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»Sollte dir etwas zustoßen, wäre die ganze Sache also noch ziemlich offen.«

»Sehr sogar.«

»Aber warum wurde Caine umgebracht?« wollte Random wissen. Kauend beantwortete er gleich darauf die Frage selbst. »Damit die Nachfolge, nachdem man dich ausgeschaltet hatte, sofort auf Clarissas Kinder überginge. Ich habe mir überlegt, daß Bleys vermutlich noch am Leben ist – und er ist der nächste Anwärter. Seine Leiche wurde nie gefunden. Ich vermute folgendes: während eures Angriffs hat er sich durch den Trumpf zu Fiona abgesetzt, ist in die Schatten zurückgekehrt, um seine Streitkräfte zu sammeln, und hat dich deinem Schicksal überlassen, das, wie er hoffte, auf den Tod durch Erics Hand hinauslaufen würde. Nun ist er allmählich wieder zum Zuschlagen bereit. Die beiden brachten also Caine um und versuchten einen Anschlag auf dich. Wenn sie sich wirklich mit der Horde von der Schwarzen Straße verbündet haben, ist jetzt vielleicht schon für einen weiteren Angriff aus dieser Richtung gesorgt. Dann kann er dasselbe tun wie du – in der letzten Minute eintreffen, die Invasoren zurückschlagen und sich hier einnisten. Und da wäre er dann – als nächster Thronanwärter mit der größten Macht hinter sich. Simpel. Außer daß du den Anschlag nun doch überlebt hast und Brand zurückgeholt wurde. Wenn wir Brands Anschuldigung gegen Fiona glauben wollen – und ich wüßte keinen Grund, warum wir das nicht tun sollten –, ergibt sich dies aus dem ursprünglichen Plan.«

Ich nickte.

»Möglich«, sagte ich. »Ich habe Brand diese Fragen auch schon gestellt. Er gibt zu, daß es möglich ist, doch er behauptet, nicht zu wissen, ob Bleys noch lebt. Persönlich bin ich der Auffassung, daß er gelogen hat.«

»Warum?«

»Es ist denkbar, daß er die Rache für seine Gefangenschaft und den Anschlag auf sein Leben mit der Beseitigung des nach mir einzigen Hindernisses zwischen sich und dem Thron verbinden will. Er scheint für mich eine gefährliche Rolle vorgesehen zu haben in einem Plan, den er zur Zeit schmiedet und der der Beseitigung der Schwarzen Straße dienen soll. Das Umstoßen seiner eigenen früheren Pläne und das Vernichten der Straße könnten ihn in ziemlich gutem Licht dastehen lassen, besonders nach all dem Leid, das er hat durchmachen müssen. Dann, vielleicht dann, hätte er eine Chance – oder bildet sich jedenfalls ein, eine zu haben.«

»Du nimmst also an, daß Bleys auch noch lebt?«

»Ja – aber es ist nur so ein Gefühl.«

»Wie stark ist die Gegenseite eigentlich?«

»Hier haben wir es mit einer Folge höherer Bildung zu tun«, sagte ich. »Fiona und Brand haben seinerzeit auf Dworkin gehört, während wir übrigen in den Schatten unseren Freuden nachgingen. Folglich scheinen sie die grundlegenden Prinzipien besser begriffen zu haben als wir. Sie wissen mehr über die Schatten und die Dinge dahinter, mehr über das Muster, mehr über die Trümpfe. Deshalb vermochte Brand dir seine Nachricht zu schicken.«

»Ein interessanter Gedanke . . .«, sagte Random langsam. »Glaubst du, sie haben Dworkin beseitigt, nachdem sie der Meinung waren, genug von ihm gelernt zu haben? Das könnte auf jeden Fall dazu beitragen, die Kenntnisse im kleinen Kreis zu erhalten, sollte Vater etwas zustoßen.«

»Auf diesen Gedanken bin ich noch gar nicht gekommen«, gestand ich.

Und ich überlegte, ob sie womöglich etwas getan hatten, das sich auf Dworkins Geist ausgewirkt hatte. Etwas, das ihn zu dem Mann gemacht hatte, den ich bei unserem letzten Zusammentreffen erlebt hatte. Wenn das stimmte, wußten sie, daß er womöglich noch irgendwo lebte? Oder glaubten sie ihn völlig vernichtet zu haben?

»Ja, ein interessanter Gedanke«, sagte ich. »Durchaus vorstellbar.«

Die Sonne stieg langsam am Himmel empor, und das Frühstück kräftigte mich. Im Licht des Morgens blieb keine Spur von Tir-na Nog´th am Himmel zurück. Meine Erinnerungen daran ähnelten bereits den Bildern in verstaubten Spiegeln. Ganelon holte das einzige andere Überbleibsel meines Ausflugs, den Arm, und Random verstaute ihn beim Geschirr. Am Tage sahen die ersten drei Stufen nicht wie eine Treppe aus, sondern eher wie unebenes Gestein.

Random machte eine Kopfbewegung.

»Reiten wir auf dem gleichen Weg zurück?« fragte er.

»Ja«, entgegnete ich, und wir stiegen auf.

Wir waren auf einem Wege hergekommen, der sich südlich um den Kolvir herum wand. Dieser Pfad war länger, aber weniger anstrengend als die Route über den Gipfel. Ich wollte mich weitgehend schonen, solange mir meine Wunde Schwierigkeiten machte.

So ritten wir dann nach rechts – Random voran, ich in der Mitte, Ganelon hinten. Der Weg führte ein Stück bergauf, dann wieder hinab. Die Luft war kühl und wehte einen Duft nach Gras und feuchter Erde heran – ziemlich ungewöhnlich für diesen kahlen Ort und diese Höhe. Vermutlich ein Windhauch aus den tieferliegenden Wäldern.

Wir ließen die Pferde gemächlich in die nächste Senke hinabtrotten und dann wieder hangaufwärts. Als wir uns der Kammlinie näherten, begann Randoms Pferd zu wiehern und sich auf die Hinterhufe zu stellen. Er brachte es sofort wieder in seine Gewalt, und ich sah mich um, konnte aber keine Ursache für das plötzliche Scheuen ausmachen.

Als er die Anhöhe erreichte, ritt Random langsamer und rief zurück: »Schau dir mal den Sonnenaufgang an!«

Es wäre schwierig gewesen, das nicht zu tun, doch ich enthielt mich einer Bemerkung. Random neigt sonst nicht zu Sentimentalitäten über Schönheiten der Natur – es sei denn ganz spezielle.

Fast hätte ich selbst die Zügel angezogen, als ich die Anhöhe erreichte, denn die Sonne war ein fantastischer goldener Ball. Sie schien um etwa die Hälfte ihrer normalen Größe gewachsen zu sein, und ihre absonderliche Färbung unterschied sich von allem, was ich in meinem Leben bisher gesehen hatte. Die Beleuchtung stellte großartige Dinge an mit dem Streifen Ozean, der über der nächsten Erhebung sichtbar geworden war, und die Färbung von Wolken und Himmel war in der Tat einzigartig. Ich zügelte mein Pferd jedoch nicht, denn die plötzliche Helligkeit war schmerzhaft für die Augen.

»Du hast recht!« rief ich und folgte ihm in die nächste Senke. Hinter mir stieß Ganelon einen leisen Fluch aus.

Als ich die Nachwirkungen der Lichteffekte fortgeblinzelt hatte, bemerkte ich, daß die Vegetation dichter aussah, als ich sie aus dieser kleinen Senke am Kolvir in Erinnerung hatte. Ich hatte angenommen, daß es hier dürre Bäume und Flechtenbewuchs gäbe – doch tatsächlich fanden wir mehrere Dutzend Bäume, größer und grüner, als ich sie in Erinnerung hatte, und da und dort Grasbüschel und Ranken, die die harten Umrisse der Felsbrocken verschönten. Nach meiner Rückkehr war ich allerdings nur bei Dunkelheit in dieser Gegend gewesen. Wahrscheinlich lag hier auch die Ursache für die Düfte, die ich kurz zuvor wahrgenommen hatte.

Im Hindurchreiten wollte mir scheinen, als wäre die kleine Vertiefung auch breiter, als sie sein sollte. Als wir sie hinter uns hatten und den gegenüberliegenden Hang erklommen, war ich mir meiner Sache sicher.

»Random!« rief ich. »Hat sich dieses Fleckchen kürzlich verändert?«

»Schwer zu sagen!« gab er zurück. »Eric hat mich nicht oft aus der Stadt gelassen. Scheint ein bißchen mehr zugewachsen zu sein.«

»Mir kommt die Senke größer – breiter vor.«

»Ja, da hast du recht. Ich hatte das meiner Einbildung zugeschrieben.«

Als wir den nächsten Kamm erstiegen hatten, wurde ich nicht wieder geblendet, weil sich die Sonne hier hinter Laub versteckte. Das Gebiet vor uns war von noch wesentlich mehr Bäumen bewachsen als die Strecke hinter uns – und sie waren größer und standen dichter beisammen. Wir zügelten unsere Tiere.