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Selbst er, der vielleicht mächtigste Mensch auf diesem Planeten, hatte bisher nur wenig von der übermächtigen Technologie der Invasoren zu Gesicht bekommen. Und das wenige, was er gesehen hatte, war eher verwirrend als beeindruckend gewesen. Eine Technologie, die der der Erde des 20. Jahrhunderts in manchen Punkten überlegen, in anderen unterlegen war, die aber auf dem rücksichtslosen Einsatz von Material und Energie beruhte.

Was Stone in dieser Basis im Schatten des Eiffelturms gesehen hatte, das überstieg alles, was er sich in seinen kühnsten Träumen hatte vorstellen können. Es schien hier nichts zu geben, das nicht möglich war, nichts, das nicht von Maschinen und lautlos arbeitenden Computern erledigt wurde. Nicht zum ersten Mal, seit er aus den Schlaftanks der unterirdischen Bunkerstation gestiegen war und sich den Invasoren angeschlossen hatte, fragte er sich, wer sie wirklich waren, ohne aber eine Antwort zu finden.

»Wie lange wird die Untersuchung noch dauern?« fragte er.

»Bis wir gefunden haben, wonach wir suchen«, antwortete der Inspektor ruhig. »Es muß einen Fehler gegeben haben. Irgendein Vorfall, der übersehen wurde. Wir müssen wissen, was es war.«

»Das kann Wochen dauern«, sagte Stone ernst.

»Das stimmt«, antwortete der Inspektor.

»Und bis dahin ist Captain Laird wahrscheinlich schon tausend Meilen entfernt«, sagte Stone. »Oder auf einem anderen Kontinent.«

Der Inspektor wandte langsam den riesigen, dreieckigen Schädel und starrte ihn aus seinen kalten Facettenaugen an. »Der Aufenthaltsort von Captain Laird und ihren Begleitern ist uns bekannt«, sagte er.

Stone riß erstaunt die Augen auf. »Ihr wißt, wo ...«

»Die Gesuchten befinden sich in der Freien Zone.«

»Warum stehen wir dann noch hier herum?« fragte Stone erregt. »Wieso schickt ihr niemanden hin, um sie zu holen?«

»Dazu besteht im Augenblick keine Notwendigkeit«, antwortete der Inspektor.

*

Sie benutzten wieder die Metro, um zurückzufahren, aber sie stiegen an einer anderen Station aus. Auch an ihr waren die vergangenen fünfeinhalb Jahrzehnte nicht spurlos vorüber gegangen, und trotzdem machte alles einen sauberen, ja fast gepflegten Eindruck. Die elektrische Beleuchtung brannte, zu ihrer großen Überraschung funktionierte sogar die Rolltreppe noch.

Es war fast dunkel, als sie ins Freie traten. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, und das Licht war so dunkelgrün geworden, daß es beinahe schwarz wirkte; ein bizarrer Anblick, der Charity mehr als alles andere die absolute Fremdartigkeit dieser Welt verdeutlichte.

Um so erstaunlicher wirkte das, was sich rings um den alten Metroschacht erstreckte: eine fast völlig intakte Stadt. Wäre dieses unheimliche, schwarzgrüne Licht nicht gewesen, dann hätte sie meinen können, sich in einer Stadt des 20. Jahrhunderts zu befinden. Die Straße war breit und leer. Das einzige Grün, das sie sah, waren Pflanzen in liebevoll aufgestellten Kübeln. Doch als Charity sich aufmerksamer umblickte, merkte sie, daß einige Fenster geschwärzt und einige Dächer eingestürzt waren.

Erstaunt sah sie Barler an, und diesmal gelang es dem Franzosen nicht mehr ganz, den Ausdruck von Stolz von seinen Zügen zu vertreiben.

»Das ist also die Freie Zone?«

Barler nickte. »Was haben Sie erwartet? Ein paar verdreckte Steinzeitmenschen, die in Ruinen ohne Dächer hausen?«

»Natürlich nicht«, antwortete Charity hastig. »Ich bin nur ein wenig überrascht. Ich habe drüben in Amerika andere Städte gesehen.«

»So?«

»Kommen sie niemals hierher?«

»Die Ameisen?« Barler schüttelte den Kopf. »Niemals. Jedenfalls nicht freiwillig.« Ein Schatten huschte bei diesen Worten über sein Gesicht. »Warum sollten sie auch?« fuhr Barler fort. »Wir tun ihnen nichts, und sie uns nichts. Das hier ist die Freie Zone.«

»Und Sie haben niemals versucht auszubrechen?«

Barler schürzte abfällig die Lippen. »Sie haben die Mauer gesehen, oder?«

Charity antwortete nicht mehr, sondern folgte dem Franzosen über die breite Straße auf ein mehrstöckiges weißes Gebäude zu. Obwohl es ebenfalls alt war und die Spuren schwerer Beschädigungen zeigte, die nur unzureichend beseitigt worden waren, machte es irgendwie einen offiziellen Eindruck. Eine geborstene Marmortreppe führte zu seinem Eingang hinauf. Die Halle lag im Schein einer doppelten Reihe Neonröhren. Charity begriff, daß sie sich in einem ehemaligen Hotel aufhielt. Die ehemalige Rezeption war noch erhalten, aber dahinter erhoben sich ein paar kleine Monitore.

»Das ist unsere Verwaltung«, erklärte Barler, dem ihr erstaunter Blick nicht entgangen war.

Charity sah noch einmal auf die Monitore. Sie war zu weit davon entfernt, um Einzelheiten erkennen zu können, aber es war unschwer zu sehen, daß die Kameras eine Anzahl großer Plätze zeigten, die sich kaum von der Straße unterschieden, die sie gerade überquert hatten.

»Was ist das?« fragte sie spöttisch. »Ein Verkehrsleitsystem?«

Barler sah sie verständnislos an.

»Es gibt auch hier ein paar Orte, die wir besser ständig im Auge behalten«, antwortete er. »Aber das erkläre ich Ihnen alles morgen. Jetzt bringe ich Sie zu Ihren Freunden.«

Charity wollte weitergehen, als eine Bewegung auf einem der Monitore ihre Aufmerksamkeit erweckte. Es war ein winziger, zweidimensionaler Schirm mit einem ziemlich miserablen Bild. Aber trotz aller Störungen und Streifen konnte sie die schwarzen Chitingestalten erkennen, die sich zwischen den Häusern bewegten ...

»Sagen Sie, Barler«, sagte Charity. »Habe ich Sie falsch verstanden, oder haben Sie vor kaum zehn Minuten behauptet, sie kämen niemals hierher?«

Barler blickte sie einen Moment lang betroffen an, und dann weiteten sich seine Augen überrascht, als sein Blick auf den Monitor fiel.

Ein erschrockener Ausdruck huschte über seine Züge, aber er sagte nichts, sondern war mit zwei Schritten bei dem betreffenden Bildschirm und löste einen altertümlichen Telefonhörer von der Gabel des Apparates, der darunter angebracht war. Charity versuchte vergeblich, die Worte zu verstehen, die er mit dem Teilnehmer am anderen Ende der Verbindung wechselte, nachdem er hastig eine Nummer gewählt hatte, aber Barler sprach so schnell, daß sie nichts von dem mitbekam, was er sagte.

Aber er wirkte deutlich verärgert, als er einhängte und sich wieder herumdrehte.

»Probleme?« fragte Charity spöttisch.

»Nein«, antwortete Barler gereizt. »Ich hatte lediglich befohlen, daß man diese Kamera abschaltet. Irgendein Narr hat es nicht getan.«

»Warum?« fragte Charity.

»Damit Sie es nicht sehen«, antwortete Barler geradeheraus.

Die Offenheit dieser Antwort überraschte Charity. »Damit wir was nicht sehen?«

»Die Moroni«, sagte Barler. »Bitte, verstehen Sie das jetzt nicht falsch. Ich war einfach der Meinung, daß es besser ist, wenn ich Ihnen und Ihren Freunden alles der Reihe nach zeige. Manches von dem, was Sie hier bei uns sehen, wird Sie verwirren.«

»Das stimmt«, bestätigte Charity. »Es ... verwirrt mich in der Tat, Wesen hier zu sehen, von denen Sie behauptet haben, daß sie niemals über den Fluß kämen.«

»Das tun sie auch nicht«, sagte Barler. »Was sie gebracht haben, was ...« Er brach ab, sah sie einen Moment nachdenklich an und schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Sie haben mich vorhin gefragt, woher wir kommen«, sagte er schließlich.

»All diese Menschen hier.« Er lächelte matt und deutete auf den Monitor, dessen Bild in der gleichen Sekunde erlosch, als wäre seine Bewegung der Auslöser gewesen. »Von dort.«

Charity verstand nicht.

»Manchmal kommen sie hierher«, fuhr Barler fort.

»Sie ... bringen Kinder. Jungen, Mädchen ... meistens Säuglinge. Wir wissen nicht, wo sie herkommen oder warum sie das tun. Sie bringen sie einfach. Viele sind krank, viele sterben - aber die meisten bekommen wir durch.« Er seufzte. »Ich hätte es Ihnen gerne auf eine andere Art und Weise gezeigt, aber das Geheimnis der Freien Zone ist, daß sie uns hierher bringen, ohne daß einer weiß, warum.«