„Vielleicht beim nächsten Mal. Vielleicht haben andere gefunden, was sie brauchen. Wir sind nicht das einzige Schiff…“
„Das weiß ich!“ Seine Stimme schmerzte in seinen Ohren, und er bedeckte sie mit den Händen. „Tut mir leid. Ich habe fürchterliche Kopfschmerzen.“
„Ich ebenfalls.“
Er sah sie an. Es war kein Vorwurf; ihre rotumränderten Augen blickten sanft, bevor sie wegtropften, in ihrem Gesicht verblaßten, in dem matten Baumwollgestrüpp ihres Haares, Braun in Braun in Braun. Flecken tanzten auf ihrer Nase, dunkleres Braun. „Glaubst du, wir haben etwas Wasser?“
„Mal sehen.“ Er löste die Gurte und schwebte von ihrem Sitz hoch, ein bloßer Fuß stieß sich von der Konsole ab. Er erreichte die Wand hinter ihnen und las den Stand am Reservoir ab. „Ja, es ist noch was drin.“ Er hörte Bird Alyn seufzen, als er den Schlauch in das Siegel des Trinkgefäßes schob und wartete, bis dieses sich füllte. „Beim Punkt vier Liter.“ Auch er seufzte.
Sie tranken gemeinsam das schale, warme Wasser, indem sie sich den Strohhalm abwechselnd zuschoben. Bird Alyn griff hinüber, um den Schirm zu löschen. Sie zögerte, beugte sich dann nach vorne. „Das ist merkwürdig… sieh mal, der Ausdruck hat sich verändert. Es muß noch was anderes draußen sein; wir bekommen eine Rückkopplungsanalyse von etwas, das weiter entfernt ist. Metall… schwache Radioaktivität…“ Wasser tropfte gegen seine Finger und benetzte seine Hand, als er den Becher zu heftig zusammendrückte. „Treibgut?“
Sie tippte kurz auf einige Kontrollen, wonach sich ein Bild des Matkusovschen Spiegels der Hülle zeigte. Eine sonnenhelle Nadel ließ die Sterne der Schwärze verblassen. „Ein Schiff“, flüsterte sie.
„Oh, tatsächlich, sieh dir das an…“
„Ich habe noch nie ein solches Schiff gesehen…“
„Es hat auch noch nie ein solches gegeben.“
„Nicht seit dem Krieg. Es muß…“
„Es muß… unsere Beute werden.“ Shadow Jack beugte sich nach vorn und berührte das Abbild des Schiffs mit einer feuchten Fingerspitze. „Ich erhebe Anspruch auf dich, Schiff! Mit einem solchen Schiff… wir können alles tun mit einem solchen Schiff.“
„Es driftet, keine Antriebskräfte. Aber das bedeutet nicht unbedingt, daß es tot ist… So etwas zu finden, hier, so nahe an Lansing…“
„Es ist tot — es muß mehr als zwei Gigaseks alt sein. Wie groß ist unsere relative Geschwindigkeit? Können wir es abfangen?“
Ihre langen Finger stellten die Frage, das Pult antwortete. „Ja!“ Sie sah auf. „Wenn wir etwas beschleunigen, in vier oder fünf Kiloseks.“
„Gut.“ Er nickte. „Beschleunigen wir.“
Sie warteten geduldig, eingeschlossen im Gespinst privater Träume, während die erleuchtete Nadel zu einem unvorstellbaren, goldenen Insekt heranwuchs: dreifache Antennen schimmerten vorn, Speichen eines unsichtbaren Rades, dahinter erstreckte sich der hauchzarte Körper, der sich schließlich zu einem kugelförmigen, perlenähnlichen Heck ausbreitete. Ein Wunder… Das Wort leuchtete in seinem Geist, und obwohl er wußte, daß es keine Wunder gab, glaubte er trotzig daran. Ein Schiff, das ihnen Wasser verschaffen konnte, um die trockenen Sumpfländer wieder zu fluten, den vertrockneten Gräsern und sterbenden Bäumen das Leben wiederzugeben… ebenso wie dem sterbenden Volk Lansings.
Sein geistiges Auge sah zurück in die Vergangenheit, über die Felder Lansings, wo er gearbeitet hatte, aus dem Himmel herab, wolkengleich schwebend, fünfzig Meter hoch, an den starren Teilstücken der Plastikmembran, die die Welthülle formte. Irgendwo unter ihm, unter dem fragilen Dach der Bäume, hatte Bird Alyn gearbeitet, in den Gärten… Wie in einer Vision von der Alten Erde erinnerte er sich, wie sie die gelben Felder durchquert hatte, um ihn in der Dämmerung zu treffen; ihre Schritte ließen sie schweben wie einen Vogel. Wenn sie dieses Schiff zurückbrachten, würde alles wieder wie früher werden… alles.
Er sah hinüber zu Bird Alyn, zu ihrer Hand, drei gekrümmte, nervenlose Finger und einen Daumen; fühlte, wie sie seinen Blick auffing. Nicht alles. Seine Miene verdüsterte sich in hilflosem Abscheu vor sich selbst; sie sah weg, als gelte der böse Blick ihr. Er sah hinaus in die Nacht, ließ seine Knöchel knacken, als er sich erinnerte, warum nie wieder alles ins rechte Lot kommen konnte. Er erinnerte sich an den gebrochenen Ton der Beruhigung seines Vaters, vor mehr als einem Drittel einer Lebensspanne — als er seinen einzigen Sohn im Gras sitzend zurückließ, dem fatalen Licht preisgegeben, und allein zurückging in die schützenden Tiefen der Felsen…
Ranger (Im Raum Lansing)
+ 195 Kilosekunden
Bertha hörte, wie die Eindringlinge sachte gegen die Hülle der Ranger pochten, als sie sich auf die Hauptschleuse zubewegten. „Also haben sie sich doch nicht entschieden, sich einen Weg durch den Tagesraum zu schneiden.“
„Ihr Verhalten beeindruckt mich nicht. Willst du sie einfach so an Bord lassen?“ Clewell prallte leicht von der Wand zurück, als er eine verschlossene Tasse in ein Fach unter der Konsole stieß.
Sie nickte. „Pappy, wir haben ihre kleine Schaluppe schon fast zwei Stunden auf dem Schirm; sie dürfte wohl kaum ein Kriegsschiff sein. Sie scheinen in Schwierigkeiten zu sein — ihr Antrieb stößt radioaktive Strahlung aus. Außerdem brauchen wir Informationen, und wir hatten keinen großen Erfolg, als wir die Radiostationen Lansings abhören wollten. Ich denke, wenn wir sie an Bord lassen, ist das die schnellste und einfachste Methode, um einige Fakten zu erfahren.“ Sie rieb ihre Augen, bis die schmerzende Helligkeit ihr das Bild all ihrer Liebhaber und ihrer einzigen großen Liebe zurückbrachte, aber auch die Vision eines Schiffes, von unsichtbarem Feuer verschlungen. Der Tod hat schon zu reiche Ernte gehalten.
„Und was geschieht, wenn sie verrückt sind, wie all die anderen?“
„Du hast selbst gesagt, es können nicht alle so sein.“ Ihre Hand umklammerte den Kopf ihrer Pfeife. „Und selbst wenn sie es sind, werden sie das Schiff nicht bekommen.“ Sie ließ die Pfeife schweben, als sie das Transitprogramm überprüfte, ein Mosaik beleuchteter Knöpfe auf dem Kontrollpult. „Du darfst nur nicht den Kopf verlieren.“
Jemand hatte die Schleuse betreten. Sie fühlte ihre Gegenwart mehr, als sie sie hörte, fühlte, wie ihr Körper sich straffte, als die Lichter über dem Schleusentor wechselten. Das Tor glitt zur Seite. Zwei große Gestalten in Anzügen mit verstärkten Helmen schwebten unbeholfen in den Raum. Und stoppten sofort, indem sie sich an den in die Wand eingelassenen Handgriffen festhielten. Eine dumpfe, anklagende Stimme sagte: „Was macht ihr denn hier?“
Berthas Lippen zitterten; hilflos und ungläubig begann sie zu lachen. „W-was wir hier machen?“
Clewell grunzte. „Dieselbe Frage könnten wir an euch richten; das wäre wahrscheinlich nicht so komisch. Ihr habt Glück, überhaupt hier zu sein.“
„Wir glaubten, das Schiff wäre tot; wir wußten nicht einmal, ob ihr noch Energie habt, ehe die Schleuse sich öffnete.“ Der kleinere Anzug erschauerte. „Ihr habt ein Leck, und… und ihr meint, ihr steuert dieses Ding, ihr habt es an euch gebracht?“
„Wir haben es nicht ,an uns gebracht’, es gehört uns.“ Bertha drückte ihren Schuh unter einen vorstehenden Bolzen und drehte sich um, um sie anzusehen. „Ich bin Kapitän Torgussen. Das ist mein Navigator. Wir ließen euch an Bord kommen, weil wir glaubten, ihr wärt in Schwierigkeiten. Eure Kraftwerkseinheit ist leck und stößt Strahlung aus; ihr seid kaum bewegungsfähig. Habt ihr uns deswegen nachgestellt?“
Die silbernen, gesichtslosen Platten zeigten ihr nichts, nur ihr eigenes, verzerrtes Gesicht. Die dünne Stimme machte einen gekränkten Eindruck. „Was meint ihr mit ,leck’? Mit unserem Antrieb ist alles in Ordnung. Wir sind bereits eine Megasek unterwegs.“