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Die Ameise stieß ein hohes, schmerzerfülltes Pfeifen aus, versuchte sich taumelnd zu erheben und schlug blind vor Schmerz und Zorn um sich. Eine ihrer Krallen bohrte sich wie eine dreizinkige, hörnerne Gabel tief in die Schulter des Gegners. Der Megamann keuchte vor Schmerz, packte den dürren Arm und riß ihn ab.

Das war selbst für diese ungeheuerliche Kreatur zuviel. Die Ameise sackte zusammen und verendete lautlos. Der ganze Kampf hatte weniger als zwei, allerhöchstens drei Sekunden gedauert.

Charity plagte sich auf die Füße. Verzweifelt blickte sie sich um, als der Megamann den Kopf drehte und wieder zu ihr zurücksah. Sie brauchte eine Waffe, irgend etwas, womit sie diesen lebenden Kampfroboter aufhalten konnte!

Ein helles Kreischen ließ sie herumfahren.

Am anderen Ende des Raumes war Gurk damit beschäftigt, sich mit fast grotesken Sprüngen vor den zupackenden Armen der zweiten Ameise in Sicherheit zu bringen, die noch gar nicht bemerkt zu haben schien, was mit ihrem Kameraden passiert war. Der Zwerg legte eine erstaunliche Geschicklichkeit dabei an den Tag und entwischte der Ameise immer wieder. Aber das Rieseninsekt verfügte nicht nur über ein zusätzliches Armpaar, und damit gleich vier Hände, mit denen es nach Gurk greifen konnte, sondern auch über schier unerschöpfliche Kraftreserven. Das Monster trieb den Gnom langsam, aber unaufhaltsam vor sich her in eine Ecke des Raumes, wo es ihn in wenigen Sekunden packen mußte; wahrscheinlich, um ihn auf der Stelle in Stücke zu reißen!

Charity sprang mit einem verzweifelten Satz vor, packte das Monster dort, wo bei einem menschlichen Gegner die Schulter gewesen wäre, und warf sich mit aller Gewalt zurück. Ihre Körperkräfte reichten bei weitem nicht aus, es mit denen der gigantischen Insektenkreatur aufzunehmen, aber der Angriff kam völlig überraschend.

Sie stürzte und verlor an der glatten Chitinhaut der Ameise fast den Halt, aber der Ruck reichte aus, auch das Ungeheuer zurückzureißen und taumeln zu lassen. Gurk stieß ein helles Quieken aus und tauchte unter den wirbelnden Klauen des Monsters hinweg, um mit ein paar überraschend behenden Sätzen das Weite zu suchen, während Charity hilflos zu Boden stürzte und sah, wie die riesige Bestie herumfuhr und alle vier Arme nach ihr ausstreckte. Instinktiv rollte sie sich zur Seite und riß schützend die Hände über das Gesicht, bevor stahlharte Insektenklauen tiefe Furchen genau dort in den Boden rissen, wo gerade noch ihr Kopf gelegen hatte.

Sie sah einen zweiten Schlag des Ungeheuers aus den Augenwinkeln und blockte ihn mit dem Unterarm ab. Die dreifingrige Klaue mit den fast fünf Zentimeter langen, messerscharfen Krallen wurde eine knappe Handbreit vor ihrem Gesicht gestoppt; aber der Schlag war so heftig, daß er alles Gefühl und Leben aus ihrem rechten Arm herausprügelte. Charity keuchte vor Schmerz, trat instinktiv mit beiden Beinen zu und fühlte, wie ihr Schlag vom gepanzerten Körper der Ameise abprallte wie von einem Felsen. Das Monster zischelte triumphierend, war mit einem einzigen, ruckhaften Insektenschritt über ihr und holte zum letzten entscheidenden Hieb aus.

Doch plötzlich war ein riesiger Schatten hinter ihm. Ein verstümmelter, blutiger Arm legte sich von hinten um den Hals der Ameise und riß sie mit einer Gewalt zurück, der selbst diese ungeheuerliche Kreatur nichts entgegenzusetzen hatte. Charity hörte ein trockenes Knacken, als der Chitinpanzer des Rieseninsektes barst, und das triumphierende Zischeln des Ungeheuers verwandelte sich in ein schmerzhaftes Kreischen und Pfeifen.

Der Megamann verpaßte der Ameise drei blitzartige Fausthiebe, die sie hilflos zurück und gegen die Wand torkeln ließen. Mit einer kraftvollen Bewegung setzte er ihr nach, ließ seine stahlharten Fäuste auf ihren Schädel niedersausen. Das Ungeheuer gab einen letzten, fast wehleidigen Pfiff von sich, dann erschlafften seine Glieder, und es sackte zusammen wie eine Marionette mit zu vielen Armen und Beinen, deren Fäden alle auf einmal durchgeschnitten worden waren.

Eine Sekunde lang stand der Megamann reglos da. Er wankte, seine Arme und Beine begannen zu zittern, dann machte er einen einzelnen, mühevollen Schritt, prallte gegen die Wand und begann, daran zu Boden zu sinken, während er sich langsam herumdrehte. Sein Gesicht war eine verzerrte Maske aus Schmerz und Panik, und er blutete aus mindestens einem halben Dutzend tiefer Wunden, von denen jede einzelne einen normalen Menschen getötet hätte. Sein Blick flackerte, als kämpfe das Leben darin mit aller Macht darum, nicht zu erlöschen.

Und eine Sekunde lang sah Charity seine Augen.

Dieser Mann war ihr Feind, dachte sie fast hysterisch. Der gefährlichste Gegner, mit dem sie es je zu tun gehabt hatte, ein lebender Roboter, den Stone auf sie und ihre Begleiter angesetzt hatte und der sie wahrscheinlich bis ans andere Ende der Galaxis verfolgen würde, wenn es nötig wäre. Kein Mensch, sondern eine Maschine, deren einzige Aufgabe darin bestand zu töten.

Und trotzdem las sie in seinem Blick weder Feindschaft noch Zorn, nicht einmal die kalte, fast maschinenhafte Entschlossenheit, die er bisher an den Tag gelegt hatte, sondern nur einen Schmerz, der viel tiefer ging, als körperliche Pein es vermochte.

Dieser Mann war ein Verlorener, dem etwas gestohlen worden war, etwas ungeheuer Wichtiges, vielleicht das einzige, woran er je geglaubt hatte. Als er aus dem Transmitter herausgetaumelt war, da hatte sie nichts als Angst gespürt, wenn er auch keinen Moment gezögert hatte, sich sofort auf Skudder zu stürzen und ihn mühelos überrannt hatte. Aber Charity war plötzlich nicht mehr sicher, ob sie Angst vor diesem Mann haben mußte. Trotz seines entsetzlichen Zustandes war er noch immer in der Lage, aufzustehen und sie zu töten, mit der gleichen Leichtigkeit, mit der er die beiden Rieseninsekten überwunden hatte.

Aber irgend etwas hielt ihn zurück. Irgend etwas, das ...

Ein dünner, grellweißer Lichtblitz traf die Brust des Megamannes. Der Megakrieger bäumte sich auf und kippte mit einem keuchenden Schrei nach vorne, als der Laserstrahl seinen Körper durchbohrte und seine gesamte Energie schlagartig in die hinter ihm befindliche Wand abgab. Der Stein begann dunkelrot zu glühen, und aus dem Rücken der zerfetzten schwarzen Jacke des Megamannes schlugen Flammen. Er stürzte vornüber, wälzte sich stöhnend auf den Rücken, um die Flammen zu ersticken - und bäumte sich erneut auf, als ein zweiter Laserblitz seinen Körper traf.

Charity war mit einer einzigen Bewegung auf den Beinen. Abn El Gurk stand nur zwei Meter hinter ihr. Er hatte eine der Strahlenwaffen aufgehoben, die der Megamann den Ameisen aus den Händen geschlagen hatte, und richtete sie gerade auf den Gestürzten, um einen dritten Schuß abzugeben.

»Nein!«

Der Gnom beachtete sie nicht einmal. Er spreizte die Beine und packte den Laser mit beiden Händen, um besser zielen zu können; eine Haltung, die er wahrscheinlich an ihr beobachtet hatte. Der Ausdruck auf seinem faltigen Zwergengesicht verriet puren Haß. Und während er die Waffe hob und gleichzeitig einen Schritt beiseite trat, um sie selbst nicht zu gefährden und freies Schußfeld auf den Megamann zu haben, ging eine lautlose, erschreckende Veränderung mit ihm vor: Er war noch immer ein Zwerg mit einem viel zu großen Kopf, dürren Händen und einem Gesicht, das direkt aus einem Comic hätte stammen können. Aber aus dem gutmütigen, stets zu Scherzen aufgelegten Gnom war plötzlich ein häßlicher Troll geworden, der nur einen Wunsch hatte: zu töten.