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»Wer bist du?« fragte der, dessen Tarnanzug aktiv war.

»Mein Name ist Kyle«, antwortete Kyle. »Megakrieger erster Klasse.«

Er wartete vergeblich auf irgendeine Reaktion. Er registrierte eine erhöhte Herztätigkeit bei beiden. Aber diese Erregung war einzig auf sein plötzliches Auftauchen und nicht auf den Klang seines Namens zurückzuführen. Sie schienen nicht einmal zu wissen, wer er war.

»Kyle? Diesen Namen habe ich noch nie gehört.«

»Ich war ... eine Weile fort«, sagte Kyle ausweichend. »Bitte deaktiviere den Chamäleon-Anzug. Es irritiert mich, mit einem Blatt zu sprechen«, fügte er hinzu.

Der Krieger zögerte einen Moment, aber dann senkte er die Hand zum Gürtel, und aus dem verschwommenen Fleck vor dem Wald wurde wieder ein schlanker Körper in einem nachtschwarzen Anzug; ein weiterer Fehler, der Kyle niemals unterlaufen wäre. Er begriff endgültig, daß diese beiden keine Gefahr darstellten. Hätte er es gewollt, dann wären sie gestorben, ohne auch nur zu begreifen, was überhaupt geschah.

»Du bist ...« Plötzlich huschte ein Ausdruck des Erschreckens über das Gesicht eines der beiden jungen Männer. Seine Hand zuckte zum Gürtel und griff nach seiner Waffe. Endlich schien auch sein stumpfsinniger Begleiter zu begreifen, daß es sich bei Kyle um alles andere als einen harmlosen Spaziergänger handelte, denn auch er zog seine Waffe und wich blitzschnell drei, vier Schritte zurück. Kyle hatte alle Mühe, ein verächtliches Lachen zu unterdrücken.

»Ich bin der, den ihr sucht«, sagte er ruhig. »Ich nehme doch an, ihr sucht mich?«

»Rühr dich nicht von der Stelle!« sagte der jüngere der beiden. »Eine falsche Bewegung, und du bist tot.«

Kyle lächelte milde. »Ich werde mich nicht wehren«, sagte er. »Tötet mich.«

Während die Waffen der beiden jungen Krieger weiterhin drohend auf seinen Kopf gerichtet blieben, kamen zwei der Dienerkreaturen näher und griffen nach seinen Armen. Seine Hände wurden grob auf den Rücken gedreht und gefesselt. Zwei stählerne Ringe wurden um seine Fußknöchel gelegt, so daß er nur noch kleine, ungeschickte Schritte machen konnte. Dann zogen sich die beiden Ameisen hastig wieder zurück. Im Gegensatz zu den beiden Narren schienen sie sehr wohl zu wissen, daß Kyle auch gefesselt noch eine tödliche Gefahr darstellte.

»Müssen wir dich betäuben, oder folgst du uns freiwillig?« fragte der jüngere der beiden Krieger.

Kyle begriff. »Ihr sollt mich lebend einfangen?« fragte er überrascht.

Der Megamann nickte. »Wenn es möglich ist. Aber ich töte dich, wenn du auch nur versuchst, zu fliehen.«

Kyle machte sich nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten.

*

Nach dem Aufstieg erschien ihr der Weg zurück fast wie eine Erholung; zumindest während der ersten Minuten. Jean hatte sie über ein Stück des fast deckungslosen Geländes zu einer Ruine geführt. Sie waren ins Kellergeschoß hinabgestiegen. Von dort aus hatte der Weg in einen verrotteten Kanalisationsschacht geführt, in dem zwar seit fünfzig Jahren keine Abwässer mehr flössen, der aber trotzdem erbärmlich stank. Dann waren sie dem Kanal ein Stück gefolgt, bis Jean abermals stehenblieb und sich an einer Klappe im Boden zu schaffen machte; alles in totaler Finsternis, aber mit solcher Selbstverständlichkeit, als könnte er in der Dunkelheit sehen.

Auf ein Zeichen hin waren sie eine Leiter hinuntergeklettert. Obwohl Charity nicht die Hand vor Augen sah, spürte sie doch, daß der Abgrund sehr tief sein mußte. Sie mußten sich längst unter dem Boden des ausgetrockneten Flusses befinden und stiegen immer weiter in die Tiefe. Jean führte sie durch ein wahres Labyrinth von Gängen, die manchmal so eng waren, daß sie auf Händen und Füßen kriechen mußten. Doch sie waren beileibe nicht allein hier unten. Mehrmals hörte Charity Geräusche, die weder sie noch einer der anderen verursachten, und einmal blieb Jean abrupt stehen und gebot ihnen flüsternd, still zu sein. Sie gehorchten, und obwohl Charity nicht den geringsten Laut hörte, hatte sie das Empfinden, angestarrt und gemustert zu werden - von Augen, die in der absoluten Dunkelheit hier unten so gut sehen konnten wie sie am hellen Tage.

Nach einer Weile atmete Jean erleichtert auf und erklärte ihnen, daß sie weitergehen konnten. Charity fragte ihn nach dem Grund seiner Unruhe.

»Ratten«, sagte er nur.

Charity verspürte einen neuen eisigen Schauer. Sie haßte Ratten. Wenn diese angriffslustigen Nager in dieser Welt überlebt hatten, bedeutete das mit ziemlicher Sicherheit, daß sie sich ihr angepaßt hatten. Und Charity wollte einer Ratte, die in diesem Alptraumdschungel hauste, lieber nicht begegnen.

»Wie weit ist es noch?« knurrte Skudder nach einer Weile. Seine Stimme klang unheimlich und verzerrt in dem hohen, runden Tunnel, durch den sie gingen. Es dauerte lange, bis das Echo seiner Worte zurückkam, und wie ihre Schritte klang es dumpf und metallisch.

Jean antwortete nicht auf die Frage, und Charity begriff erst nach einigen Sekunden, daß er sie gar nicht verstanden hatte. Hastig übersetzte sie, und der Franzose antwortete: »Wir sind gleich da. Nur noch einen Augenblick.«

Tatsächlich verging kaum eine Minute, bis er sie mit wenigen Worten aufforderte, einen Moment zu warten. Er entfernte sich in der Dunkelheit, aber nicht besonders weit. Dann hörten sie ihn an irgend etwas hantieren, und plötzlich flammte vor ihnen ein grelles, weißes Licht auf.

Charity hob geblendet die Hand über die Augen. Auch Skudder und Net preßten erschrocken die Lider zusammen, während Gurk völlig unberührt dastand und in den grellen Lichtkegel starrte. Seinen Augen schien das grelle Licht nichts auszumachen. Charity fragte sich, ob er vielleicht während der letzten Minuten so schweigsam gewesen war, weil er der einzige war, der in dieser Dunkelheit etwas hatte sehen können.

»Kommt her!«

Heftig blinzelnd trat Charity auf ihn zu. Ihre Augen gewöhnten sich allmählich an das grelle Licht. Immerhin erkannte sie jetzt, daß sie sich tatsächlich in einem Rohr befanden, dessen Wände fleckig und von großen, rostigen Stellen wie von Ausschlag übersät waren. Ein intensiver, dumpfer Geruch hing in der Luft und machte das Atmen schwer. Im ersten Moment konnte Charity ihn nicht einordnen, aber dann fiel ihr Blick auf die fast knöcheltiefe Schicht aus schwarzem, klebrigem Schlamm, die den Boden des Rohres bedeckte, und sie wußten, wo sie waren. Das Rohr war Teil einer alten Pipeline; eine der zahllosen stählernen Adern, die die Weltmetropole mit dem schwarzen Blut versorgt hatte, das ihr Herz schlagen ließ: Öl.

Zwei Schritte vor Jean blieb sie stehen und blickte mit einer Mischung aus Überraschung und Neugier zu ihm auf. Der junge Franzose stand nicht mehr auf dem Boden, sondern hockte auf einer sonderbaren Konstruktion, die Charity im ersten Moment an ein Motorrad erinnerte, aber das Gefährt hatte nicht zwei, sondern sechs Räder. Vier davon waren an einer Art Ausleger angebracht, die in einem Winkel von vielleicht dreißig Grad von dem Fahrzeug wegführten, so daß die Reifen an den aufwärts gekrümmten Innenwänden des Rohres entlangliefen.

Das Fahrzeug wirkte nur auf den wirklich ersten Blick lächerlich, dann begriff Charity, wie sinnvoll eine solche Konstruktion in einem Rohr sein konnte. Es wäre ein halsbrecherisches Unternehmen, in einem drei Meter durchmessenden Stahlrohr Motorrad fahren zu wollen. Mit diesem Gefährt war es wahrscheinlich ein Kinderspiel. Wenn der Motor, der unter der zersplitterten Kunststoffverkleidung hervorlugte, hielt, was seine Größe versprach, dann mußte Jean mit dem Ding an der Decke entlangfahren können.

Dem jungen Franzosen waren die bewundernden Blicke nicht entgangen, die Charity auf sein merkwürdiges Gefährt warf. Sein Gesicht leuchtete vor Stolz.

»Gefällt Ihnen mein Pibike?« fragte er.

»Es ist ... eine interessante Konstruktion«, sagte Charity ausweichend. »Haben Sie es selbst gebaut?«