„Wir haben Gärten“, sagte Shadow Jack. „Lansing ist der einzige ganz unter einem Zelt liegende und so geschützte Himmelskörper. Einst waren wir das Kapital des gesamten Himmels Gürtel.“
„Stimmt“, sagte der Mann. „Das ist richtig. Ich habe schon Bilder gesehen. Wunderschön…“
Rusty entschlüpfte der Frau und steckte eine Pfote durch die Fuge eines Papierkorbs. Die Papiere begannen zu tanzen, und sie schnurrte, stolz darauf, sich im Zentrum des Interesses zu befinden. Berthas Augen wurden von der Nachrichtenübertragung angezogen. Sie erstarrte, als sie zwar ihr eigenes Gesicht auf dem Bildschirm erkannte, aber keine Bilder von ihrer Ankunft auf Mekka. Mit aller Willenskraft sah sie wie beiläufig weg und kraulte Rusty unterm Kinn.
Der Mann bemerkte ihre Bewegung und wandte sich nun seinerseits dem Schirm zu. Ihr Blick folgte dem seinen, sah ihr Bild verblassen. Der Mann sah verwirrt wieder in ihre Richtung, schüttelte dann den Kopf und lächelte freundlich. „Kümmern Sie sich nicht um die Nachrichten. Wir sind nur immer gern darüber auf dem laufenden, was sich anderswo so abspielt — immer am Ball bleiben. Ist aber ohnehin egal. Medienmänner sagen alles, wenn sie dafür bezahlt werden.“ Er deutete zum Ausdruckpapier, das sich zu dem schon recht ansehnlichen Berg gesellte. Rusty hakelte danach, überschlug sich und schwebte hoch in die Luft.
„Nicht so hastig, kleines Wesen“, murmelte die Frau und hob unschlüssig die Hände. „Tu dir nicht weh.“
„Sie tut sich schon nichts“, sagte Bertha, irritiert durch ihre eigene Erleichterung.
Das Gesicht der Frau drückte leichtes Mißtrauen aus.
„Könnten wir vielleicht einmal Ihr Schiff ansehen?“
Bertha sah wieder zu dem Mann. „Gerne… aber es ist am anderen Ende des As… des Felsens.“
Er nickte. „Kein Problem.“ Unter dem Schirm an der Wand war eine kleine Kontrollkonsole. Er ging darauf zu. „Wie ist ihre Bezeichnung?“
„Lansing 04.“
Er drückte ein paar Knöpfe, worauf die Nachrichtensendung verschwand. „Lansing 04…“ Bertha sah, wie ihr Schiff erschien, ein Bild mit blendenden Kontrasten auf dem Landefeld im grellen Sonnenlicht. „Ich glaube, mit einem Schiff dieser Größe können Sie tausend Tonnen transportieren. Welche Masse?“
„Zwanzig Tonnen, ohne Reaktionsmasse oder Fracht.“
„Wir gehen gerne sicher, wissen Sie.“ Er sah auf. „Aber Sie werden eine Menge Megaseks brauchen, bis Sie wieder auf Lansing sind.“
Sie untersuchte sein Gesicht auf Spuren des Zweifels, sah aber nur oberflächlichen Eifer darin. „Wir werden es schon schaffen. Wir müssen.“
„Klar.“ Seine Augen wanderten von ihr zu Shadow Jack. Sie konnte so etwas wie Bewunderung darin entdecken. „Wir werden sofort mit den nötigen Vorkehrungen beginnen.“
Rusty prallte gegen eine Kante des Schreibtischs, klammerte sich an den Papierstapeln fest und nieste laut.
„Nun, aber.“ Der Mann drehte sich um und griff fast verzweifelt nach Rusty. „Dad würde uns umbringen, wenn dem Tier etwas…“ Seine Stimme erstarb; er ließ die Katze los und griff nach einer Zeitung. Bertha erkannte ihr eigenes Gesicht auf der Zeitungsseite, und dieses Mal verblaßte es nicht. „… fremdes Raumschiff…“ Sie hörte Shadow Jacks leisen, enttäuschten Fluch. Schwebend umklammerte sie die Kante des Schreibtischs, bis ihre Finger rot wurden.
Tiriki wandte sich ihr wieder zu. „Das sind Sie“, sagte der Mann mit aufgerissenen Augen. „Sie sind von dem Raumschiff.“
„Und Sie sind zu uns gekommen.“
Unbewußt stahl sich ein Lächeln in ihre Züge, ein Ausdruck unverhohlener Gier. Bertha hatte diesen Blick schon bei der Frau in der Raumfähre bemerkt. „Ich verstehe nicht“, sagte sie störrisch. „Sie haben unser Schiff gesehen. Wir kommen aus dem Hauptgürtel. Wir wurden unterwegs von vielen Leuten fotografiert…“
„Aber mit diesem Bild verhält es sich anders.“ Die Frau schüttelte den Kopf, ihr schwarzes Haar wippte. Bertha betrachtete sie; sie dachten nach und versuchten, sich zu erinnern. „Schon seit ihr in unser System gekommen seid, hört man pausenlos von euch. Seit fast einer Megasekunde.“
„Und in dem Schiff, das wir gesehen haben, sind Sie gewiß nicht von dort nach hier gekommen.“ Der Mann betrachtete wieder Shadow Jack. „Du bist vielleicht aus dem Gürtel, das wäre möglich. Vielleicht ist es dein Schiff. Was bist du, ein Schneepirat?“
„Wir sind keine Piraten.“ Bertha schnappte Rusty und zog sie an sich. „Wir haben Ihnen ein Geschäft vorgeschlagen: dieses Tier hier gegen eine Ladung Wasserstoff. Wir haben nichts anderes mehr, was Sie interessieren könnte, woher wir auch kommen mögen. Lassen Sie uns einfach das Geschäft abschließen und dann verschwin…“
„Tut mir leid.“ Der Mann betrachtete wieder das Papier. „Wir sind an dem Schiff interessiert, das von… Diskus… zum Hauptgürtel… und zum Demarchy…“ Bertha sah, wie sein Verstand Berechnungen vornahm — „… innerhalb von eineinhalb Megasekunden gelangen kann.“
Sie fragte sich kurz, was er wohl sagen würde, wüßte er, daß sie diese Reise eigentlich in einem Drittel der Zeit geschafft hatten. „Also, was wollen Sie dann von uns?“ Sie kannte die Antwort bereits, und sie wußte auch, sie waren gescheitert, weil nie die Möglichkeit bestanden hatte, unbemerkt einen Fuß auf Mekka zu setzen.
„Sie wollen dein Schiff! Raus hier!“ Shadow Jack stieß sich zur Tür, riß den Vorhang beiseite und erstarrte. Bertha wandte sich um. Ihm gegenüber, in einer weinroten, bestickten Jacke, stand der Mann von der Regierung. Unfaßbar… Auch die Augen des Mannes betrachteten erst sie, dann Shadow Jack. Er betrachtete sie lange, und dieses Mal, das wußte sie, sah er strähniges, wirres Haar und erhitzte Gesichter. Nicht ihre bleiche Haut — sie sah seinem Gesicht an, daß ihr Anblick keine Überraschung für ihn war. „Kapitän Torgussen“, nickte er. „Und offensichtlich nicht von Lansing.“
„Sie haben einen kleinen Vorsprung“, sagte Bertha. „Ich fürchte, ich habe Ihren Namen vergessen.“
Er lächelte. Doch dieses Lächeln wurde verzerrt, als er sich den beiden Tirikis zuwandte und sich leicht verbeugte. „Und was möchte denn die Tiriki-Destille mit dem Raumschiff anfangen?“ Seine Hand packte Shadow Jacks Jacke und zerrte ihn in den Raum zurück. „Bursche, ich glaube, du hast nicht gelogen, als du uns sagtest, womit du deinen Lebensunterhalt verdienst.“
„Wer sind Sie?“ fragte die Frau indigniert.
„Wadie Abdhiamal. Ich repräsentiere die Regierung des Demarchy.“
„Die Regierung?“ Der Mann schnitt eine Grimasse. „Dann geht Sie das hier nichts an, Abdhiamal. Verschwinden Sie, bevor Sie Ärger bekommen.“
„Das ist monopolistisches Geschwätz, Tiriki. So was hört man hier gar nicht gerne. Ich bin sehr wohl geschäftlich hier. Ich bin nur dieser Leute und ihres Schiffes wegen nach Mekka gekommen.
Der Gouverneur nimmt dieses Schiff im Namen des Volkes des Demarchy in Besitz.“
„Ihr Gouverneur kann überhaupt nichts in Besitz nehmen, Abdhiamal.“ Der Mann betrachtete sein Spiegelbild in der polierten Schreibtischoberfläche, wonach er sorgfältig sein Barett zurechtrückte. „Sie haben nichts in der Hand, um diese Wünsche durchzusetzen. Wir haben die beiden zuerst entdeckt, und wir werden sie nicht so einfach herausgeben.“
„Die öffentliche Meinung wird mir recht geben. Niemand wird zulassen wollen, daß Tiriki totale Kontrolle über das Schiff bekommt. Ich werde eine öffentliche Anhörung beantragen…“
„Benutzen Sie meinen Schirm.“ Der Mann deutete darauf. „Wenn wir den Leuten erzählen, wie das Demarchy hinter ihrem Rücken vorgeht, dann werden sie wahrscheinlich kein Wort mehr von Ihnen anhören. Sie werden draußen sein, noch ehe Sie sich’s versehen — und wenn ich draußen sage, dann meine ich es auch. Weg vom Fenster.“