Dann kam das Muster in Sicht – oder ein verzerrtes Negativ davon . . .
Ich beugte mich vor, und weiteres Licht quoll um die Kanten der Dinge. Mit den Knien drängte ich Star sanft zum Weitergehen.
Mit jedem Schritt kehrte nun etwas in die Welt zurück. Oberflächen, Abschattierungen, Farben . . .
Hinter mir hörte ich, wie die anderen ihre Tiere anspornten. Unter mir gab das Muster nichts von seinem Geheimnis preis, doch es gewann einen Zusammenhang, einen Bezug im Rahmen der umfassenden Neuformung der Welt ringsum.
Auf unserem Weg den Hang hinab kehrte das Gefühl für Tiefe zurück. Das Meer, nun deutlich zu unserer Rechten sichtbar, erfuhr eine vermutlich rein optische Trennung vom Himmel, mit dem es offenbar vorübergehend zu einer Art Urmeer des Oben und Unten vereint gewesen war. Im Rückblick beunruhigend, doch im Augenblick unbemerkt. Wir bewegten uns einen steilen, felsigen Hang hinab, der seinen Anfang am Rand des Wäldchens zu nehmen schien, zu dem uns das Einhorn geführt hatte. Etwa hundert Meter unter uns befand sich eine völlig ebene Fläche, die aus festem, gewachsenem Fels zu bestehen schien – ungefähr oval, einige hundert Meter lang. Der Hang, auf dem wir uns befanden, schwang sich nach rechts und beschrieb einen weiten Bogen, eine Klammer, das ebene Oval halb einschließend wie die Tribünen einer Arena. Hinter dem rechten Vorsprung befand sich nichts – das heißt, das Land fiel steil zu jenem seltsamen Meer ab.
Und die Entwicklung ging weiter. Die drei Dimensionen schienen sich endlich wieder zusammenzufügen. Die Sonne war jene riesige Kugel aus geschmolzenem Gold, die wir schon einmal gesehen hatten. Der Himmel war von einem dunkleren Blau, als wir es aus Amber kennen, und trug keine Wolken. Das Meer hatte sich in seinem Blauton angepaßt, unberührt von Segeln oder Inseln. Ich sah keine Vögel und hörte bis auf die Geräusche, die wir selbst verursachten, nichts. Eine unheimliche Stille lag über diesem Ort, diesem Tag. Im Brennpunkt meines plötzlich klaren Sehvermögens offenbarte das Muster endlich seine Spuren auf der Fläche unter uns. Zuerst hatte ich angenommen, es sei in das Gestein eingemeißelt, doch als wir näherkamen, erkannte ich, daß es darin enthalten war – rosagoldene Wirbel, wie Adern in einem exotischen Marmorgestein, natürlich wirkend trotz der offensichtlichen Absicht hinter dem Lauf der Linien.
Ich zog die Zügel an, und die anderen verhielten neben mir ihre Pferde, Random zu meiner Rechten, Ganelon auf der anderen Seite.
Lange betrachteten wir die Erscheinung, ohne ein Wort zu sagen. Ein dunkler Fleck mit ungleichmäßigen Rändern hatte ein Stück des Gebietes unmittelbar unter uns ausgelöscht, vom Außenrand zur Mitte verlaufend.
»Weißt du«, sagte Random schließlich. »Das alles sieht aus, als hätte jemand den Gipfel Kolvirs abrasiert, mit einem Schnitt, der etwa in der Höhe der Verliese angesetzt wurde.«
»Ja«, sagte ich.
»Und wenn wir schon nach Kongruenz suchen – dann wäre das dort etwa die Stelle, wo unser eigenes Muster liegt.«
»Ja«, sagte ich wieder.
»Und der dunkle Fleck liegt nach Süden zu, von wo die Schwarze Straße kommt.«
Langsam nickte ich, als das Verstehen kam und sich zur Gewißheit verhärtete.
»Was bedeutet das aber?« fragte er. »Dies scheint dem wahren Stand der Dinge zu entsprechen, doch abgesehen davon verstehe ich die Bedeutung nicht. Warum hat man uns hergeführt und dieses Ding gezeigt?«
»Es entspricht nicht dem wahren Stand der Dinge«, sagte ich. »Dies ist der wahre Stand der Dinge.«
Ganelon wandte sich in unsere Richtung.
»Auf jener Schatten-Erde, die wir besucht haben – auf der Welt, in der du so viele Jahre verbracht hattest –, hörte ich einmal ein Gedicht über zwei Straßen, die sich in einem Wald gabelten«, sagte er. »Es endete mit den Worten: ›Ich nahm die weniger befahrene, das machte den ganzen Unterschied‹. Als ich dies hörte, mußte ich an etwas denken, das du mir einmal gesagt hattest: ›Alle Straßen führen nach Amber‹. Ich machte mir Gedanken – damals wie jetzt – über den Unterschied, den unsere Entscheidung bringt, trotz der offensichtlichen Unausweichlichkeit des Ausgangs für Menschen eures Blutes.«
»Du weißt es?« fragte ich. »Du verstehst es?«
»Ich glaube schon.«
Er nickte und hob den Arm.
»Das ist das wirkliche Amber dort unten, nicht wahr?«
»Ja«, sagte ich. »Ja, das ist es.«