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In der Höhle herrschte eine gedämpfte, wirre Geräuschkulisse: Gelächter, Rufe, das dröhnende Summen unsichtbarer Mechanismen. Sich umsehend erkannte sie plötzlich verschiedene subtile Unterschiede in der Demonstration von Reichtum an den Türmen: Balkone, die in irrsinnigen Winkeln angebracht waren, dunkle Höhlungen komfortabler Wohnungen in den eintönigen Wänden. Hin und wieder bemerkte sie sogar unterschiedliche Gerüche und Aromen, die in der Luft lagen. Sie atmete tief ein, genoß die kühle, frische Luft, die ihren Verstand klären half. Der Fahrer sah vollkommen unbeeindruckt an ihr vorbei zu den smaragdenen Türmen ihres Ziels.

Sie hatten sich durch den weichen, elastischen Mund des Eingangs gestoßen, hinein in einen langen Korridor, der sich verlassen etwa fünfundzwanzig Meter in das Gebäude hinein erstreckte, der Basis auf dem Felsgestein zu. Bertha sank darauf zu, fast unmerklich und ohne das Gefühl, das einen gewöhnlichen Fall begleitet. Türen glitten an ihnen vorbei. Shadow Jack löste seinen Helm, zog ihn ab und schüttelte den Kopf. Sie hörte ihn tief einatmen. „Wo sind wir?“ Sein dunkles Haar klebte in Strähnen an seiner schweißnassen Stirn, er strich es mit einer behandschuhten Hand wieder zurück.

„Das sind die Tiriki-Destillen. Der Mann aus dem Zug hat sie vorgeschlagen.“ Sie zögerte, da sie ihm nicht sagen wollte, was sie vermutete.

„Bastarde!“ Er zog die Mundwinkel herab. „Ich würde diesen Ort hier gern in die Luft fliegen sehen. Dann wären sie nicht mehr so…“ Zorn würgte seine Stimme ab.

Bertha betrachtete ihn; sie fühlte Sorge mit einer Spur Befremden. Sie griff nach ihm, ihr Handschuh drückte das unnachgiebige Polster seiner Schulter. „Ich weiß, wie du dich fühlst… ich weiß es. Aber dasselbe gilt auch für die Leute in dem Wagen. Vergiß deinen Zorn augenblicklich, sonst werde ich ihn dir austreiben. Ich kann mir das nicht leisten. Ich will etwas von diesen Leuten und du auch, und das ist verdammt wichtiger als unsere persönlichen Gefühle. Daher wirst du dir ab jetzt ein süßes Lächeln angewöhnen und dies beibehalten, auch wenn es dir nicht passen sollte.“ Irgendwo in ihrem Inneren drängte die Erinnerung wieder nach oben. „,Immer lächeln, lächeln… und schlauer sein als die anderen.’“ Sie lächelte, atmete die kühle, aromatische Luft und sah ihm in die Augen. Er hob langsam den Kopf. Als er sie ansah, sah sie ihn zum ersten Mal lächeln.

Jemand stieß sich durch eine Tür fast direkt neben ihnen und starrte sie ungläubig an, nachdem er einen der Haltegriffe zu fassen bekommen hatte.

Sie rieb sich verlegen über ihr ungewaschenes Gesicht. „Wir würden gerne wegen einer Ladung Wasserstoff verhandeln. Können Sie uns sagen, an wen wir uns wenden müssen?“

Das Gesicht wurde plötzlich zu einer Maske der Liebenswürdigkeit. „Aber gewiß doch. Dort hinten, am Ende des Korridors. Das Handelskontor. Vielen Dank für den Geschäftsabschluß mit Tiriki.“ Er beugte den Kopf formell und ging weiter, indem er sich von der Wand abstieß und wie ein Schwimmer durch das helle, meergrüne Licht schwebte. Sie hingegen sanken weiter hinab in die Tiefe.

„Schau dir diesen Fetzen an!“ Sie hörten die Stimme, noch bevor sie die Tür erreicht hatten. „Was wissen sie schon davon? Sie haben verdammt noch mal überhaupt keine Ahnung.“

„Nein, Esrom.“

Bertha schob die Matte beiseite, danach traten sie ein, ihre Gesichter wurden von einem angespannten Lächeln verzerrt.

„Das könnte ich selbst besser. Und das sollten wir auch tun. Wir sollten einen Medienmann engagieren und unsere eigene Zeitung herausbringen…“

„Ja, Esrom.“

„… mit der wir unseren Standpunkt vertreten können. Schau dir das hier an, ,monopolistisch’…“

Die goldhäutige, wunderschöne Frau hinter dem Schreibtisch sah sie an, ihre geschwungenen Brauen glitten in die Höhe. Der goldhäutige, ebenfalls recht ansehnliche Mann mit der Zeitung in der Hand drehte sich um. Bruder und Schwester, dachte Bertha und… untadelig. Sie trugen beide Kleidung von hellgrüner Farbe, die vor dem grünen Hintergrund verwehte, die Frau ein langes Kleid, der Mann ein Jackett mit Stickereien an den Ärmeln. Sie rief sich in Erinnerung, was sie und Shadow Jack für ein Bild boten und fuhr sich mit einer Hand durch ihr störrisches Haar.

Aber der Mann sagte nur: „Sia, hast du schon mal so etwas gesehen? Sieh doch, ihre Haut, ihr Haar, und beides zusammen…“ Seine dunklen Augen glitten über ihren Anzug, erkannten ihn, blickten ihr dann wieder ins Gesicht. „Aber sie war schon im All.“ Aus dem Interesse wurde Bedauern.

Die Frau tätschelte seinen Arm. „Esrom, bitte!“ Dann lächelte sie. „Und was können wir für Sie tun?“ Sie glättete ihr rabenschwarzes Haar und schob ein paar Strähnen unter ihre festgeschnürte Kappe.

„Wir würden gerne eine Ladung Wasserstoff von Ihnen kaufen.“ Bertha fühlte, wie sie purpurrot wurde, während sie die beiden fasziniert betrachtete. Sie versuchte, ihren Ärger zu verbergen. „Tausend Tonnen.“

„Ich verstehe.“ Der Mann nickte langsam, vielleicht sollte es auch eine Verbeugung andeuten, und blickte befremdet drein. Er griff nach einem Klemmbrett auf seinem Schreibtisch. „Sollen wir ihn auch verschiffen?“

„Nein, wir können ihn selbst transportieren.“

„Woher kommen Sie?“ Die Stimme der Frau war so zerbrechlich wie ihre Gestalt, doch ohne jegliche Spur von Sanftheit.

„Lansing.“ Shadow Jack strahlte die beiden mit einem blauen und einem grünen Auge an, groß, dünn und pfiffig.

„Der Hauptgürtel!“ Wieder sahen Bruder und Schwester sie an, dieses Mal stumm und mit einer morbiden Abscheu. Auf dem Schirm hinter ihnen flammte eine Nachrichtenmeldung auf, Bilder und dazwischen Textzeilen. „Das ist eine lange Reise“, sagte der Mann leise. „Wie lange haben Sie gebraucht?“

„Lange.“ Bertha mußte sich gar nicht erst zwingen, einen ungeduldigen, übermüdeten Unterton in ihre Stimme zu bringen. „Und die Heimreise wird noch länger dauern. Wir würden das gerne so schnell wie möglich hinter uns bringen.“

„Natürlich.“ Er zögerte. „Was… äh… was wollen Sie als Gegenleistung bieten? Wir sind in der Abgabe begrenzt, ich hoffe, Sie verstehen…“

Bei Geldsachen hört der Spaß auf. Während sie ihre Handschuhe auszog, sah sie, wie Shadow Jacks Lächeln sich verzerrte. Aber wer bin ich, sie dafür zu verurteilen? Sie balancierte Rustys Behälter gegen den Schreibtisch und öffnete die Klappe. Sie hörte ein Zischen, als der Luftdruck sich anglich. Rustys pelziger Kopf erschien, ihre grünen Augen waren vor Freude geweitet, sie blitzten im hellen Licht. Ihre Nase zitterte, sie befreite sich vollends aus ihrem Gefängnis, wonach sie fast gewichtslos in die Luft schwebte. Bertha hörte das keuchende Stöhnen der Frau und ließ den Käfig davonschweben. „Würden Sie eine Katze nehmen?“

„Ein Tier“, flüsterte die Frau. „Ich hätte nie gedacht, noch einmal eines zu sehen zu bekommen…“ Sie streckte schüchtern eine Hand aus. Bertha streichelte Rusty beruhigend und stieß sie auf die beiden zu. Rusty preßte sich sanft gegen die Handflächen der Frau, schnüffelte neugierig und glitt dann erfreut an der glatten Seide ihres Kleides entlang.

„Ich glaube, Sie sind an die richtige Stelle geraten.“ Die schlanken Hände des Mannes zitterten immer noch. „Paps würde Ihnen die ganze Destille für dieses Tier geben.“ Er lachte. „Aber er würde Ihnen die Schiffskosten zum Hauptgürtel berechnen.“

„Gibt es noch viele Tiere im Hauptgürtel?“

„Nein.“ Bertha lächelte, doch es verschwand rasch wieder. „Eine Ladung Wasserstoff wird genügen.“