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Kann heute Abend denn gar niemand lächeln?, fragte sie sich.

Mit einem solchen Ring am kleinen Finger sollte sich diese Frau wie ein Schneekönig freuen.

»Ein Rindfleischsandwich mit Zwiebeln und Käse«, sagte Sherri. »Pommes und eine Pepsi.«

Die Frau nickte und ging davon.

Sherri sah ihr mit gerunzelter Stirn nach.

»Hast du ihren Ring gesehen?«, fragte Neala in der Hoff­nung, die betretene Stimmung zu durchbrechen.

»Wie hätte ich den übersehen können? Das Ding hätte mich fast geblendet.«

»Glaubst du, er ist aus Glas?«

»Für mich hat er ziemlich echt ausgesehen. Natürlich bin ich keine Expertin. Außerdem habe ich meine Juwelierlupe zu Hause gelassen.«

Neala lachte und erblickte den Ansatz eines Lächelns in Sherris Gesicht. »Hat wie ein Ehering ausgesehen«, meinte sie.

»Falscher Finger. Und falsche Hand. Wahrscheinlich ist sie rausgewachsen.«

»Die? Sie besteht ja nur aus Haut und Knochen.«

»Vielleicht ist es ein Freundschaftsring«, schlug Sherri vor. »Ich könnte so einen Freund brauchen. Dem das Geld nur so aus dem Arsch quillt. Wäre ich diese Frau, ich würde innerhalb von etwa zwei Sekunden auf dieses Kaff schei­ßen. Mir den Kerl schnappen und in die große Stadt ver­duften.«

Als die Kellnerin ihr Essen brachte, beobachteten sie beide deren Hand.

»Was glaubst du?«, fragte Neala, als sie fort war.

»Ich glaube, er ist echt.«

Neala biss in ihren Terkburger: eine dicke Frikadelle auf Sesambrötchen. Saft rann ihr übers Kinn. Sie wischte ihn mit dem Handrücken ab und griff nach einer Serviette. »Köstlich«, sagte sie.

»Meins auch«, erwiderte Sherri. Seitlich aus ihrem Sand­wich baumelten lasche Zwiebelstreifen.

»Zwiebelatem.«

»Hast du vor, mich zu küssen?«, fragte Sherri.

»Nicht heute Nacht.«

»Verdammt, und dabei hatte ich mich schon so drauf gefreut.«

»Du wirst mit Sicherheit das Zelt vollstinken. Vielleicht sollten wir besser unter freiem Himmel schlafen.«

»Was, wenn es regnet?«, fragte Sherri mit vollem Mund, wodurch ihre Worte gedämpft klangen.

»Dann werden wir nass.«

»Das will ich nicht.«

»Besser nass als Zwiebelgase im Zelt.«

»Ach ja?« Sherri hob die obere Sandwichscheibe hoch, ergriff mit Zeigefinger und Daumen einen verworrenen Klumpen Zwiebeln und ließ ihn auf Nealas Teller fallen. »Du isst auch davon. Zu meiner Absicherung.«

Lachend legte Neala die Zwiebeln auf ihren Terkburger und aß.

Bald waren ihre Teller leer. Neala dachte daran, zum Auto zurückzukehren. Sie wollte es aber nicht.

»Was hältst du von Nachtisch?«, fragte Sherri, als hätte auch sie es nicht eilig damit, zu gehen.

»Gute Idee.«

Dies war kein Zeitpunkt zum Kalorienzählen. Neala zer­brach sich darüber ohnehin selten den Kopf; sie hatte kein Problem damit, ihre schlanke Figur zu halten. Trotzdem fühlte sie sich bei fettigen Desserts immer schuldig. An diesem Abend allerdings war es die Schuldgefühle wert, die Rückkehr zum Auto hinauszuzögern.

Beide bestellten einen Eisbecher mit Karamellsauce. Sie aßen langsam, stocherten in der Eiscreme, in dem dicken warmen Sirup, in der mit gehackten Nüssen bestreuten Schlagsahne.

»Das Ding wird mir gute zwei Zentimeter auf die Hüften packen«, meinte Sherri. Sie war ein Handbreit größer als Neala und hatte breite Schultern, einen üppigen Busen und ausladende Hüften. Sherri war keineswegs dick, aber ein, zwei Zentimeter mehr an der Hüfte würden bei ihr nicht besonders auffallen. Neala beschloss, diese Beobachtung für sich zu behalten.

»Das schuften wir diese Woche locker wieder runter«, sagte sie stattdessen.

»Schon toll, wenn man seinen Urlaub mit Müh und Plag verbringt.«

»Es wird dir gefallen.«

»Klar doch. Es würde mir dann super gefallen, wenn Robert Redford zu unserem Lagerfeuer käme, ich ihn mit meinem Esprit und Charme glatt umhaue und er mich mitnimmt. Aber bei meinem Glück würde er sich in dich verknallen.«

»Ich würde ihn mit dir teilen.«

Als die Eisbecher leer waren, bestellten sie Kaffee.

Danach müssen wir gehen, dachte Neala. Zurück zum Auto. Zurück auf die schmale, dunkle Straße durch die Wälder.

Wir können nicht die ganze Nacht hierbleiben.

Sie beobachtete, wie die Kellnerin die hölzerne Eingangs­tür schloss. Durch das Fenster sah sie, dass die Abend­dämmerung angebrochen war. Der Schotter des Parkplatzes zeichnete sich als verschwommenes Grau ab. Auf der ande­ren Straßenseite blinkte das Schild des Sunshine Motor Inn in tristem Blau. Es zeigte an, dass Zimmer frei waren.

Ihr Blick begegnete jenem Sherris.

»Kommt nicht infrage«, sagte Sherri.

»Ich weiß. Ich will auch nicht bleiben. Ich will nicht gehen und ich will nicht bleiben.«

»Wir werden uns wesentlich besser fühlen, sobald wir einige Meilen hinter uns haben.«

Neala nickte zustimmend.

»Aber bevor wir irgendetwas tun, muss meine Wenigkeit mal aufs Klo.«

Während sie weg war, trank Neala eine weitere Tasse Kaffee.

Als Sherri zurückkam, ging Neala. Die Toilette, die sich im hinteren Bereich des Lokals befand, erwies sich als sauber und angenehm. Sollte sie auch sein, dachte Neala. Immerhin scheint das Lokal stinkreichen Leuten zu gehören.

Sie kehrte zum Tisch zurück. Sherri hatte das Trinkgeld bereits hingelegt. Sie brachten die Rechnung zur Kasse. Diesmal war Neala mit dem Bezahlen an der Reihe.

Für unterwegs kaufte sie noch zwei Packungen Minz­bonbons.

Die Kellnerin ließ Wechselgeld in ihre Hand rieseln. »Beehrt uns bald wieder«, sagte sie.

Sherri griff nach dem Türknauf und versuchte, ihn zu drehen. Er rührte sich nicht. Sie versuchte es erneut. »He, Miss?«, rief sie zur Kellnerin.

Die Köpfe aller Gäste an der Theke drehten sich ihnen zu.

»He, Miss, die Tür klemmt.«

Die Gäste starrten sie an. Ein paar der Jüngeren lächelten, die meisten jedoch schauten düster drein.

»Die klemmt nicht, Schätzchen. Sie ist abgesperrt.«

Neala spürte, wie blanke Angst ihre Eingeweide zusammen- krampfte.

»Wie wär's damit, sie aw/zusperren?«, fragte Sherri.

»Ich fürchte, das kann ich nicht tun.«

»Ach ja? Und warum nicht?«

»Weil ihr beide hierbleibt.«

Mit einem breiten Grinsen wandte sich die Kellnerin den anderen Gästen zu - denselben Gästen, wie Neala plötzlich erkannte, die bereits an der Theke gesessen hatten, als Sherri und sie vor so langer Zeit angekommen waren.

Schweigend kletterten vier der Männer von ihren Hockern. 

KAPITEL 2

Lander Dills schaltete das Fernlicht aus, als sich um eine Kurve ein Wagen näherte. Als das Fahrzeug verschwunden war, schaltete er es wieder ein und verdoppelte so die Helligkeit der Straße und des Walds vor ihm.

»Das ist der Urwald«, verkündete er. »Murmelnde Kiefern und Schierling.«

»Das ist Dad, wenn er sein Evangeline-Programm abspult«, sagte Cordelia auf dem Rücksitz zur Erklärung für Ben. »Er hat regelmäßig dichterische Anwandlungen.«

»Macht doch nichts«, meinte Ben.

Guter Junge, dieser Ben. Er konnte zwar Jambus nicht von Daktylus unterscheiden, was ihn nicht mal interessierte, aber er schien einigermaßen intelligent und höflich zu sein. Als Highschool-Lehrer hatte Lander von der anderen Sorte genug für ein Dutzend Leben kennengelernt. Gott sei Dank hatte seine Tochter guten Geschmack, was Freunde anging.

»Longfellow kannte sich aus«, sagte Lander. »Der Urwald. Man kann ihn in den Knochen spüren - die Stille, die Abge­schiedenheit. Da draußen hat sich seit tausend Jahren nichts verändert. >Beim dunstigen Sumpf von Auber, in dem spuk­haften Waldland von Weir.<«