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„Stellen Sie sich der Realität, Silver Tyr!“ Die scharfe Stimme der Frau unterbrach seinen Redefluß. „Er sieht euch an, daß ihr lügt. Ihr könnt die Wahrheit nicht mehr verbergen, so wie eure Gewänder eure Lumpen nicht mehr verbergen können. Und wenn er die Wahrheit die ganze Zeit nicht gekannt hat, so kennt er sie jetzt. Es wäre am besten für uns, wenn wir mit ihm zusammenarbeiten, wie er es verlangt, und darauf hoffen, daß er bereit ist, dafür zu bezahlen…“

„Flame Siva! Willst du die einzigen Menschen im Universum verraten, die zur Hilfe für uns bereit sind? Deine eigene Tochter…“

„Kein Krüppel, keine Defekte, ist ein Kind von mir.“ Doch ihre Stimme verriet sie, Raul fühlte die Hitze bitterer Enttäuschung in der Asche ihrer Worte. Die zusammengekauerte Gestalt von Wind Kitavu, selbst ein Krüppel, wurde bei ihren zornigen Worten noch kleiner. „Aber unter den gegenwärtigen Umständen spielt das ohnehin keine Rolle mehr.“

Ein Stirnrunzeln verzerrte die Züge des Premierministers. „Zwei Angehörige unseres Volkes sind an Bord des Sternenschiffes. Sie sagen, die Große Harmonie habe das Sternenschiff zuerst angegriffen. Es hat daher ein Recht, auch einen guten Grund, gegen euch vorzugehen, und Sie haben keinen rechtlichen Anspruch darauf. Daher verspüren wir keinen Wunsch, Ihnen dabei zu helfen, es in Ihre Gewalt zu bringen.“

„Ich verstehe.“ Raul erwiderte das Stirnrunzeln, doch er erkannte, er konnte diesem Volk im Grunde genommen nichts antun, da er bereits ihre einzige Hoffnung zerstört hatte. „Zu Ihrem Glück sind wir im Grunde genommen gar nicht auf Ihre Zusammenarbeit angewiesen… aber wir werden auch keine Störung tolerieren. Wir werden hier warten, bis das Schiff ankommt.“ Er studierte ihre Reaktionen und erkannte mit einer Spür diabolischer Freude, daß das Schiff tatsächlich ankommen würde. „Eines meiner Schiffe ist in einem Orbit über Lansing. Sollten wir auf Widerstand stoßen, hat der Kapitän den Befehl. Löcher in das Zelt zu schießen. Wenn Ihr die euch verbleibende Zeit noch voll auskosten wollt, dann stellt euch uns nicht entgegen.“

„Nicht einmal auf Lansing wollen wir ein Treffen mit dem Tod forcieren, Hand Nakamore.“ Der Premierminister betrachtete vielsagend seine Waffe.

„Auf Lansing ganz besonders nicht“, bekräftigte Flame Siva. „Wir sind Materialisten. Hand Nakamore, Realisten. Das sagt man wenigstens von uns.“ Sie legte eine Pause ein. „Was haben Sie mit dem Schiff und seiner Besatzung vor? Werden Sie es intakt lassen?“

Raul lachte kurz. „Wir werden es versuchen. Aber ich werde es lieber zerstören als zuzulassen, daß es uns wieder genommen wird. Außerdem möchten wir die Besatzung lebend, damit wir wissen, wie man es bedient. Weigern sie sich, uns an Bord zu lassen… nun, Piraterie ist ein Kapitalverbrechen, das nach jedem Recht mit dem Tod bestraft wird.“ Er sah, wie die Ratsmitglieder sich unruhig, dabei glitzernd, bewegten.

„Der Großteil der Besatzung ist ohnehin bereits durch Ihre Schuld tot“, murmelte die Frau mit gesenktem Kopf. „Sie hat die Verluste…“

„Sie?“ fragte Raul überrascht. „Das stimmt…“ — er erinnerte sich an Details des fremdartigen Äußeren und die Entdeckung der menschlichen Überreste —, „ein weiblicher Pilot. Also ist die Mannschaft nicht voll einsatzfähig?“

„Zwei unseres Volkes sind bei ihnen“, wiederholte die Frau. Er erkannte, daß es mehr als nur eine simple, ausgesprochene Tatsache war; ihre lochtet: hatte der Premierminister gesagt. Sie hob langsam eine Hand und strich sich über den Nacken und ihr mattes Haar, womit sie, wie er erkannte, eine Geste der Bedrohung kaschierte. „Der Kapitän versprach uns den Wasserstoff, den wir zum Überleben benötigen, wenn sie ihr halfen, den Treibstoff für ihr eigenes Schiff zu bekommen… den Wasserstoff, den ihr mit uns nicht teilen wolltet — hätten wir ihn uns nicht gewaltsam geholt.“

Er wartete ab, antwortete aber nicht, denn ihre Worte hatten keine Anklage beinhaltet.

„Was würden Sie uns geben, wenn ich Ihnen helfe, das Schiff intakt in die Hand zu bekommen?“

Wieder war er überrascht. „Was können Sie tun, das zu garantieren?“

Ihre schmalen Hände überkreuzten sich vor der Brust, umklammerten ihre ebenso dünnen Hände in Ärmeln, die viel zu lang und zu zerlumpt waren. „Erlauben Sie mir, die Funkanlage wieder zu reparieren. Geben Sie Ersatzteile… wenn Sie welche haben.“ Sie blickte ihn mit harten, glänzenden Augen an. „Lassen Sie mich Kontakt mit dem Schiff aufnehmen, wenn es sich nähert. Ich werde ihnen versichern, daß sie gefahrlos kommen können. Dann können Sie sie leicht übernehmen.“

„Das könnten wir auch selbst tun.“

„Nein, können Sie nicht. Meine… unsere Leute auf dem außerirdischen Schiff kennen die Probleme unserer Funkanlage sehr gut — und außerdem meine Stimme. Durch die Stimme eines Fremden würden sie argwöhnisch werden… wie auch durch eine Funkstille.“

„Da haben Sie nicht unrecht.“ Raul nickte.

„Werden Sie uns den Wasserstoff lassen, wenn ich das tue?“ Dieses Mal funkelte sie ihn nicht zornig an.

„Wenn das Schiff entkommt, können sie mit dem Wasserstoff zurückkommen!“ platzte Wind Kitavu heraus. „Nimm uns nicht unsere einzige Chance…“

Sie drehte sich um, und ihr Gesicht brachte ihn zum Schweigen. Raul fragte sich, was es zeigen mochte. „Werden Sie es tun?“

Da er wußte, wie einfach es sein würde zu lügen, antwortete er: „Ich werde um die Erlaubnis bitten. Vielleicht bekomme ich sie, vielleicht auch nicht.“ Er wartete auf ihre Reaktion und wurde von einer Art Enttäuschung verwirrt, als hätte sie eine Lüge von ihm erwartet, die ihren Verrat entschuldigt hätte. Oder war da noch etwas anderes? Er dachte an Wadie Abdhiamal.

„Aber was wird mit der Besatzung? Wenn Sie… das Schiff intakt in die Hand bekommen?“

„Wenn ich sie lebend bekomme?“ Ihre Tochter… also hatte er doch endlich eine zufriedenstellende Auskunft erhalten. „Sie liegt Ihnen also doch am Herzen?“

Flame Siva erstarrte, ihre Augen erinnerten an niedergebrannte Schlacke, ihre Stimme verlor ihre Stärke. „Ja… natürlich liegt sie mir am Herzen…“ Und dann, plötzlich wild und aufbrausend: „Sie liegen mir alle am Herzen! Sie versuchen uns zu retten!“ Sie biß sich auf die Lippen.

Raul wand sich unbehaglich. „Wenn sie keinen Widerstand leisten, werde ich Ihre Tochter und den anderen freilassen — wenn Ihnen daran soviel gelegen ist.“ Das ist Strafe genug. „Und was den Rest angeht — an Bord ist ein Verräter aus dem Demarchy, der ihnen die Informationen zum Überfall auf unsere Destille gab. Ich glaube nicht, daß er eine große Chance hat.“ Aber ich will immer noch eine Erklärung. „Und was die Außenweltler angeht, die übriggeblieben sind… die werden auf die eine oder andere Weise mit unserer Flotte zusammenarbeiten müssen.“

„Sie werden sie niemals gehen lassen.“ Es war keine Frage.

„Ich glaube weder unsere Flotte noch die Besatzung wird jemals in einer Position sein, darüber verhandeln zu können.“

Sie nickte oder schüttelte den Kopf, eine seltsame Bewegung. „Wir tun hier, was wir können… und wir nehmen, was wir bekommen. Wir sind für unsere Taten selbst verantwortlich.“ Wieder der Trotz, der Abscheu, das lohende Feuer… sie wandte sich an die geisterhafte Inkarnation des Rates von Lansing. „Wir nehmen die Konsequenzen auf uns.“

„Sandoval.“ Raul winkte ihn zu sich. „Bringen Sie sie zurück und lassen Sie sie am Funkgerät arbeiten. Und was immer auch geschieht, lassen Sie sie kein Wort — ich wiederhole, kein Wort — ohne meine Erlaubnis übermitteln.“

„Ja, Sir.“ Sandoval salutierte nachlässig und brachte sie weg. Sie wurde von seinen Männern flankiert, hatte aber den Kopf hoch erhoben.