„Was wollen Sie hier?“ Zu der vertrauten Stimme gesellte sich ein vertrautes Gesicht, das Zorn oder Furcht verzerrte. Zorn… Djem Nakamore war zu starrköpfig und dogmatisch, als daß er etwas anderes hätte empfinden können. Wadie beeilte sich, aus dem Blickfeld des Mannes zu verschwinden, der Bertha Torgussen anstarrte.
Ihr Gesicht verhärtete sich, bis er den Blick abwandte. „Wir wollen tausend Tonnen verarbeiteten Wasserstoff, die mit einem Traktorstrahl, dessen Koordinaten ich Ihnen angebe, zu unserem Schiff gesandt werden. Weigern Sie sich, so werde ich mit meinem Schiff Ihre Destille zerstören, und Sie werden alle sterben.“ Die harten Worte schienen ihr leicht über die Lippen zu kommen. Wadie war überrascht.
Er sah, wie ihre Gesichter sich veränderten; die der beiden Fremden im Hintergrund zeigten echte Anzeichen von Furcht. Nakamore versteifte sich, und er schwebte etwas aus dem Bereich des Schirms.
„Sie werden uns nicht zerstören. Dann würde sogar das Demarchy Ihren Tod wollen.“
„Wir sind nicht aus diesem System — ihr bedeutet uns nichts. Auch das Demarchy nicht. Ich hoffe, ihr geht alle zum Teufel für das, was ihr uns angetan habt. Aber Schnee-der-Errettung wird ganz sicher zuerst dorthin gehen, wenn Sie meinen Befehlen nicht gehorchen.“
„… sie meinen es ernst…“, sagte eine leise Stimme im Hintergrund. Nakamore wandte sich abrupt weg und schaltete den Ton ab. Er unterhielt sich mit den anderen, deren Augen immer noch furchtsam in den Schirm blinzelten. Ihr Atem kondensierte beim Sprechen in der kalten Luft. Nakamore wandte sich wieder der Konsole unter ihm zu, die nicht zu sehen war, und schaltete den Ton ein. „Wir haben keine tausend Tonnen Wasserstoff parat. So viel hatten wir noch nie, und wir bereiten gerade eine große Schiffsladung vor.“
Wadie schüttelte den Kopf. „Sie lassen ihre Vorräte niemals so weit absinken. Der Ausstoß liegt bei nahezu dreitausend Tonnen pro Megasekunde, und sie haben mindestens das Vierfache in Reserve, sollte die Destille einmal repariert und stillgelegt werden müssen.“
Der Kapitän drehte sich zu ihm und schaltete nun ihrerseits den Ton ab. „Sind Sie so vertraut mit ihrer Produktionsweise?“
Er nickte. „Wie ich schon sagte — ich habe fast fünfzig Millionen Sekunden dort unten verbracht. Ich habe gesehen, wie die Destille zusammengebaut und in Betrieb genommen wurde. Ich kenne ihre Kapazität. Und ich weiß, was für ein Mann…“ Er erinnerte sich an Djem Nakamores Gesicht, den roten, kahlen Schädel, erinnerte sich an das amüsierte Gesicht von Djems Halbbruder Raul. Er hörte das Zischen, als Kondenswasser von der Decke auf die rotglühende Ofenplatte tropfte, während er wartete, bis Djem langsam seinen nächsten Zug ausgedacht hatte, der ihn der hundertsten, wenn nicht gar tausendsten verlorenen Schachpartie gegen Wadie Abdhiamal wieder etwas näher bringen würde. Störrisch, belehrend und phantasielos… aufrichtig, rechtschaffen und hingebungsvoll mit seiner Aufgabe verbunden. Kein Gegner, wie Djem selbst ihm wieder und wieder versichert hatte, für Wadie mit seinem klaren, präzisen Verstand — aber er konnte es einfach nicht lassen, halsstarrig immer wieder zu versuchen, ein Spiel für sich zu entscheiden. Wadie richtete die Ohrenschützer seiner dicken Mütze und griff nach seiner Königin. Schachmatt. Ich kenne diesen Mann. Drohen Sie ihm „… er ist nicht gewieft genug, um erkennen zu können, ob Sie bluffen. Zudem wird er alles versuchen, um die Destille zu retten.“ Er erkannte plötzlich, daß auch Raul sie von dort unten hätte anstarren können, und dankte allen Göttern dafür, daß es nicht so war. Er vermied sowohl Bertha Torgussens Blick wie auch den der hellen Augen auf dem Schirm.
Der Kapitän runzelte leicht die Stirn, dann wandte sie sich wieder Nakamore zu. „Das akzeptiere ich nicht. Sie haben fünfundzwanzigtausend Sekunden Zeit, uns den Wasserstoff zu liefern, dann werden Sie vernichtet.“
„Das ist unmöglich…! Wir brauchen mindestens hunderttausend Sekunden dafür.“
„Das ist eine Lüge“, sagte Wadie leise und schüttelte wieder den Kopf. „Er will Zeit gewinnen. Die Große Harmonie hat genügend Kriegsschiffe in diesem Sektor stationiert; er hofft wahrscheinlich darauf, daß ein paar Einheiten rechtzeitig hier eintreffen können.“
Sie nickte. „Sie haben fünfundzwanzig Kilosekunden Zeit“, sagte sie gnadenlos. „Ich weiß, Sie haben einen leistungsstarken Linearbeschleuniger dort unten. Setzen Sie ihn ein. Ich will keine bemannten Fahrzeuge in unserer Nähe sehen. Notieren Sie die Koordinaten…“ Sie sprach jede Zahl langsam und deutlich aus.
Nachdem sie fertig war, sah Nakamore an ihr vorbei, wütend und geschlagen, doch davon zeigte sein Gesicht wenig. „Gibst du dort die Anweisungen, Wadie?“
Wadie schwebte starr, bewegungslos… sprachlos. Schließlich stieß er sich in Nakamores Blickfeld. „Ja, Djem, ich bin’s.“
„Wir haben die Debatten des Demarchy empfangen… wie man dich zum Gesetzlosen erklärt hat. Ich dachte, vielleicht…“ Nakamores Gesicht zeigte den zornigen Ausdruck eines Mannes, dem Loyalität über alles geht und der eben die schmerzliche Erfahrung hatte machen müssen, von einem Freund betrogen worden zu sein. „Wir waren Narren, nicht zu erkennen, was du und deine… Außerirdischen versuchen würden. Warum willst du dich mit tausend Tonnen Wasserstoff zufriedengeben? Warum nimmst du nicht alles?“
„Wir benötigen nur tausend Tonnen, Djem. Und die brauchen wir dringend, sonst würde ich dir das nicht antun.“ Ohne sie war das Raumschiff gefangen, leichte Beute für den erstbesten, der es nehmen konnte. Und dann wären die Große Harmonie, das Demarchy und alle anderen die Beute, und die Drohungen keine Bluffs mehr. So war es am besten, es war die einzig vernünftige Entscheidung, die er treffen konnte. „Wenn er nur Djem“, begann er, „ich…“ Aber die Worte kamen ihm nicht über die Lippen.
Nakamore wartete, seine schwarzen Augen sahen ihn gnadenlos an. Schließlich beugte er sich nach vorn und griff nach dem unsichtbaren Pult. „Verräter!“ Sein Gesicht verschwand und mit ihm die letzte Chance auf Asyl für einen Verbannten. Diskus füllte den Schirm aus.
Der Kapitän starrte wie gebannt auf den Schirm, die Lippen zusammengekniffen, eine zerbrechliche, goldene Figurine. Welkin sah mitleidig zu Wadie, sagte aber nichts und ersparte ihm so die Peinlichkeit, ihn auf eine geistreiche Antwort, die ihm nicht über die Lippen gekommen wäre, warten zu lassen.
„… glaubst du, sie werden es tun?“ Bird Alyn zupfte am losen Ende ihres Gürtels. „Und wenn sie es nicht tun?“
„Sie werden.“ Er hatte seine Stimme wiedergefunden — und sein inneres Gleichgewicht. „In fünfzig Millionen Sekunden hat Djem Nakamore keine einzige Partie Schach gegen mich gewonnen.“
„Du warst perfekt, Bertha.“ Welkin wandte sich wieder von ihm ab, seine alten Augen suchten den Blick Berthas, die den Kopf gesenkt hatte. „Eric hätte es nicht überzeugender machen können.“
„Wenn Eric noch am Leben wäre, hätte er das überhaupt nicht getan.“
Wadie nickte erleichtert. „Ich habe fast selbst geglaubt, Sie würden jedes Wort ernst meinen.“
Sie zündete ein Streichholz an. „Wie kommen Sie darauf, daß dies nicht der Fall ist, Abdhiamal?“ Sie entzündete den Tabak in ihrer Pfeife und starrte ihn mit demselben harten Blick an, der schon Schnee-der-Errettung in die Knie gezwungen hatte. „Was haben die Ringbewohner denn uns alles angetan?“
„In der Tat.“ Er verbeugte sich grimmig. „Ich habe meine Lektion gelernt — ich werde nie mehr etwas Schlechtes über einen Ingenieur sagen.“ Er stieß sich zur Tür ab.