Aber das Sternenschiff… sogar er, Raul, hatte wieder Hoffnung gehegt… was es für Himmel bedeuten konnte… besonders für die Große Harmonie. Warum wollte ausgerechnet Abdhiamal sicherstellen, daß es keiner der beiden Regierungen in die Hände fiel? Abdhiamal war ein fairer Mann — aber war er fair bis zum Irrsinn, bis zur Verdammung? Und die Frau, die das Schiff steuerte… warum ging sie das Risiko ein, ein Versprechen für Lansing einzuhalten, ausgerechnet für einen Ort wie Lansing? Waren sie beide verrückt? Alle? Oder gab es da noch etwas, das er nicht sehen konnte…? Es gab zu viele Dinge, die er nicht sehen konnte. Aber wenn sie ihr Versprechen hielt, wenn ihm das Schiff direkt in die Hände fiel… das war die einzige Chance, die er sich ersehnte. Die einzige.
Ranger (Im Raum Lansing)
+ 109 Megasekunden
„Kannst du nichts von Lansing empfangen, Pappy?“ Bertha wandte sich steif vom Rendezvousprogramm auf dem Bildschirm ab.
Clewell nahm mit einer müden Bewegung den Kopfhörer ab. „Nein, ich überwache das gesamte Spektrum. Wenn jemand sich mit uns in Verbindung setzen will, werden wir es auch hören.“
„Vielleicht ist der Sender zusammengebrochen“, mutmaßte Shadow Jack „… Könnte schon sein. Es wurde immer schwieriger, ihn zu reparieren.“ Bird Alyn schwebte neben ihm über Berthas Kopf und betrachtete das vergrößerte Bild Lansings auf dem Bildschirm. Bertha betrachtete dagegen nur die sanfte Oberfläche des Zeltes mit Interesse: das Leichentuch eines sterbenden Volkes, das dank der Ranger noch eine kurze Frist gewonnen hatte.
Diskus hing links darüber, ein fernes, funkelndes Juwel. Und irgendwo in der Finsternis steckten die drei Fusionsschiffe des Demarchy. Kein einziges hatte mit einem Bremsmanöver begonnen, um seine Geschwindigkeit der der Ranger anzupassen. Also war ihre Mission Mord… Bertha überflog die letzten Positionsangaben. Sie hatten höchstens noch zehn Minuten, um den Wasserstoff abzuladen.
„Unsere Zeit ist ein wenig knapp… sicher macht es Lansing nichts aus, wenn wir euch mit der Ladung in einem niederen Orbit absetzen und dann von hier verschwinden.“ Sie lächelte Shadow Jack und Bird Alyn zu und zwang sich, ihrer Stimme einen warmen Klang zu geben. „Sie werden froh sein, euch zu sehen, mit euren achthundert Tonnen Wasserstoff.“
„Das werden sie“, stimmte Shadow Jack zu. Sie nickten, und ihre Gesichter hinter den Helmen der Druckanzüge waren sauber und lächelten tapfer. „Aber… werdet ihr auch ganz bestimmt ohne uns klarkommen?“ Ein seltsamer Unterton ließ seine Stimme brüchig klingen. „Nur ihr beide?“ Er betrachtete Clewells zerfurchtes Gesicht und ließ seine Knöchel knacken.
Aus dem Augenwinkel erblickte Bertha Abdhiamal, der sie beobachtete… Abdhiamal in seiner bestickten Jacke und den ausgebleichten Hosen. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Wir kommen schon zurecht.“ Ihre Stimme brachte eine Überzeugung zum Ausdruck, an die ihr geschundener, schmerzender Körper nicht so recht glauben wollte. Aber sie wollte nicht auf seine Schuld anspielen, um ihn zu einer Sinnesänderung zu bewegen. So weit waren sie gekommen, der Rest würde auch irgendwie gehen. Später… sie konnte später darüber nachdenken. „Laß deine Knöchel nicht knacken, Shadow Jack. Das ist nicht gut für die Gelenke.“
Shadow Jack grinste dünn und stülpte seine Handschuhe über.
Wadie berührte ihre Schulter. „Sehen Sie.“
Während sie sprachen, hatte die Ranger eine Vierteldrehung um Lansing gemacht. Am nahen Horizont sahen sie eine kahle, nackte Stelle im Felsgestein, unter der das Zelt wie Wolken das Gestein traf.
„Der Berg“, sagte Bird Alyn. „Und dort ist die Funkantenne und der Landeplatz… da ist ja eines unserer…“
„He!“ Shadow Jack zupfte an ihrem Ärmel. „Das ist keines von unseren Schiffen! Ich habe so was noch nie gesehen. Woher kommt es?“
„Vielleicht ist es Treibgut?“
„Nein, schau, da ist noch eines.“
Bertha schaltete die Vergrößerung zu. „Pappy, sieht aus wie…“
„… Ringschiffe! Das sind Ringschiffe! Zurück, das ist eine Falle, eine…“ Die Stimme einer Frau klang dröhnend aus den Lautsprechern, bevor sie abgewürgt wurde.
„Mutter!“ Bird Alyn stieß einen Schrei aus.
„Das dort unten sieht nach chemischen Raketen aus“, sagte Clewell mit einer Stimme, die so trocken wie raschelnde Blätter war.
Wadie umklammerte mit einer Hand ihre Schulter. „Mein Gott, das sind Schiffe der Ringe, mehr als fünfzig Millionen Kilometer von Diskus entfernt…“ Seine Stimme klang ungläubig. „Das Demarchy wußte, daß die Harmonie über ein paar Kriegsschiffe verfügt, aber auf etwas derartiges war ich nicht gefaßt. Wenn sie mit chemischen Raketen jetzt hier sind, müssen sie direkt nach ihrem ersten Angriff auf Sie gestartet sein. Und selbst dann hätten sie ein Masseverhältnis von tausend zu eins benötigt…“
Eine neue Stimme sprach aus dem Lautsprecher. „Fremdes Sternenschiff! Hier spricht Hand Nakamore von der Großen Harmonie. Behalten Sie Ihre derzeitige Kreisbahn bei. Wenn Sie Ihren Antrieb aktivieren, werden wir das Feuer eröffnen. Eines meiner Schiffe wird sich Ihnen nähern, damit ich an Bord kommen kann.“ Bertha sah zu dem luftlosen Berg, wo die drei Schiffe standen, keines kaum mehr als ein paar angetriebene Treibstofftanks mit winzigen Lebensräumen. Sie sah eines davon aufsteigen, sein unsichtbarer Rückstoß wirbelte Staub auf. Gefangen… Sie rang die Hände. Die Ranger konnten bestenfalls ein Grav schaffen, mit der am Rumpf vertäuten Ladung sogar nur ein Viertel davon. Die Schiffe aus den Ringen konnten lange genug eine Beschleunigung von mehreren Grav erreichen, um sie einzuholen.
Sekunden verstrichen, und das Ringschiff näherte sich ihnen langsam, fast unmerklich. Minuten verstrichen… und mit ihnen verschwand die letzte Hoffnung der Ranger, den Schiffen des Demarchy doch noch entkommen zu können. Mein Gott, warum mußten wir so nahe am Ziel scheitern?
Wadie hielt sieh mit einem Fuß unter der Leiste an der Konsole fest. „Bertha, das war Djem Nakamores Halbbruder Raul am Funkgerät. Er ist eine Hand der Harmonie, ein Offizier ihrer Rotte. Ein ranghoher Offizier. Lassen Sie mich mit ihm reden. Er weiß wahrscheinlich, was über Schnee-der-Errettung geschehen ist, aber wir waren einst Freunde.“
„Sie warten besser ab. Abdhiamal“, sagte Clewell leise. „Wir haben auf anderen Wellenlängen noch mehr Gesellschaft.“ Er kippte einen Schalter, woraufhin sich ein weiteres Segment des Schirmes erhellte.
„Lije MacWong“, sagte Wadie. Bertha sah, wie die grazile Gelöstheit aus seinem Körper verschwand.
„Kapitän Torgussen, wenn Sie diese Nachricht empfangen, werden Sie erkennen müssen, daß das Demarchy Ihr Schiff verfolgt hat. Die Entfernung zwischen uns ist mittlerweile so knapp, daß Sie unseren Geschossen nicht entkommen können. Unternehmen Sie daher keinen Versuch, den Raum um Lansing zu verlassen.“ Hinter MacWongs selbstgefälligem Gesicht konnte Bertha einen Kontrollraum erkennen, der etwa halb so groß wie der der Ranger war und in dem sich noch ein mit einem sonnengoldenen Jackett bekleideter Offizier befand. Weiter hinten sah sie Kameras, die auf den Schirm gerichtet waren, sah eine Gruppe von Demarchos, die bemalten Holzpuppen ähnelten — Repräsentanten der Gesellschaften, die um die Wahrung ihrer Interessen besorgt waren. Als sie Esrom Tiriki erkannte, verzerrte sich ihr Mund.