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»Geht's?«, fragte Robbins.

»Nein!«

»Herrgott, Philips.«

»Dich hat's ja wirklich schwer erwischt, Kumpel. Sei besser vorsichtig.«

»Haltet alle die Klappe«, herrschte der Fahrer sie an.

Sie blieben unter einem der Bäume stehen.

»Lehn dich zurück«, sagte Robbins.

»Ich ...«

Philips stieß Neala. Ihr Rücken und Kopf prallten gegen den Stamm. Philips hielt sie fest, während Shaw und der Fahrer Sherri gegen denselben Baum pressten. Sie hörte das Rasseln von Handschellen. Dann packte der Fahrer ihren rechten Arm, zog ihn nach hinten und legte ihr die Hand­schelle an. Als sie den Hals streckte, konnte sie erkennen, dass nun auch ihr anderer Arm an Sherri gekettet war.

Rücken an Rücken standen sie da, der Baumstamm zwi­schen ihnen.

»Das genügt«, sagte der Fahrer. Er griff an seinen Hals, wo etwas an einer Kette hing. Er hob den Gegenstand an den Mund. Eine Pfeife. Er blies einen langen, schrillen Ton, der die Stille der Nacht zerriss wie der Schrei eines grau­sigen Vogels. Danach ließ er die Pfeife zurückfallen. »Ver­schwinden wir«, sagte er.

Drei der Männer rannten los. Derjenige namens Robbins entfernte sich rücklings und schüttelte dabei den Kopf. »Es tut mir leid«, murmelte er. Dann drehte er sich um und folgte den anderen im Laufschritt zurück zum Pritschen­wagen. Ihre Schatten huschten flackernd durch das Licht der Scheinwerfer, ehe sie hinter dem Leuchten verschwanden. Neala hörte, wie die Heckklappe geschlossen und die Türen zugeworfen wurden. Der Motor erwachte brüllend zum Leben. Die Scheinwerfer schwenkten zur Seite und weg. Eine Zeit lang blieben die roten Heckleuchten zittrig erkennbar, dann verschwanden auch sie.

»Ich hoffe, diese Dreckskerle verrotten in der Hölle«, stieß Sherri hervor. 

KAPITEL 6

Der Lieferwagen blieb vor Robbins' Haus stehen, und er sprang hinaus auf den Asphalt.

»Nichts für ungut«, sagte Shaw, womit er auf sein Ver­halten von vorhin anspielte.

»Gleichfalls«, gab Robbins zurück.

Timmy saß stumm neben seinem Vater. »Sag gute Nacht zu Mr. Robbins«, forderte Shaw ihn auf.

»Nacht«, murmelte Timmy.

»Ja.«

Der Wagen fuhr weiter.

Robbins öffnete den Riegel seines Eingangstors. Er über­querte den Rasen zu seinem dunklen Haus und setzte sich auf die Verandatreppe. Mit um die Knie geschlungenen Armen starrte er auf den Boden.

Verdammt, diese eine Frau hatte irgendetwas an sich gehabt - die Kleinere. Er war schon jahrelang bei den Liefertouren dabei, seit er 16 geworden war, aber so hatte er sich noch nie gefühlt.

Keine Frau hatte je eine solche Empfindung in ihm ausge­löst. Klar, es gab einige, die er gern mochte, und manche behaupteten sogar, ihn zu lieben. Wenn er den Drang nach Spaß im Bett verspürte, konnte er sich eine aussuchen. Aber keine wie diese.

Diese Frau war anders. Nur neben ihr zu sitzen, ihre Hand zu halten, leise die Nacht hindurch mit ihr zu reden ...

Im Morgengrauen würde sie tot sein.

Er spürte den Verlust bereits jetzt wie eine Leere in seiner Brust.

Er würde sie nie wiedersehen.

Ginge es nur um ihn, würde er vielleicht dorthin zurück­kehren, und vielleicht, wenn es noch nicht zu spät wäre ... Er könnte auf jeden Fall entkommen. Aber sie würden sich Peggy holen. Und Hank. Und deren Kinder.

Alle würden verschwinden müssen. Die ganze Familie.

Und warum eigentlich nicht? Wenn sie es über die Grenze schafften, würde ihnen nichts mehr passieren. Er könnte die Frau vielleicht nach Los Angeles bringen ...

Du vertrödelst hier mit deiner Träumerei ihr Leben!

Robbins sprang auf die Beine, hastete über die Veranda und riss die Vordertür auf. Seine Hand drückte den Licht­schalter. Er blinzelte in der plötzlichen Helligkeit, durch­querte das Zimmer und öffnete seinen Waffenschrank. Robbins holte seine 30-30 Winchester heraus, ergriff eine Schachtel Patronen und rannte wieder hinaus.

Sein alter Buick parkte auf der Straße. Er raste die zwei Blocks zum Haus seiner Schwester, stieg aus und lief zur Insektenschutztür. Nach einem kurzen, heftigen Klopfen trat er ein.

»Peggy!«

Mit Besorgnis im randlichen Gesicht kam sie aus der Küche.

»Du meine Güte, Johnny ...«

»Ich muss mit dir reden. Draußen.«

Hank tauchte an der Küchentür auf. Er musterte Robbins argwöhnisch. »Was gibt's?«, fragte er.

»Nichts. Will nur kurz mit Peg reden.«

Hank verengte die Augen zu Schlitzen. »Ein großes Geheimnis, was?«

»Sie wird dir alles erzählen.« Damit packte Robbins den fleischigen Arm seiner Schwester und zog sie zur Tür hinaus. Er eilte über den Rasen und schleifte sie mit.

»Wir hauen heute Nacht von hier ab«, verkündete er.

»Was?«

»Die Tour heute. Da war eine junge Frau dabei. Ich gehe zurück und hole sie.«

»Johnny, nein!«

»Ich muss.«

»Großer Gott! O du mein lieber Gott!«

»Wir verschwinden von hier. Wir alle.«

»Nein!«

»Ich komme zurück, so schnell ich kann. Sorg dafür, dass Hank und die Kinder bereit zum Aufbruch sind.«

»Hank wird nicht gehen. Das weißt du. Er würde um nichts in der Welt von hier weggehen.«

»Dann ist das sein Problem.«

»Johnny, das kannst du uns nicht antun!«

»Willst du den Rest deines Lebens hier verbringen? Willst du das, Peg? Willst du, dass Jenny und Bill so aufwachsen, wie wir es mussten? Willst du, dass sie so wie der Rest von uns zu Mördern werden?«

Mittlerweile weinte sie. Die Tränen glitzerten in ihren Augen und rannen über ihre Wangen. »Wir können nicht weg!«

»Und ob ihr das könnt.« »Aber Hank ...«

»Wenn er nicht mitkommen will, dann zur Hölle mit ihm. Ihr wärt ohne ihn sowieso besser dran.« »Ich weiß, aber ...«

»Er kann euch nicht aufhalten.« Johnny umarmte seine Schwester innig. »Mach dir keine Sorgen, okay? Wir schaffen das.«

Peggy schüttelte den Kopf. »Tu uns das nicht an. Bitte, Johnny, tu es nicht.« »Eine halbe Stunde«, erwiderte er nur und stieg ins Auto. 

KAPITEL 7

»Wir müssen hier weg«, sagte Neala.

»Und wie genau willst du das anstellen?«

»Ich weiß es nicht.« Nealas Stimme kippte und ging in ein Schluchzen über. Sie drehte die Hände, zerrte an den Hand­schellen, die sie an den Baum fesselten.

»Wir sollten uns schnell etwas einfallen lassen«, meinte Sherri. »Dieses Pfeifen war eine Art Signal.«

»Vielleicht können wir die Hände rausziehen.«

»Versuchen wir's.«

Die beiden verrenkten an dem rindenlosen Baum hinter ihnen die Handgelenke.

»Bei mir sitzen sie fürchterlich fest«, sagte Sherri.

»Meine linke scheint ein klein wenig ...«

»O verdammt!«, stieß Sherri hervor und senkte die Stimme zu einem Flüstern.

»Was ist?«

»Auf dem Baum ist jemand.«

Neala schaute nach rechts und neigte den Kopf zurück.

»Nein, in der anderen Richtung. Neben uns.«

Sie drehte sich nach links und ließ den Blick über den verwitterten Stamm hinaufwandern. Zuerst sah sie nur unebenmäßige Äste, die im Mondlicht bleich wie ausgelöste Knochen wirkten. Dann bewegte sich einer davon, und sie begriff, dass es sich um ein Bein handelte. Ein zweites bau­melte daneben. Neala folgte den Beinen nach oben zu einem nackten Oberschenkel und Rumpf. Darüber konnte sie einen Kopf mit zottigem Haar ausmachen. Falls die Gestalt Brüste hatte, konnte Neala sie nicht erkennen. »Lebt der?«, flüsterte Neala.

»Kann ich nicht sagen. Sieht für mich eher tot aus.«