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»Was willst du tun, Corwin?« fragte er schließlich.

»In welcher Beziehung?«

»Na, wegen allem. Was greifen wir jetzt an? In welcher Reihenfolge?«

»Ursprünglich hatte ich die Absicht, die schwarze Straße zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen, sobald sich die Lage hier in Amber etwas beruhigt hätte«, antwortete ich. »Doch meine Prioritäten sehen inzwischen anders aus. Wenn Brand noch lebt, möchte ich ihn schleunigst zurückholen. Ist er aber tot, will ich wissen, was ihm zugestoßen ist.«

»Aber wird dir der Gegner soviel Bewegungsspielraum lassen? Vielleicht ist längst eine neue Offensive in Vorbereitung?«

»Ja, natürlich. Das ist berücksichtigt. Ich glaube aber, daß wir noch ein wenig Zeit haben, da unser letzter Sieg ja gerade erst letzte Woche stattgefunden hat. Die Wesen müssen sich erst wieder sammeln; sie müssen ihre Streitkräfte aufmuntern und die Situation im Hinblick auf unsere neuen Waffen überdenken. Ich trage mich mit dem Gedanken, an der schwarzen Straße eine Reihe von Wachstationen einzurichten, damit wir von jeder neuen Bewegung des Gegners sofort erfahren. Benedict hat sich bereit erklärt, diese Aktion zu leiten.«

»Ich frage mich, wieviel Zeit wir haben.«

Ich schenkte ihm frischen Wein nach – die einzige Antwort, die mir im Augenblick einfiel.

»In Avalon – in unserem Avalon, meine ich – waren die Dinge nie so kompliziert.«

»Das ist wahr«, gab ich zurück. »Du bist nicht der einzige, der sich in jene Zeit zurücksehnt. Wenigstens scheint sie einem im Rückblick einfacher und überschaubarer gewesen zu sein.«

Er nickte. Ich bot ihm eine Zigarette an, doch er lehnte ab, da er lieber eine Pfeife rauchen wollte. Im Flammenschein studierte er das Juwel des Geschicks, das noch immer auf meiner Brust hing.

»Kannst du mit dem Ding wirklich das Wetter kontrollieren?« fragte er.

»Ja.«

»Woher weißt du das?«

»Ich habe es ausprobiert. Es funktioniert.«

»Was hast du gemacht?«

»Das Unwetter heute nachmittag. Dafür war ich verantwortlich.«

»Ich weiß nicht recht . . .«

»Was?«

»Ich frage mich, was ich mit dieser Art von Macht angefangen hätte. Was ich damit tun würde.«

»Mein erster Gedanke«, sagte ich und schlug mit der Handfläche gegen die Mauer meines Mausoleums, »lief darauf hinaus, dieses Ding durch Blitze zu zerschmettern. Damit jeder genau wußte, was ich fühlte und wozu ich imstande war.«

»Warum hast du´s nicht getan?«

»Ich dachte ein bißchen darüber nach. Und beschloß . . . Hölle! Vielleicht kommt das Gebäude in naher Zukunft doch noch zu Ehren, wenn ich nicht schlau genug oder rücksichtslos genug oder Glückspilz bin. Da die Lage nun mal so war, versuchte ich mir darüber klar zu werden, wo ich am liebsten meine Knochen liegen haben wollte. Und ich kam darauf, daß dies wirklich ein ziemlich gutes Fleckchen ist – hochgelegen, sauber, eine Stelle, da die Elemente sich noch unmittelbar bemerkbar machen. Ringsum nur Gestein und Himmel. Sterne, Wolken, Sonne, Mond, Wind, Regen . . . eine bessere Gesellschaft, als es die meisten anderen Leichen für sich beanspruchen können. Warum sollte ich neben jemandem zu liegen kommen, den ich nicht einmal jetzt neben mir dulden würde – und von der anderen Sorte gibt es nicht viele.«

»Du steigerst dich in eine morbide Stimmung hinein, Corwin. Oder du bist betrunken. Jedenfalls verbittert. Das hast du nicht nötig.«

»Warum maßt du dir an zu wissen, was ich nötig habe?«

Ich spürte, wie er neben mir erstarrte und sich dann wieder entspannte.

»Ich weiß nicht«, sagte er schließlich. »Ich sage nur, was ich sehe.«

»Wie halten sich die Truppen?« wollte ich wissen.

»Ich glaube, die Männer sind noch immer verwirrt, Corwin. Sie sind ursprünglich angetreten, um an den Hängen des Himmels einen heiligen Krieg auszufechten. Sie meinen, darum sei es bei der Schießerei letzte Woche gegangen. In dieser Beziehung sind sie also glücklich, sehen sie doch, daß sie gewonnen haben. Doch das Warten in der Stadt . . . Sie verstehen diesen Ort nicht. Etliche Wesen, die sie für Feinde gehalten haben, sind nun plötzlich Freunde. Sie sind verwirrt. Sie wissen, daß sie kampfbereit sein müssen, doch sie haben keine Vorstellung, wann eine neue Aktion beginnen und gegen wen sie sich richten würde. Da sie die ganze Zeit in der Kaserne bleiben müssen, ist ihnen auch noch nicht klar, wie sehr ihre Gegenwart den Einwohnern und Behörden gegen den Strich geht. Vermutlich kommen sie ziemlich schnell auf die Wahrheit. Ich hatte schon mit dir darüber sprechen wollen, aber du bist in letzter Zeit so beschäftigt gewesen . . .«

Ich rauchte schweigend.

Dann sagte ich: »Am besten rede ich mal mit den Leuten. Doch morgen komme ich noch nicht dazu, obwohl bald etwas passieren sollte. Vielleicht können wir sie verlegen – etwa in ein Zeltlager im Wald von Arden. Morgen, ja, wenn wir zurückkehren, lege ich auf der Karte eine gute Stelle fest. Sag den Männern, es geht darum, die schwarze Straße im Auge zu behalten. Sag ihnen, daß aus dieser Richtung täglich ein neuer Angriff kommen kann – und das entspricht ja auch der Wahrheit. Laßt die Leute ständig üben, damit sie in Kampfbereitschaft bleiben. Ich komme so schnell wie möglich und rede mit ihnen.«

»Aber dann hast du keine direkte Unterstützung mehr in Amber.«

»Das ist wahr. Aber das Risiko mag ganz nützlich sein – als Demonstration des Selbstvertrauens wie auch als Geste des Entgegenkommens. Ja. Ich glaube, dieser Schritt ist empfehlenswert. Wenn nicht . . .«

Ich zuckte die Achseln.

Dann schenkte ich ein und warf eine weitere leere Flasche in mein Mausoleum.

»Übrigens«, sagte ich, »möchte ich mich entschuldigen.«

»Wofür?«

»Ich habe gerade gemerkt, daß ich morbid und betrunken und verbittert bin. Das habe ich nicht nötig.«

Er lachte leise und stieß mit mir an.

»Ich weiß«, sagte er. »Ich weiß.«

Und so saßen wir da, während der Mond herabsank, bis die letzte Flasche bei ihresgleichen endete. Wir sprachen noch eine Zeitlang von vergangenen Zeiten. Schließlich schwiegen wir, und meine Augen wandten sich den Sternen über Amber zu. Es war gut, daß wir diesen Ort aufgesucht hatten, doch jetzt rief mich die Stadt zurück. Ganelon erahnte meine Gedanken, stand auf, streckte sich und ging zu den Pferden. Ich verschaffte mir neben meinem Grab Erleichterung und folgte ihm.

5

Das Einhornwäldchen liegt in Arden, südwestlich des Kolvir in der Höhe des Felsvorsprungs, an dem das Land seinen Abstieg in das Garnath-Tal beginnt. Garnath selbst war in den letzten Jahren verflucht, verbrannt und erobert worden und hatte als Schauplatz schwerer Kämpfe herhalten müssen, doch die angrenzenden Hänge und Täler hatten sich ihre Schönheit bewahrt. Das Wäldchen, in dem Vater vor langer Zeit angeblich das Einhorn gesehen und jene seltsamen Erlebnisse gehabt hatte, die dazu führten, daß das Tier zum Schutzpatron Ambers und zum Wappentier wurde, lag unseres Wissens an einer Stelle, wo es sich nur gerade dem Panoramablick über das Garnath-Tal zur See entzog – zwanzig oder dreißig Schritte unter der Sichtlinie: ein asymmetrischer Hain, in dem aus einer Felsformation eine kleine Quelle entsprang, einen klaren Teich bildete und einen winzigen Bach speiste, der in Richtung Garnath talabwärts plätscherte.

Zu dieser Stelle ritten Gérard und ich am folgenden Tag. Wir brachen so früh auf, daß wir den Kolvir bereits halb hinabgeritten waren, als die Sonne die ersten Lichtstreifen über das Wasser schickte und schließlich mit voller Kraft den Himmel erhellte. In diesem Augenblick zügelte Gérard sein Pferd. Er stieg ab und bedeutete mir, ebenfalls abzusteigen.

Ich entsprach seinem Wunsch, ließ Star und das Packpferd neben seinem riesigen Schecken stehen und folgte ihm etwa ein Dutzend Schritte weit in eine kleine Senke, die zur Hälfte mit Kies gefüllt war. Er blieb stehen, und ich erreichte ihn.

»Was ist los?« fragte ich.

Er drehte sich um und sah mich an, und seine Augen waren zusammengekniffen, seine Wangenmuskeln verkrampft. Er öffnete seinen Mantel, faltete ihn zusammen und legte ihn auf den Boden. Dann legte er seinen Schwertgürtel oben auf den Mantel.