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»Lege Mantel und Schwert ab«, sagte er. »Die sind uns nur im Weg.«

Ich begann zu ahnen, was mir bevorstand, und sagte mir, daß ich wohl oder übel mitmachen mußte. Ich faltete meinen Mantel zusammen, legte das Juwel des Geschicks neben Grayswandir und baute mich vor ihm auf. Ich sagte nur ein Wort.

»Warum?«

»Es ist lange her«, sagte er. »Vielleicht hast du´s vergessen.«

Langsam kam er auf mich zu, und ich streckte die Arme vor mir aus und wich zurück. Er hieb nicht nach mir. Früher war ich schneller gewesen als er. Wir hatten uns beide geduckt, und er machte ausholende Tatzenbewegungen mit der linken Hand, während er die rechte Hand näher am Körper behielt; seine Finger zuckten leicht.

Wenn ich mir für den Kampf gegen Gérard einen Ort hätte aussuchen dürfen, wäre meine Wahl nicht auf diese Stelle gefallen. Das wußte er natürlich genau. Und wenn ich schon mit Gérard kämpfen mußte, hätte ich keinen Ringkampf gewählt. Mit Klinge oder Stock bin ich besser als er. Jede Waffe, bei der es um Geschwindigkeit oder Strategie geht, jede Waffe, die es mir gestattete, ihn von Zeit zu Zeit zu treffen, während ich ihn mir ansonsten vom Leibe hielt, brachte mir die Möglichkeit, ihn zu ermüden, und die Chance immer energischerer Angriffe. Auch das war ihm natürlich bekannt. Deshalb hatte er mir ja diese Falle gestellt. Doch ich verstand Gérard und mußte mich nun auf seine Spielregeln einstellen.

Ich fegte ein paarmal seine Hand zur Seite, als er seine Bewegungen beschleunigte und mit jedem Schritt näherkam. Schließlich ging ich das Risiko ein, duckte mich und schlug zu. Ich landete eine schnelle, harte Linke unmittelbar über seiner Gürtellinie. Mit einem solchen Hieb hätte ich ein dickes Brett durchschlagen oder einem weniger gut trainierten Gegner innere Verletzungen beibringen können. Leider war Gérard mit der Zeit nicht schlapper geworden. Ich hörte ihn ächzen, doch er blockte meine Rechte ab, schob seine rechte Hand unter meinen linken Arm und traf mich von hinten an der Schulter.

Daraufhin, in der Vorahnung eines Schulterhebels, ging ich sofort in den Clinch, den ich vielleicht nicht mehr zu brechen vermochte; ich drückte nach vorn, packte seine linke Schulter auf ähnliche Weise, hakte mein rechtes Bein hinter sein Knie und vermochte ihn rücklings zu Boden zu schleudern.

Doch er ließ nicht los, und ich landete auf ihm. Ich löste meinen Griff und vermochte ihm im Auftreffen den rechten Ellbogen in die linke Flanke zu treiben. Der Winkel war jedoch nicht günstig, und seine Linke kam hoch und machte Anstalten, irgendwo hinter meinem Kopf seine Rechte zu ergreifen.

Ich konnte dem Griff entwischen, doch er hielt noch meinen Arm fest. Eine Sekunde lang hatte ich mit der Rechten freie Bahn auf seinen Unterleib, doch ich hielt mich zurück. Nicht daß es mir etwas ausmacht, einen Gegner unter die Gürtellinie zu schlagen. Doch ich wußte, wenn ich jetzt so handelte, würde Gérards Reflexbewegung vermutlich dazu führen, daß er mir die Schulter brach. Statt dessen zerkratzte ich mir den Unterarm im Kies bei dem Versuch, den linken Arm hinter seinen Kopf zu schieben, während ich gleichzeitig den rechten Arm zwischen seine Beine schob und ihn am linken Oberschenkel packte. Ich ließ mich zurückrollen und versuchte meine Beine auszustrecken, sobald ich meine Füße unter mir hatte. Ich wollte ihn vom Boden hochheben und wieder niederknallen lassen und ihm dabei zum besseren Nachdruck noch meine Schulter in den Bauch rammen.

Doch Gérard spreizte die Beine und rollte nach links, womit er mich zwang, über seinen Körper zu hechten. Dabei ließ ich seinen Kopf los und bekam meinen linken Arm frei. Im gleichen Augenblick drehte ich mich nach rechts, zog meinen rechten Arm fort und versuchte eine neue Ausgangsbasis zu finden.

Doch Gérard wollte das nicht zulassen. Inzwischen hatte er die Arme unter sich gestemmt. Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung riß er sich los und kam taumelnd wieder auf die Füße. Ich richtete mich ebenfalls auf und sprang zurück. Er stürmte augenblicklich auf mich zu, und ich sah ein, daß er mich fürchterlich zurichten würde, wenn ich mich auf weitere solche Aktionen mit ihm einließ. Ich mußte ein paar Risiken eingehen.

Ich beobachtete seine Füße, und als ich den besten Augenblick gekommen wähnte – er verlagerte gerade das Gewicht nach vorn auf den linken Fuß und hob den rechten –, tauchte ich unter seinen ausgestreckten Armen hindurch. Ich vermochte sein rechtes Fußgelenk zu packen und es etwa vier Fuß hochzuheben. Er wurde herumgerissen und ging zu Boden, versuchte aber sofort wieder auf die Füße zu kommen, doch ich erwischte ihn mit einem linken Haken am Kinn, der ihn zu Boden warf. Er schüttelte benommen den Kopf und schützte sich mit den Armen, während er erneut hochkam. Ich versuchte es mit einem Tritt in den Magen, verfehlte aber mein Ziel, da er sich drehte, und traf ihn nur an der Hüfte. Er blieb im Gleichgewicht und rückte erneut vor.

Nun zielte ich kurze Haken auf sein Gesicht und umkreiste ihn. Noch zweimal traf ich ihn in den Magen und tänzelte zurück. Er lächelte. Er wußte, daß ich Angst vor dem Nahkampf hatte. Ich zielte mit dem Fuß auf seinen Bauch und trat zu. Seine Arme sanken so tief herab, daß ich ihm unmittelbar über dem Schlüsselbein einen Hieb gegen den Hals versetzen konnte. Im gleichen Augenblick jedoch schossen seine Arme vor und legten sich um meine Hüfte. Ich knallte ihm die Handkante gegen das Kinn, was ihn jedoch nicht davon abhielt, seinen Griff zu verstärken und mich hochzustemmen. Ich versuchte einen Schlag anzubringen. Zu spät. Seine mächtigen Hände waren bereits im Begriff, meine Nieren zu zerquetschen. Ich ertastete mit den Daumen seine Halsschlagadern und drückte zu.

Doch er hob mich immer weiter in die Höhe, über seinen Kopf. Meine Hände rutschten ab. Dann knallte er mich rücklings in den Kies, wie es die Bauersfrauen mit ihrer Wäsche tun.

Lichtpunkte explodierten um mich her, und die Welt wurde zu einem zuckenden, unwirklichen Ort, während Gérard mich von neuem hochzerrte. Ich sah seine Faust.

Der Sonnenaufgang war wirklich hübsch, doch der Winkel stimmte nicht. Um etwa neunzig Grad . . .

Plötzlich durchströmte mich ein fürchterliches Schwindelgefühl – es überlagerte sogar die Bewußtwerdung eines ganzen Straßennetzes von Schmerzen, das sich auf meinem Rücken erstreckte und zu einer großen Stadt führte, die irgendwo in der Nähe meines Kinns liegen mußte.

Ich hing frei in der Luft. Wenn ich etwas den Kopf drehte, vermochte ich eine weite Strecke zu überschauen – in die Tiefe.

Kräftige Klammern hielten meinen Körper an Schultern und Oberschenkel fest. Als ich mir die Gebilde ansah, stellte ich fest, daß es sich um Hände handelte. Daraufhin verdrehte ich den Hals noch mehr und machte mir klar, daß es Gérards Hände waren. Er hielt mich mit ausgestreckten Armen über seinen Kopf. Er stand am Rand des Weges, und ich vermochte tief unter mir Garnath und das Ende der schwarzen Straße zu erkennen. Wenn er losließ, mochte sich ein Teil von mir mit dem Vogelmist vermischen, mit dem die Felswand reichlich bekleckert war, und der Rest würde den angeschwemmten Quallen ähneln, die ich schon an einigen Stränden gesehen hatte.

»Ja. Schau hinab, Corwin«, sagte er, als er meine Bewegung spürte. Er sah hoch und begegnete meinem Blick. »Ich brauche nur die Finger zu lockern.«

»Ich höre dich«, sagte ich leise und versuchte fieberhaft eine Möglichkeit zu finden, ihn mitzunehmen, wenn er wirklich ernst machte.

»Ich bin kein kluger Mensch«, sagte er. »Aber mir ist da ein Gedanke gekommen – ein schrecklicher Gedanke. Und dies ist die einzige Methode, die mir dagegen eingefallen ist. Mein Gedanke beruht darauf, daß du arg lange von Amber fort gewesen bist. Ich habe keine Möglichkeit, festzustellen, ob deine Geschichte vom Gedächtnisverlust der Wahrheit entspricht oder nicht. Du bist zurückgekehrt und hast hier die Führung an dich gerissen, doch herrschen tust du noch nicht richtig. Mich beunruhigte der Tod von Benedicts Dienstboten, so wie mir heute der Tod Caines zu schaffen macht. Aber auch Eric ist kürzlich gestorben, und Benedict hat eine schwere Entstellung hinnehmen müssen. Es ist nicht einfach, dir diesen Teil der Ereignisse zur Last zu legen, doch mir ist der Gedanke gekommen, daß es vielleicht doch nicht so abwegig ist – wenn du nämlich derjenige bist, der insgeheim mit unseren Feinden von der Schwarzen Straße verbündet ist.«