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. . . Und die Tatsache, daß wir eine Ansammlung von Individuen und keine Gruppe, keine Familie waren, zu einer Zeit, da ich eine Art gemeinsamer Identität zu schaffen wünschte, einen Willen zur Zusammenarbeit – dies führte zu meinen Feststellungen und zu Randoms Zustimmung.

Ich spürte ein vertrautes Wesen, hörte ein »Hallo, Corwin«, und da war Deirdre, die sich mir zuwandte. Ich streckte die Hand aus, ergriff die ihre, hob sie an die Lippen. Sie machte einen Schritt vorwärts, wie die erste Figur eines formellen Tanzes, und stand dann dicht vor mir, sah mich an. Einen Augenblick lang hatte ein vergittertes Fenster ihren Kopf und ihre Schultern eingerahmt und ein kostbarer Teppich hatte die Wand zu ihrer Linken geschmückt. Natürlich war dieser Effekt sorgfältig geplant gewesen. Trotzdem wirksam. Sie hielt meinen Trumpf in der linken Hand und lächelte. Als sie erschien, blickten die anderen in unsere Richtung, und sie schlug, sich langsam drehend, mit ihrem Lächeln zurück, wie eine Mona Lisa mit Maschinenpistole.

»Corwin«, sagte sie, gab mir einen Kuß und trat zurück. »Ich fürchte, ich bin früh dran.«

»Niemals«, sagte ich und wandte mich an Random, der schon aufgestanden war.

»Darf ich dir etwas zu trinken holen, Schwester?« fragte er, nahm sie an der Hand und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Anrichte.

»Aber ja. Vielen Dank.« Und er führte sie fort und schenkte ihr Wein ein und vermied – oder verzögerte – auf diese Weise ihren üblichen Zusammenstoß mit Flora. Zumindest nahm ich an, daß die alte Animosität noch bestand, so wie ich sie in Erinnerung hatte. Das Manöver beraubte mich zwar für den Augenblick ihrer Gesellschaft, doch es trug dazu bei, den häuslichen Frieden zu wahren, der mir gerade jetzt ziemlich wichtig war. Wenn er will, ist Random in solchen Dingen ziemlich geschickt.

Ich trommelte mit den Fingern auf der Tischkante herum, rieb mir die schmerzende Schulter, schlug die Beine übereinander und stellte sie wieder nebeneinander. Ich überlegte, ob ich mir eine Zigarette anzünden sollte . . .

Plötzlich war er da. Am entgegengesetzten Ende des Zimmers hatte sich Gérard nach links gewandt, hatte etwas gesagt und die Hand ausgestreckt. Einen Sekundenbruchteil später hielt er die linke und einzige Hand Benedicts, des letzten Mitglied unserer Gruppe.

Also schön. Mit der Tatsache, daß Benedict durch Gérards und nicht durch meinen Trumpf gekommen war, brachte er seine Gefühle mir gegenüber zum Ausdruck. War dies zugleich ein Hinweis auf eine Allianz, die den Zweck hatte, mich zu kontrollieren? Zumindest sollte sein Schritt entsprechende Zweifel in mir wecken. War es vielleicht Benedict gewesen, der Gérards kleine Kampfübung mit mir angeregt hatte? Wahrscheinlich.

In diesem Augenblick stand Julian auf, durchquerte das Zimmer, sagte etwas zu Benedict und schüttelte ihm die Hand. Der Vorgang erweckte Llewellas Aufmerksamkeit. Sie wandte sich um, schloß ihr Buch und legte es zur Seite. Lächelnd trat sie vor, begrüßte Benedict, nickte Julian zu, sagte etwas zu Gérard. Die kleine Runde trat enger zusammen, begann sich angeregt zu unterhalten. Also schön, also schön.

Vier und drei. Und zwei in der Mitte . . .

Ich musterte die Gruppe auf der anderen Seite und wartete. Wir waren nun alle beisammen, und ich hätte um Aufmerksamkeit bitten und mit der Tagesordnung beginnen können. Aber . . .

Die Versuchung war zu groß. Wir alle spürten die Spannung, das wußte ich. Es war, als wären im Zimmer plötzlich zwei magnetische Pole aktiviert worden. Ich war neugierig, wie sich die Metallsplitter formieren würden.

Flora warf mir einen kurzen Blick zu. Ich nahm nicht an, daß sie es sich über Nacht anders überlegt hatte – es sei denn, es hatte neue Entwicklungen gegeben. Nein, ich war zuversichtlich, daß ich den nächsten Zug richtig vorausgesehen hatte.

Und damit irrte ich mich nicht. Ich hörte sie etwas von Durst und einem Glas Wein sagen. Sie wandte sich halb um und machte eine Bewegung in meine Richtung, als erwarte sie, daß Fiona sie begleiten würde. Als dies nicht geschah, zögerte sie einen Augenblick lang. Damit stand sie plötzlich im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Sie erkannte diese Tatsache, traf eine schnelle Entscheidung und kam lächelnd zu mir.

»Corwin«, sagte sie. »Ich glaube, ich möchte ein Glas Wein haben.«

Ohne den Kopf zu wenden, ohne den Blick von dem Tableau vor mir zu nehmen, rief ich: »Random, schenk doch bitte Flora ein Glas Wein ein, ja?«

»Aber natürlich«, erwiderte er, und ich vernahm die dazugehörigen Geräusche.

Flora nickte, gab ihr Lächeln auf und ging an mir vorbei nach rechts.

Vier und vier, womit Fiona hell lodernd in der Mitte des Zimmers verblieb. Sie wußte genau, was los war, und genoß die Situation; sie trat vor den ovalen Spiegel mit dem kostbar geschnitzten dunklen Rahmen, der zwischen den beiden nächsten Regalgruppen hing, und machte Anstalten, ein paar lockere Strähnen an ihrer linken Schläfe zu befestigen.

Ihre Bewegung erzeugte ein grünsilbernes Aufzucken zwischen den roten und goldenen Mustern des Teppichs in der Nähe der Stelle, wo ihr linker Fuß gestanden hatte.

Ich wußte nicht, ob ich fluchen oder lächeln sollte. Das durchtriebene Luder konnte ihre Spielchen nicht lassen! Doch immer großartig . . . Nichts hatte sich verändert. Weder fluchend noch lächelnd trat ich vor, wie sie es auch nicht anders erwartet hatte.

Doch auch Julian näherte sich, und sogar ein wenig schneller als ich. Er war ihr näher gewesen und hatte es vielleicht einen Sekundenbruchteil eher gesehen.

Er hob das Gebilde auf und ließ es langsam hin und her pendeln.

»Dein Armband, Schwester«, sagte er freundlich. »Es scheint deinem Arm entsagt zu haben, das dumme Ding. Hier – gestatte bitte.«

Sie streckte ihm die Hand entgegen und bedachte ihn zugleich mit einem Blick unter gesenkten Lidern und einem entsprechenden Lächeln, während er die Smaragdkette wieder schloß. Als er fertig war, ließ er ihre Hand zwischen seinen beiden Händen verschwinden und wandte sich seiner Ecke zu.

»Ich glaube, du hättest Spaß an dem netten Witz, den wir gerade erzählen wollten«, begann er.

Ihr Lächeln wurde womöglich noch breiter, als sie ihre Hand löste. »Danke, Julian«, erwiderte sie, machte kehrt und nahm meinen Arm. »Ich glaube, mir steht der Sinn im Augenblick mehr nach einem Glas Wein.«

Ich nahm sie mit und sorgte dafür, daß sie die gewünschte Erfrischung bekam. Fünf gegen vier.

Julian, der etwas dagegen hat, starke Gefühle an den Tag zu legen, kam gleich darauf zu einem Entschluß und folgte uns in unsere Ecke. Er schenkte sich ein Glas Wein ein, trank, musterte mich einige Sekunden lang und sagte schließlich: »Ich glaube, wir sind jetzt alle da. Wann gedenkst du anzufangen mit dem, weswegen du uns hergeholt hast?«

»Ich sehe keinen Grund für eine weitere Verzögerung«, sagte ich, »nachdem nun jeder hier seinen Auftritt gehabt hat.« Ich hob meine Stimme und sprach die Gruppe auf der anderen Seite an. »Es ist soweit. Machen wir es uns bequem.«

Die anderen wanderten herüber. Stühle wurden herangezogen; man setzte sich. Frischer Wein wurde eingeschenkt. Gleich darauf hatten wir ein Publikum.

»Vielen Dank«, sagte ich, als man ganz zur Ruhe gekommen war. »Mir liegen heute abend etliche Dinge am Herzen, von denen einige vielleicht sogar tatsächlich zur Sprache kommen. Der Verlauf des Abends wird natürlich vom ersten Schritt abhängen, und den werden wir sofort tun. Random, berichte, was du mir gestern erzählt hast.«