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»Bist du deshalb bei uns?« fragte Charity. »Ist das der Grund? Du hast mich nicht begleitet, weil du glaubst, ich könnte Erfolg haben. Du bist bei mir, weil du es fürchtest.«

»Unsinn!« widersprach Gurk. »Ich habe dir schon einmal gesagt, du überschätzt dich. Die Moroni und ihre Helfer sind vielleicht Banditen, aber jeder wirklich gute Pirat ist auch ein Kaufmann. Es wäre nicht sehr ökonomisch, einen Planeten zu erobern und fünfzig Jahre lang zu kolonisieren, um ihn dann zu vernichten, nur weil eine einzige Person einem Ärger bereitet.«

»Na wunderbar!« versetzte Charity erbost. »Dann geben wir auf! Dann werde ich jetzt zu dieser Basis gehen und mich Kyles Brüdern stellen. Vielleicht gilt Stones Angebot ja noch, und er macht mich zu seiner Adjutantin.«

Gurk sah sie traurig an. Er wirkte enttäuscht, aber nicht zornig. »In gewissem Sinne ist sein Weg richtig«, sagte er nach einer Weile. »Er hat erkannt, daß es keine Gegenwehr gegen sie gibt. Also versucht er, aus der Situation das Beste zu machen. Für sich - und für sein Volk. Ich stimme mit dir überein, daß Stone zu viel für sich und zu wenig für seine Leute tut. Aber das Prinzip ist nicht falsch.«

Fast zu ihrer eigenen Verblüffung widersprach Charity nicht sofort. Sie mochten beide recht haben. Vielleicht gab es wirklich mehr als eine Wahrheit. Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Zimmer.

12

Als Kyle zwölf Jahre alt war, ging er das erste Mal auf die Jagd und tötete den ersten Menschen. Und ein halbes Jahr später traf er das Mädchen.

Er hatte jetzt den Körper eines erwachsenen Mannes und die Instinkte eines Killers. Seit dem Tag, an dem er die Basis das erste Mal verlassen hatte, um in den Dschungel hinauszugehen, der sie umgab, war die Jagd zu einem festen Bestandteil seines Lebens geworden. Und bald begann er, sie zu lieben, denn sie stellte die einzige Abwechslung im täglichen Einerlei aus Training, Unterricht und jenen endlosen Stunden dar, in denen sein Körper fortwährend verändert wurde. Er hatte gelernt, den Schmerz auszuschalten, den sie ihm zufügten. Er hatte gelernt, alle Demütigungen zu ertragen. Er hatte gelernt, nicht nach dem Grund zu fragen, aus dem man ihm all dies antat.

Was er nie gelernt hatte, war, mit jenem anderen, körperlosen Schmerz fertig zu werden. Mit der unheimlichen Veränderung, die sie mit seinem Körper vornahmen, vermochte er zu leben; mit dem, was sie seiner Seele antaten, nicht. Er zerbrach nicht daran wie so viele vor ihm, die eines Tages nicht wieder aus den glitzernden Kammern herausgekommen waren oder schlichtweg den Verstand verloren hatten, aber das Menschliche in ihm begann schwächer und schwächer zu werden, als verkröche sich seine Seele unter einem Panzer aus hartem Narbengewebe, den nichts mehr durchdringen konnte.

Die Jagden stellten die einzige Abwechslung dar. Sie waren weitaus gefährlicher als das siebenjährige Training in den Kuppeln, das er mit ein paar Gefährten überlebt hatte. Seine Reaktionen, seine Kraft und seine Regenerationsfähigkeit waren ins Unermeßliche gestiegen. Die künstlichen Feinde, mit denen die jungen Krieger in der Kuppel hatten kämpfen müssen, waren ebenso tödlich und heimtückisch wie die, die bei der Jagd auf sie warteten. Aber sie waren künstlich und nur zu dem Zweck erschaffen, besiegt zu werden. Die Kreaturen hier draußen aber mußten täglich um ihr Überleben ringen. Einige seiner Kameraden kehrten nicht von der Jagd zurück. Einmal hatte Kyle gesehen, wie einer von ihnen von einem gewaltigen gepanzerten Etwas angesprungen und auf der Stelle getötet wurde. Er hatte keinen Finger gerührt, um ihm zu helfen.

Dann kam der Tag, an dem er das Mädchen traf.

Die Jagd beschränkte sich nicht nur ausschließlich auf Tiere. Während der vier Stunden, die sie waffenlos und ohne Ausrüstung im Dschungel verbringen mußten, trafen sie manchmal auf Eingeborene des Planeten; humanoide Wesen, die Kyle und den anderen jungen Megakriegern ähnelten, im allgemeinen aber kleiner und von schwächlicher Konstitution waren. Kyle wußte, daß sie auf der anderen Seite des ausgetrockneten Flußbettes lebten, und dieser Fluß stellte zugleich auch die einzige Regel dar, die es in diesem ungleichen Kampf gab: Gelang es einem der Eingeborenen, ihn zu überwinden, ehe die Megamänner ihn stellten, so kam er mit dem Leben davon.

Sie waren zu sechst, Kyle, zwei weitere Megakrieger, deren Namen er nicht einmal kannte, und drei Dienerkreaturen, die aber niemals in einen der Kämpfe eingriffen, sondern nur als Beobachter füngierten, als sie die Spuren von zwei Eingeborenen fanden. Sie gingen auf die übliche Methode vor: Während einer der beiden Megamänner der Spur folgte, begannen Kyle und der zweite Megakrieger sie zu umgehen und den Flüchtlingen so den Weg abzuschneiden; jeder von ihnen wurde von einer Dienerkreatur begleitet. Kyle kam nicht besonders gut voran: Das Gelände erwies sich als weitaus schwieriger, als er erwartet hatte, außerdem wurde er mehrmals angegriffen. Einmal verwundete ihn eine Kreatur so schwer, daß er fast eine Viertelstunde brauchte, um weitermarschieren zu können. Trotzdem gelang es ihm, die Eingeborenen zu stellen.

Die drei Humanoiden waren recht geschickt vorgegangen und hatten eine falsche Fährte gelegt. Als Kyles überscharfe Sinne ihre Schritte und die geflüsterten Worte vernahmen, da befanden sie sich fast in der entgegengesetzten Richtung, in der die beiden anderen nach ihnen suchten. Er wußte, daß es drei waren. Und ihr Körpergeruch und die unterschiedliche Schwere ihrer Schritte verrieten ihm, daß es sich um ein Pärchen handelte, das ein Junges mit sich führte. Kyle schlich hinter einen mannshohen Busch, paßte die Farbe seines Chamäleonanzuges dem Hintergrund an und erstarrte zur Reglosigkeit.

Hinter ihm verschmolz die Dienerkreatur mit geradezu unheimlicher Geschicklichkeit mit den Schatten des Waldes.

Die Schritte kamen rasch näher, und er sah, daß er sich nicht getäuscht hatte. Es handelte sich um ein Eingeborenenpärchen, beide für ihre Spezies groß und ausgesprochen kräftig. Der Mann war in einen einteiligen Anzug aus zusammengenähten Flicken der unterschiedlichsten Grünschattierungen gehüllt, die ihn beinahe perfekt tarnten. Die Frau trug einen Rock aus dem gleichen Stoff. Beide waren bewaffnet, und ihre Blicke huschten aufmerksam hin und her, tasteten über jeden Schatten und verfolgten jede noch so kleine Bewegung. Sie sind sehr aufmerksam, dachte Kyle anerkennend. Er hatte noch nicht sehr viele Erfahrungen mit der Jagd auf diese Humanoiden gesammelt, aber er begann zu ahnen, daß er diese Spezies bisher unterschätzt hatte.

Das Junge mochte etwa acht oder neun Jahre alt sein, bewegte sich aber trotz seines geringen Alters schon so geschickt und fast lautlos wie seine Eltern.

Es entdeckte Kyle zuerst.

Während die beiden Alten in weniger als zehn Meter Entfernung an seinem Versteck vorübermarschierten, ohne seine Anwesenheit zu registrieren, erstarrte das Junge plötzlich und blickte ihn an. Kyle verstand den Grund nicht. Sein Chamäleonanzug arbeitete perfekt; er hatte selbst die Haut seines Gesichts den Schatten des Waldes angepaßt. Aber das Mädchen sah ihn trotzdem. Eine Sekunde lang blickte es ihn an; in ihren Augen war keine Angst, nicht einmal Schrecken, sondern nur eine unschuldige, kindliche Neugier. Dann schien es jäh zu begreifen, wen es vor sich hatte, denn mit einemmal hob es die Hand und deutete anklagend auf Kyle. Sein Mund öffnete sich, aber es brachte keinen Laut hervor.

Trotzdem reagierten die beiden Alten sofort. Während das Weibchen herumfuhr und sein Junges mit einer erschrockenen Bewegung zurückzerrte, riß der Mann seine Waffe empor und gab rasch hintereinander zwei Schüsse ab.

Kyle wich dem ersten mit einer geschickten Bewegung aus, aber der zweite traf. Das winzige Insekt durchschlug das lebende Gewebe seines Chamäleonanzugs, bohrte sich tief in seinen Körper und begann sofort, sein tödliches Nervengift abzugeben, während es sich mit rasiermesserscharfen Krallen und Fängen in sein Fleisch grub.