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Er blieb einen Moment stehen, um zu lauschen - er hörte nichts außer den vielfältigen Geräuschen des Waldes -, und lief dann noch schneller weiter. Der Busch wurde immer dichter, so daß es immer schwerer war, überhaupt voranzukommen; geschweige denn, die einmal eingeschlagene Richtung beizubehalten. Wo ihm nicht dichtes Unterholz den Durchgang verwehrte, da erhoben sich die Reste von verkohlten Gebäuden oder auch massive, fast unversehrte Mauern. Und mehr als einmal mußte er große Umwege in Kauf nehmen oder gar den mühsam zurückgelegten Weg ein gutes Stück wieder zurückgehen, um überhaupt von der Stelle zu kommen. Jeans einziger Trost war, daß die vier anderen wahrscheinlich mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Der Zwischenfall mit den Spinnen hatte ihm gezeigt, daß sie sich hier im Dschungel nicht besonders gut auskannten. Vielleicht hatte er ja Glück, dachte er, und sie taten ihm den Gefallen, sich auffressen zu lassen oder auf eine giftige Pflanze zu treten.

Obwohl er sein Tempo immer mehr erhöhte und damit Gefahr lief, irgendein Raubtier oder eine heimtückische Falle zu übersehen, brauchte Jean über eineinhalb Stunden, um den Fluß wieder zu erreichen. Und als sich das Unterholz schließlich vor ihm lichtete und er den gewaltigen, schlammigen Graben vor sich sah, stellte er enttäuscht fest, daß er weiter vom Kurs abgekommen war, als er angenommen hatte: Die Insel befand sich gute zwei Kilometer zu seiner Rechten.

Jean seufzte enttäuscht. Er mußte sich fast im rechten Winkel vom richtigen Kurs entfernt haben, ohne es zu merken. Aber vielleicht konnte er noch von Glück sagen, daß er den Fluß überhaupt wiedergefunden hatte. Er warf einen Blick in den Himmel hinauf - im Augenblick war kein Gleiter zu sehen - und ging los.

Auf dem ersten Drittel der Strecke kam er besser voran, als er zu hoffen gewagt hatte. Dann stieß er auf die Überreste einer alten Asphaltstraße, die unmittelbar am Ufer entlangführte. Sie war von Unkraut und Moos bedeckt, aber er brauchte wenigstens nicht auf Fallgruben und giftige Pilze zu achten. Eine gute halbe Stunde lang marschierte er in scharfem Tempo auf die Insel zu, wobei er aber immer wieder stehenblieb und sich nach allen Seiten hin umsah. Ein paarmal hörte er ein verräterisches Geräusch aus dem Dschungel und huschte blitzschnell hinter die erstbeste Deckung, die er fand.

Trotzdem mußte er einen Fehler begangen haben, denn plötzlich hörte er genau das Geräusch, vor dem er wie vor nichts anderem auf der Welt Angst hatte: das Heulen eines Gleiters!

Jean fuhr mit einem Aufschrei herum, über dem Fluß war ein winziges, silbernes Funkeln zu sehen, das sich mit irrsinniger Geschwindigkeit näherte und allmählich die Gestalt einer flachen, kreisrunden Scheibe gewann. Der Gleiter bewegte sich direkt auf ihn zu!

Jean wußte im Grunde sehr gut, wie sinnlos alles war, was er jetzt noch tun konnte. Was immer einmal von den Ortungsgeräten der Gleiter erfaßt worden war, das hatte keine Chance mehr, ihnen wieder zu entkommen. Und die Feuerkraft dieser fliegenden Killer reichte aus, es zu vernichten, gleichgültig, wo es sich versteckte. Trotzdem fuhr er herum, rannte zwei, drei Schritte auf den Waldrand zu und warf sich mit einem gewaltigen Sprung hinter einen Baum, als der Gleiter heulend heranraste. Er schlug schmerzhaft auf dem Boden auf, der sich unter der dünnen Decke aus Luftwurzeln und kriechenden Gewächsen verbarg, rollte herum und riß instinktiv die Arme über das Gesicht, als könne er den tödlichen Laserblitz auf diese Weise abwehren.

Der Gleiter raste heran, verwandelte sich zu einem gigantischen, dreißig Meter durchmessenden Ungetüm, das eine Woge kochendheißer, brüllender Luft vor sich herschob - und jagte über Jeans Versteck hinweg!

Im ersten Moment war er so verblüfft, daß er nicht einmal begriff, was überhaupt geschah. Er wußte nur, daß er noch am Leben war - aber er verstand nicht, warum. Dann traf die kochendheiße Druckwelle, die der Gleiter wie eine unsichtbare Schleppe hinter sich herzog, den Dschungel und das Flußufer. Jean fühlte sich gepackt und hochgerissen und wie ein welkes Blatt durch die Luft gewirbelt. Er schrie auf, griff ebenso verzweifelt wie sinnlos nach irgend etwas, woran er sich festhalten konnte, und sah das Flußufer und den fünfzehn Meter tiefen Abgrund dahinter auf sich zu springen. Ein paarmal überschlug er sich in der Luft, ehe er mit furchtbarer Wucht aufprallte. Ein gräßlicher Ruck schien jedes einzelne Gelenk in seinen Händen, Armen und Schultern zerreißen zu wollen, und für einen Moment hatte er das furchtbare Gefühl, daß unsichtbare, ungeheuer starke Hände an seinen Füßen zerrten und ihn endgültig in den Abgrund hinabzureißen versuchten. Dann kam er mit einem letzten, noch schrecklicheren Ruck zur Ruhe und blieb stöhnend vor Schmerz und Angst liegen.

Das Heulen des Gleiters erfüllte noch immer die Luft. Aber es entfernte sich. Jean hob mühsam den Kopf, versuchte die Tränen wegzublinzeln, die seinen Blick verschleierten, und starrte verständnislos auf die gigantische Silberscheibe, die sich in den wenigen Sekunden bereits einen guten Kilometer entfernt hatte. Er begriff nur ganz allmählich, warum er überhaupt noch am Leben war: Der Angriff hatte nicht ihm gegolten. Der Computer des Gleiters mußte eine lohnendere Beute erspäht haben.

Das riesige Fluggefährt wurde plötzlich langsamer, kippte über die linke Seite ab und begann, einen rasend schnellen Kreis über den Fluß zu drehen. Für einen Moment glaubte Jean, daß seine Besatzung endlich ihren Fehler bemerkt hatte und umkehrte, aber dann verharrte der Gleiter völlig reglos über der Flußmitte - und begann langsam und fast lautlos dem Ufer entgegenzusinken.

Jean begriff, daß ihm vielleicht doch noch eine letzte Chance blieb. Hastig, aber trotzdem sehr vorsichtig begann er wieder auf den Waldrand zuzukriechen. Die Entfernung betrug kaum fünf Meter. Aber Jean starb tausend Tode in den wenigen Sekunden, die er brauchte, um sie zurückzulegen. Er wagte es nicht einmal, den Kopf zu drehen, um wieder zum Gleiter hinüberzusehen.

Unbehelligt erreichte er den Waldrand und ließ sich mit einem erleichterten Seufzer hinter einen Busch sinken, den die Druckwelle des vorüberrasenden Gleiters halb aus der Erde gerissen hatte. Fast eine Minute lang blieb er einfach so liegen, atmete keuchend ein und aus und dachte an nichts anderes als daran, daß er noch einmal davongekommen war.

Nach einer Weile stemmte er sich auf Hände und Knie und kroch noch ein gutes Stück tiefer in den Wald hinein. Erst dann wagte er es, sich vorsichtig aufzurichten und wieder zum Gleiter hinüberzusehen.

Die riesige Flugscheibe schwebte reglos gute fünf Meter über dem Boden. Jean konnte eine Anzahl gelber und roter Lichter erkennen, die in unregelmäßigem Rhythmus auf ihrer Unterseite flackerten. Aber das grelle Laserfeuer, auf das er wartete, kam auch jetzt nicht.

Irgend etwas stimmt hier nicht, dachte Jean verblüfft. Noch während er verwirrt überlegte, entstand an der Unterseite der Flugscheibe ein schmaler Spalt, der sich lautlos zu einer hell erleuchteten, rechteckigen Öffnung weitete. Eine dünne Metallrampe schob sich heraus und berührte den Boden, und Augenblicke später marschierte ein Dutzend Ameisen aus dem Gleiter.

Jean duckte sich instinktiv tiefer hinter seiner Deckung, obwohl der Gleiter viel zu weit entfernt war, als daß die Ameisen ihn durch einen zufälligen Blick entdecken konnten. Die gigantischen Geschöpfe versammelten sich zu einem weit auseinandergezogenen Halbkreis am Ufer, während sich die Rampe wieder in den Gleiter zurückzog und die Tür geschlossen wurde. Augenblicke später begann das scheibenförmige Fluggerät wieder zu steigen. Verwirrt beobachtete Jean, wie der Gleiter langsam auf den Fluß hinaustrieb, sich langsam und völlig geräuschlos der Insel näherte - und hinter ihr verschwand!

Jean wartete fast eine Minute lang mit angehaltenem Atem darauf, daß er wieder auftauchte, ehe er begriff, daß das nicht geschehen würde. Der Gleiter hatte auf der Rückseite der Insel Stellung bezogen, um auf irgend jemanden zu warten.