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»Ich frage mich, was geschehen wäre, wenn du als erster im Wäldchen eingetroffen wärst.«

»Wahrscheinlich gar nichts«, sagte ich. »Lebendig und unter Verdacht – so will man mich offenbar haben. Das Problem bestand darin, uns in der richtigen Reihenfolge dorthin zu holen – und ich habe mich doch nicht ausreichend beeilt, um zu verpassen, was auf mich warten sollte.«

Er nickte.

»In Anbetracht des knappen Zeitplans«, sagte er, »muß es sich um jemanden handeln, der an Ort und Stelle ist, hier im Palast. Hast du zu diesem Punkt irgendwelche Vorstellungen?«

Ich lachte leise und griff nach meiner Zigarette. Ich zündete sie an und setzte mein Lachen fort.

»Ich bin gerade erst nach Amber zurückgekommen. Du bist die ganze Zeit hier gewesen«, sagte ich. »Wer haßt mich hier zur Zeit am meisten?«

»Corwin, das ist eine unangenehme Frage«, stellte er fest. »Jeder hat irgend etwas gegen dich. Auf den ersten Blick würde ich Julian oben auf die Liste setzen. Doch scheint das hier nicht zu funktionieren.«

»Warum nicht?«

»Er und Caine sind gut miteinander ausgekommen. Das geht schon seit Jahren so. Sie sind füreinander eingestanden, sind oft zusammen gewesen. Eine ziemlich dicke Freundschaft. Julian ist verschlossen und kleinkrämerisch und so unangenehm wie eh und je. Doch wenn er überhaupt jemanden mochte, dann Caine. Ich glaube nicht, daß er ihm so etwas angetan hätte, auch wenn es darum ging, dich zu treffen. Sicher wären ihm andere Möglichkeiten eingefallen, wenn es ihm nur darauf angekommen wäre.«

Ich seufzte. »Wer steht als nächster auf der Liste?«

»Keine Ahnung. Ich weiß es wirklich nicht.«

»Also gut. Was meinst du, wie wird man auf die Sache reagieren?«

»Du sitzt in der Klemme, Corwin. Alle werden glauben, du hättest ihn getötet, gleichgültig, was du sagt.«

Ich deutete mit einer Kopfbewegung auf den Toten. Random schüttelte den Kopf.

»Das kann genausogut ein armer Bursche sein, den du als Sündenbock aus den Schatten geholt hast.«

»Ich weiß«, sagte ich. »Seltsam, meine Rückkehr nach Amber. Ich traf zum genau richtigen Augenblick ein, um eine günstige Ausgangsposition zu erringen.«

»Einen günstigeren Augenblick kann man sich nicht vorstellen«, stimmte mir Random zu. »Um dein Ziel zu erreichen, brauchtest du nicht einmal Eric zu töten. Das war ein großes Glück für dich.«

»Ja. Dennoch ist es kein großes Geheimnis, daß dies genau in meiner Absicht gelegen hat, und es dauert bestimmt nicht lange, bis meine Truppen – schwerbewaffnete Ausländer, die hier einquartiert sind – Ressentiments auslösen. Nur die drohende Gefahr von außen hat mich bisher davor bewahrt. Und dann die Dinge, die ich vor meiner Rückkehr getan haben soll – beispielsweise der Mord an Benedicts Dienstboten. Und jetzt dies . . .«

»Ja«, sagte Random. »Das habe ich kommen sehen, als du mir davon erzähltest. Als du und Bleys vor Jahren euren Angriff gegen die Stadt vortrugt, hat Gérard einen Teil der Flotte abkommandiert und euch damit den Weg geebnet. Caine dagegen griff mit seinen Schiffen an und zersprengte eure Streitmacht. Nachdem er nun nicht mehr ist, wirst du vermutlich Gérard zum Befehlshaber der ganzen Flotte machen.«

»Wen sonst? Er kommt als einziger für den Posten in Frage.«

»Trotzdem . . .«

»Trotzdem. Zugegeben. Wenn ich jemanden umbringen müßte, um meine Position zu festigen, wäre Caine das logische Opfer. Das ist die einfache und niederschmetternde Wahrheit.«

»Wie gedenkst du zu handeln?« fragte Random.

»Ich werde überall herumerzählen, was geschehen ist, und festzustellen versuchen, wer dahintersteckt. Hast du einen besseren Vorschlag?«

»Ich habe überlegt, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, dir ein Alibi zu verschaffen. Aber das wäre nicht sehr vielversprechend.«

Ich schüttelte den Kopf. »Dazu stehst du mir zu nahe. Wie gut sich unsere Geschichte auch anhört – sie hätte vermutlich genau die entgegengesetzte Wirkung.«

»Hast du die Möglichkeit in Betracht gezogen, die Tat zuzugeben?«

»Ja. Aber Notwehr käme dabei nicht in Frage. Es muß ein Überraschungsangriff gewesen sein – die durchgeschnittene Kehle. Und für die Alternative fehlt mir der Nerv: irgendwelche Beweise zurechtzuflicken, wonach er etwas Übles im Schilde führte, und zu behaupten, ich hätte zum Wohle Ambers gehandelt. Ich bin klipp und klar dagegen, unter diesem Aspekt ein falsches Schuldbekenntnis abzulegen. Außerdem würde mir das einen ziemlich üblen Geruch anhängen.«

»Aber auch den Ruf der Härte.«

»Doch die falsche Härte für die Art Herrschaft, die ich ausüben möchte. Nein, das kommt nicht in Frage.«

»Damit hätten wir alle Möglichkeiten durch – so gut wie alle.«

»Was soll das heißen – so gut wie alle?«

Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete Random seinen linken Daumennagel.

»Nun, ich muß daran denken, wenn es eine Person gibt, die du gern aus dem Rennen geworfen hättest, wäre jetzt der richtige Augenblick für die Erkenntnis, daß sich belastendes Material auch weiterreichen läßt.«

Ich dachte über seine Worte nach und drückte meine Zigarette aus.

»Nicht schlecht«, sagte ich. »Doch im Augenblick kann ich von meinen Brüdern keinen mehr erübrigen – nicht einmal Julian. Außerdem ist er derjenige, dem so ein Kuckucksei am schwierigsten ins Nest zu legen wäre.«

»Es braucht ja kein Familienmitglied zu sein«, meinte er. »Es gibt zahlreiche ehrenwerte Amberianer, die ein Motiv haben. Beispielsweise Sir Reginald . . .«

»Vergiß die Sache, Random! Wir belasten keinen anderen!«

»Also gut. Damit sind meine kleinen grauen Zellen erschöpft.«

»Hoffentlich nicht die, die deine Erinnerung enthalten.«

»Also schön.«

Er seufzte, reckte sich, stand auf, stieg über den dritten Anwesenden und ging zum Fenster. Er zog die Vorhänge auf und starrte eine Zeitlang hinaus.

»Also schön«, widerholte er. »Es gibt viel zu erzählen . . .«

Und er begann sich laut zu erinnern.

2

Der Sex steht zwar bei vielen Menschen obenan, doch gibt es so manche anderen Dinge, mit denen man sich zwischendurch auch gern beschäftigt, Corwin. Bei mir ist es das Schlagzeug, die Fliegerei und das Spielen, wobei die Reihenfolge nicht weiter wichtig ist. Na ja, vielleicht steht das Fliegen – in Gleitern, Ballonen und gewissen anderen Maschinen – ein wenig über den anderen Tätigkeiten, doch auch in diesen Bereichen spielt die jeweilige Stimmung eine große Rolle, wie du weißt. Ich meine, fragtest du mich ein andermal, würde ich vielleicht eins der beiden anderen Steckenpferde obenan stellen. Es hängt immer davon ab, was man sich im Augenblick am meisten wünscht.

Jedenfalls war ich vor einigen Jahren hier in Amber. Ich tat nichts Besonderes, sondern war nur zu Besuch und ging den Leuten auf die Nerven. Zu der Zeit war Vater noch in der Stadt, und als ich eines Tages bemerkte, daß er sich mal wieder in eine seiner miesen Stimmungen hineinsteigerte, kam ich zu dem Schluß, daß ein Spaziergang angebracht sei. Ein langer Spaziergang. Ich hatte schon oft bemerkt, daß seine Zuneigung mir gegenüber im umgekehrten Verhältnis zu meiner Nähe zunahm. Zum Abschied schenkte er mit jedenfalls eine hübsche Reitgerte – vermutlich um den Prozeß der Zuneigung zu beschleunigen. Es war eine wirklich schöne Gerte – versilbert und herrlich gestaltet –, und ich gebrauchte sie oft. Ich hatte beschlossen, mir einen kleinen Winkel in den Schatten zu suchen, wo ich ungestört meinen schlichten Freuden nachgehen konnte.

Es war ein langer Ritt – ich möchte dich nicht mit den Einzelheiten langweilen –, der mich ziemlich weit von Amber fortführte. Diesmal suchte ich nicht nach einem Ort, wo ich eine besondere Stellung besaß. Das wird entweder bald langweilig oder problematisch, je nachdem, wie wichtig man sein möchte. In diesem Falle wollte ich ein unverantwortlicher Niemand sein und meinen Spaß am Leben haben.

Texorami ist eine Hafenstadt mit schwülen und langen Nächten, mit viel guter Musik, einem Spielbetrieb, der rund um die Uhr geht, mit Duellen zu jedem Sonnenanfang und auch zwischenzeitlichen Auseinandersetzungen für alle, die nicht warten können. Und die Aufwinde dort sind einfach großartig. Ich besaß ein kleines rotes Segelflugzeug, mit dem ich alle paar Tage in den Himmel aufstieg. Ein herrliches Leben! Wenn ich Lust hatte, spielte ich Schlagzeug in einem Kellerlokal am Fluß, wo die Wände fast ebenso schwitzten wie die Gäste und der Qualm wie milchige Streifen um die Lampen strich. Wenn ich nicht mehr spielen wollte, suchte ich mir andere Unterhaltung – im Bett oder am Kartentisch. Und damit war dann der Rest der Nacht gelaufen. Verdammter Eric! – Ich muß eben daran denken . . . Er hat mich einmal beschuldigt, falsch zu spielen, wußtest du das? Dabei ist das so etwa die einzige Tätigkeit, bei der ich ehrlich bin. Ich nehme das Kartenspiel ernst. Ich bin ein guter Spieler und habe Glück – und beides traf auf Eric nicht zu. Sein Problem war, daß er zu viele Dinge beherrschte; er wollte nicht einmal vor sich selbst eingestehen, daß es etwas gab, von dem andere mehr verstanden. Wenn man ihn immer wieder besiegte, mußte man eben betrügen. Eines Abends fing er deshalb eine laute Auseinandersetzung mit mir an, die ernst hätte werden können, wenn Gérard und Caine nicht dazwischengetreten wären. Das muß ich Caine zugestehen – an jenem Abend hat er für mich Partei ergriffen. Armer Bursche . . . Ein verdammt unschöner Tod . . . Die Kehle . . . Na ja, jedenfalls hielt ich mich in Texorami auf, gab mich mit Musik und Frauen ab, spielte Karten und sauste am Himmel herum. Palmenbäume und aufgehende Nachtblüten. Herrliche Hafengerüche – Gewürze, Kaffee, Teer, Salz . . . du weißt schon. Adlige, Kaufleute und Bauern – dieselben Figuren wie an den meisten anderen Orten. Ein Kommen und Gehen von Seeleuten und Reisenden verschiedener Herkunft. Burschen wie ich, die am Rande der Szene lebten. Ich verbrachte zwei glückliche Jahre in Texorami. Eine wirklich glückliche Zeit. Kaum Kontakt mit den anderen. Ab und zu ein grußkartenähnliches Hallo durch die Trümpfe, aber das war so ziemlich alles. In dieser Zeit mußte ich kaum an Amber denken. Aber das alles änderte sich eines Abends. Ich saß gerade mit einem Full House auf der Hand da, und der Bursche auf der anderen Seite des Tisches versuchte sich darüber klar zu werden, ob ich bluffte oder nicht.