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Cordie fragte sich, was ein Mädchen wie Lilly noch scho­ckieren konnte. Doch sie erkundigte sich nicht danach. Sie wollte es gar nicht wissen.

»Einer kam erst vergangene Nacht ins Dorf. Hat ein halbes Dutzend von uns umgebracht. Diese Thaks sind übel. Echt übel. Die meisten von uns gehen nie allein irgend­wohin, falls wir einem über den Weg laufen.«

Sie schleiften Kigit weiter. Die Leiche wirkte schwerer als zuvor. »Wie weit ist es noch bis zu diesem Dorf?«

»Wir sind fast da.«

»Gott sei Dank.« Cordie mühte sich weiter. Im Wald herrschten Hitze und Stille vor. Keine Brise rührte sich.

Schweiß kullerte ihr über die Haut. Kigits Knöchel wurde in ihren nassen Händen schlüpfrig, und sie verlor mehrmals den Halt.

»Können wir uns nicht kurz ausruhen?«, fragte sie.

»Wir sind in einer Minute da.«

»Ich habe letzte Nacht einen Thak gesehen. Wenn wir uns ein wenig ausruhen, erzähle ich dir davon.«

»Na gut. Aber mach schnell.«

Cordie ließ das Bein fallen. Mit verschwitzten Händen

wischte sie sich nasse Haarsträhnen aus dem Gesicht. Alles an ihr triefte. Sie wünschte, sie hätte ein Handtuch. »Du hast also einen Thak gesehen?« Cordie nickte. »Ja. Er hat einen Jungen getötet. Und ...« Sie konnte sich nicht dazu überwinden, Bens Namen auszu­sprechen. »Und meinen Freund.«

»Du meinst sie?« Lilly nicktc zu den Jungen, die mit ihrer Last aus Armen und Beinen ein Stück vorausgingen. »Das ...«

»Das sind sie. Was hast du denn gedacht?« »Ich schätze, irgendwie wusste ich es wohl«, gestand Cordie.

»Gehen wir weiter«, schlug Lilly vor.

Sie hoben die Beine an und setzten sich in Bewegung.

»Das war kein Thak, den du gesehen hast.«

»Was?«

»Den beiden wurden die Köpfe abgerissen. Das war kein Thak. Wie hat er ausgesehen?«

»Er war riesig«, beschrieb Cordie. »Ich weiß nicht genau, vermutlich über zwei Meter. Mehr konnte ich nicht erkennen. Es war dunkel und ich habe ihn nur eine Sekunde lang ge­sehen. Aber ich konnte ihn hören. Mein Gott, er hatte eine Stimme wie ... Sie war schrecklich.« »Er hat >Krull< gebrüllt, stimmt's?« »Ja.« Cordie blinzelte sich Schweiß von den Wimpern. »Wer war er?« »Der Teufel.«

Im Dorf wurde Cordie ohne Umschweife in eine Hütte geführt. »Bleib hier«, forderte Lilly sie auf. »Grar muss dich sehen.«

Dann war sie allein. Sie saß mit untergeschlagenen Beinen in der Mitte der Hütte. Durch das Blätterdach fiel

Sonnenlicht unregelmäßig auf den Boden. Cordie seufzte. Es fühlte sich gut an, die Leiche los zu sein. Aber später ...

Sie wollte nicht über später nachdenken.

Zumindest vorläufig schien sie nicht in Gefahr zu schwe­ben.

Sie hatten sie akzeptiert.

Die Jungen hatten sie wundgefickt. Kigit hatte versucht, sie zu töten. Doch bisher hatte sie alles richtig gemacht. Sie gehörte fast zu ihnen.

Mit beiden Händen wischte sie sich den tropfenden Schweiß aus dem Gesicht, von den Schultern und von den Brüsten.

Sie wäre gern zu jenem Bach zurückgekehrt.

Und zu Dad.

Das Fell über dem Eingang der Hütte wurde zurück­geschlagen, und eine Kreatur schwang sich auf behaarten Armen herein. Cordie zuckte zusammen. Sie umklammerte ihre Oberschenkel, bohrte die Fingernägel in die feuchte Haut, kämpfte gegen den Drang an, zu fliehen oder zu schreien.

Sie erkannte, dass es sich bei der Kreatur um einen Mann handelte. Einen grauenhaft entstellten, aufgedunsenen Mann ohne Beine. Sein Mund verzog sich zum Abklatsch eines Grinsens.

»Grar?«

Das Monster schwang sich näher.

Cordie bohrte die Finger fester in die Oberschenkel. Die Nägel durchdrangen die Haut.

Zentimeter von ihren Knien entfernt hielt er inne. Sein Blick wanderte über ihren Körper.

Nein!

Nicht er!

Als sie seine verklebten Augen betrachtete, wurde ihr klar,

dass sie lieber sterben, als sich von ihm nehmen lassen wollte.

Sie verschränkte die Arme vor den Brüsten. Die Kreatur knurrte. »Nein«, flüsterte sie. 

KAPITEL 24

Robbins erwachte und fand Neala schlafend neben sich auf dem Fellbett vor. Er hob den Kopf. Sherri stand an der vor­deren Wand und hielt Wache.

Behutsam entfernte er Nealas Hand von seinem Bauch und stand auf. Er ging zu Sherri. »Was machen sie?«, er­kundigte er sich.

»Stehen bloß rum.«

Er spähte hinaus. »Worauf um alles in der Welt warten die?«

»Vielleicht wollen sie uns aushungern. Ist besser, als sich von uns die Köpfe wegschießen zu lassen.«

»Ja.« Er trat von der Wand zurück und zog sein T-Shirt hoch, um sich den Schweiß vom Gesicht zu wischen. Dann ergriff er sein Gewehr. Er ging zur Tür und öffnete sie. Die von draußen hereinströmende Luft sorgte für keine Abküh­lung; sie fühlte sich eher noch wärmer an als im Inneren.

»Ich persönlich glaube ja, dass wir verdursten, bevor wir verhungern«, sagte Sherri.

»Wir werden weder verdursten noch verhungern.«

»Was hast du vor? Kollektiven Selbstmord?«

»Ich habe vor, uns hier rauszuschaffen.«

»Na, viel Glück.«

Robbins trat hinaus ins Sonnenlicht. Er kniff die Augen zusammen und spähte durch die schiefen Kreuze und aufge­spießten Köpfe.

Es mussten etwa zwei Dutzend Krulls sein. Und sie taten nicht das Geringste. Hängen nur rum, wie bei einem Picknick.

Picknick.

Robbins lachte freudlos.

Ein paar der Krulls wurden lebhaft, als sie ihn bemerkten. Einige zeigten in seine Richtung. Ein junger Bursche rannte vor, hielt am Rand der Kreuze an und schleuderte einen Speer. Robbins beobachtete, wie der Schaft aufstieg, wusste jedoch, dass er nicht weit genug fliegen würde. Was sich bestätigte. Im Fallen riss der Speer einem aufgespießten Kopf das halbe Gesicht weg. Der Schädel wirbelte herum, das schwarze Haar wehte hinterher.

Zornige Stimmen zerbrachen die Stille.

Zwei Krulls griffen den Jungen an. Sie stießen ihn zu Boden, stapften auf ihn, traten auf ihn ein.

Weil er den Speer auf ein unmögliches Ziel geworfen hatte?

Oder weil er einen der Köpfe beschädigt hatte?

Vielleicht ist das hier heiliges Gelände, dachte Robbins. Das würde erklären, weshalb die Krulls es nicht betraten.

Er ging die Vorderseite der Hütte entlang zur Ecke. Auf dieser Seite befanden sich weitere Krulls. Robbins zählte nur acht. Allerdings konnten sie von denen vorne Verstärkung bekommen.

Er ging weiter nach hinten. Dort sah er noch mehr. 13 oder 14 wanderten müßig jenseits des Felds der Kreuze umher.

Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn zusammenzucken. Jäh wirbelte er herum. Die Mündung seines Gewehrs schwebte nur Zentimeter vor Nealas Bauch.

Einen Moment lang wirkte sie zu Tode verängstigt. Dann trat ein Lächeln in ihre Züge. »Nicht schießen«, bat sie.

»Käme mir nie in den Sinn. Wieso bist du auf?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Da drin ist es zu heiß.«

»Hier draußen ist es noch heißer.«

»Aber hier bist du. Was machst du?«

»Ich suche nach einem Ausweg.«

»Schon Glück gehabt?«

»Noch nicht.«

Sie blickte mit zusammengekniffenen Augen über das Feld. Nasse Haare klebten an ihrer Stirn. Ihr Gesicht war verschwitzt. In den winzigen, feuchten Flecken unter ihren Augen glitzerte das Sonnenlicht. Ein Tropfen rann auf ihren Mundwinkel zu. Sie leckte ihn weg, dann trocknete sie sich das Gesicht mit der Vorderseite ihrer Bluse, die sie anschlie­ßend offen hängen ließ.

»Warum kommen sie nicht?«, fragte sie.

»Ich bin nicht sicher. Ich denke, wir könnten uns auf heiligem Gebiet oder so befinden. Sie bleiben immer am Rand der Kreuze stehen.«