel aus dem Sattel, und die Zügel entglitten den leblosen Händen, während sein Körper zwischen den Wellen verschwand.

Sein Drache brüllte vor Überraschung und Wut auf, was trotz des Donnerschlags zu hören war. Aber das Geräusch verwandelte sich in Schmerzenslaute, als Sky’rees scharfe Klauen tief in die Flanke des Drachen schlugen. Sie schnitten durch die Schuppen hindurch, zwischen denen schwarzes Blut hervordrang.

Tomhar befand sich neben ihm. Sein eigener Greif riss mit Schnabel und Klauen ein großes Stück aus dem linken Flügel des Drachen. Dann warf Farand seinen Hammer von der gegenüberliegenden Seite und traf den Drachen am Kopf. Dessen Augen blinzelten orientierungslos, und er begann zu fallen. Eine riesige Welle schwappte über das Wasser, als er aufprallte und versank. Der Drache kam nicht wieder hoch.