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Charity zog hastig ihre zweite Waffe, entsicherte sie und feuerte blindlings, als sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Der Laserstrahl durchschlug den Brustpanzer der Ameise und entlud seine gesamte Energie schlagartig in ihr Inneres. Das Monster explodierte förmlich, aber hinter ihm stürmte bereits eine weitere Ameise heran. Charity erschoß auch sie und fuhr herum.

Hinter ihr waren Net und Skudder damit beschäftigt, die beiden letzten Moroni niederzustrecken, die den mißglückten Überraschungsangriff bisher überlebt hatten. Aber es war nur eine kurze Atempause, die ihnen blieb. Im Augenblick waren keine weiteren Ameisen zu sehen, aber der Fluß schien überall zu brodeln. Wenn jede Spur im Schlamm eine Ameise bedeutete, dachte sie entsetzt, dann mußten sich Tausende dieser Ungeheuer unter dem Morast verborgen halten!

Ihr Blick streifte den Kadaver einer Insektenkreatur. Er war schon wieder halb im Morast versunken, aber sie erkannte trotzdem, daß sich diese Ameise irgendwie von den anderen unterschied. Sie wirkte kleiner und zerbrechlicher.

Sie sah sich nach Gurk um. Der Zwerg war gestürzt und saß nun fast bis zum Kinn in der schmierigen, braunen Brühe. Mit einem Schritt war sie bei ihm, riß ihn in die Höhe und zerrte ihn mit sich zu Skudder und Net hinüber.

»Das ist eine Falle!« sagte Skudder. »Sie haben auf uns gewartet!«

Charity antwortete nicht, sondern hob ihren Laser und gab einen Schuß auf eine der träge dahinkriechenden Schlammwogen ab. Irgend etwas unter der Oberfläche explodierte. Sie sah einen grellen Blitz, in dem sich eine Ameise aufbäumte, ehe sie pfeifend verendete. Aber auch dieses Insekt kam Charity zu klein vor; es maß bestenfalls einen Meter, und ihre Glieder waren dünn wie Streichhölzer. Doch was den Ungeheuern an Größe fehlte, das machten sie durch ihre Zahl wieder wett. Überall bewegte es sich; träge Wellen, die langsam, aber unerbittlich auf sie zukrochen. Gehetzt sah sie sich um. Sie befanden sich noch keine zehn Meter vom Flußufer entfernt, aber sie wußte, daß sie hilflos waren, wenn sie versuchten, an der fast lotrechten Wand hinaufzuklettern. Sie hatte oft genug erlebt, daß diese Kreaturen eine senkrechte Wand hinauflaufen konnten wie eine Fliege.

Und trotzdem hatten sie keine Wahl. Wenn sie den Wald erreichten, hatten sie vielleicht eine Chance.

Sie gab Skudder und Net mit einer Geste zu verstehen, was sie vorhatte, faßte Gurk wortlos am Arm und schleifte ihn hinter sich her den Weg zurück, den sie gekommen waren. Ohne auf seine wütenden Proteste zu achten, hob sie ihn einfach in die Höhe und zwang ihn, sich in einem der zahllosen Risse in der Mauer festzukrallen, ehe sie selbst mit dem Aufstieg begann.

»Non! C'est un piege!«

Charity sah überrascht auf. Fünfzehn Meter über ihr war eine Gestalt erschienen; gegen das grelle Licht der bereits tiefstehenden Sonne ebenfalls nur ein schwarzer, dürrer Schatten, der sie im ersten Moment erschreckte. Aber dann sah sie, daß er nur zwei statt vier Arme hatte.

»Zurück«, schrie die Gestalt. »Sie warten hier auf euch!«

Charity war für eine Sekunde abgelenkt - und genau diese Sekunde hätte sie beinahe das Leben gekostet!

Sie bemerkte eine zuckende Wellenbewegung im Schlamm, und dann verwandelte sich der graue Morast neben ihr in einen aufspritzenden Geysir, aus dem ein chitingepanzertes, schwarzes Ungeheuer hervorbrach und mit allen vier Armen nach ihr grapschte. Charity fuhr herum und versuchte, ihre Waffe zu heben, aber sie wußte bereits, während sie es tat, daß sie zu langsam war. Die Ameise schlug ihre Hand mit einer fast spielerischen Bewegung herunter und ergriff sie mit gleich drei unmenschlich starken, stahlharten Pranken. Ein helles, elektrisches Knistern erklang, dann spannte sich ein blauer Überschlagsblitz zwischen Charitys Anzug und dem Körper der Ameise. Der Moroni kreischte vor Schmerz. Aber der Schild war nicht mehr stark genug, ihn zu töten oder auch nur ernsthaft zu verletzen. Und der Schock schien die Ameise nur noch wütender zu machen, denn sie schleuderte Charity mit solcher Wucht gegen die Wand, daß ihr die Luft aus den Lungen getrieben wurde. Sie sah, wie Skudder herumfuhr, die Waffe hob und im letzten Moment zögerte. Er war zwanzig Meter entfernt; zu weit, um nicht versehentlich sie statt die Ameise zu treffen.

Der Griff des Ungeheuers schnürte ihr die Luft ab. Vor ihren Augen begannen bunte Kreise zu tanzen. Charity spürte, wie ihr Bewußtsein zu schwinden begann. Langsam erschlaffte sie im Griff des Rieseninsekts.

Plötzlich summte irgend etwas mit einem widerwärtigen Laut so dicht an Charitys Gesicht vorbei, daß sie einen heißen Luftzug verspürte. Im gleichen Moment zersplitterte der Brustpanzer der Ameise, und das Ungeheuer wurde wie von einem Faustschlag zurückgetrieben.

Charity kämpfte mit aller Macht gegen die drohende Bewußtlosigkeit. Sie atmete keuchend ein und aus, lehnte sich erschöpft gegen die Wand und ballte so heftig die Fäuste, daß sich die Fingernägel in ihre Handflächen gruben. Der Schmerz half. Die dunklen Schleier vor ihrem Blick lichteten sich, und allmählich kehrte das Gefühl in ihre tauben Beine zurück. Gleichzeitig schien sich die Luft in ihren Lungen in flüssiges Feuer zu verwandeln.

Stöhnend blickte sie sich um. Es war keine weitere Ameise zu sehen, aber es war noch lange nicht vorbei - ganz im Gegenteil. Aus allen Richtungen näherten sich die Wellen im Schlamm, und auch über ihr erklang plötzlich das helle Zirpen der verhaßten Insektenkrieger. Sie sah auf und bemerkte, daß die Gestalt, die sie gewarnt - und auch gerettet - hatte, sich nicht mehr auf der Mauerkrone befand, sondern geschickt wie ein Affe zu ihr in die Tiefe zu klettern begonnen hatte. Am Ufer waren die schwarzen, spinnengliedrigen Schatten von einem Dutzend Ameisen aufgetaucht, die sich sogleich an die Verfolgung machten.

Skudder gab einen Schuß ab und tötete eines der Ungeheuer, das lautlos in die Tiefe stürzte und im Schlamm verschwand. Aber die anderen setzten ihren Weg unbeirrt fort.

Charity wartete mit klopfendem Herzen, bis der Fremde zu ihr hinabgestiegen war - wobei er die letzten zwei Meter mit einem wagemutigen Satz überwand -, dann fuhr sie herum und bedeutete ihm mit einer Geste, ihr zu folgen. Der andere schüttelte den Kopf und deutete heftig gestikulierend auf den Schlamm, wobei er immer wieder ein einzelnes Wort in seiner Muttersprache schrie, das Charity nicht verstand. Schließlich fuhr sie einfach herum, packte Gurk grob bei der Hand und lief los, und der Franzose hörte auf zu schreien und schloß sich ihnen an.

Er war noch recht jung, vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt, von schlankem Wuchs und mit dunklem Haar. Er hatte ein sehr sympathisches Gesicht, das im Moment allerdings vor Anstrengung und Furcht verzerrt war, und trug ein sonderbares einteiliges Kleidungsstück, das an einen selbstgefertigten Tarnanzug erinnerte.

»Danke«, sagte Charity schwer atmend, als sie neben Net und Skudder angekommen waren. Der Junge legte den Kopf auf die Seite und sah sie fragend an. Und erst jetzt wurde Charity klar, daß er sie nicht verstand.

»Und jetzt?« fragte Skudder. Der junge Mann sah auch ihn verständnislos an, und der Hopi machte eine erklärende Geste auf die Ameisen, die die Felswand fast überwunden hatten. Er hob seine Waffe und zielte, aber der Junge schüttelte hastig den Kopf und deutete auf den Granitpfeiler der Insel vor ihnen. Und obwohl Charity seinen fürchterlichen Slang nicht verstand, begriff sie doch die Bedeutung der Geste. Sie bezweifelte, daß sie es bis dorthin schaffen würden; die Ameisen konnten sich in diesem klebrigen Morast sehr viel schneller bewegen als sie.