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»Aber warum sollte ich nicht kommen?« sagte Stucks. »Das ist ja mein Geschäft. Davon lebe ich.«

Und er gab mir sein Ehrenwort, daß er morgen um sieben Uhr zur Stelle sein würde. Mein Instinkt trieb mich bereits um sechs zu seinem Haus. Ich fing ihn gerade noch ab, als er es verließ. Er sei zu einer Reserveübung seiner Truppeneinheit einberufen worden, sagte er.

»Ich gehe mit Ihnen«, sagte ich. Auf dem Übungsplatz ließ ich ihn nicht aus den Augen.

Wir übten zusammen, entschärften einige Minen und entfern­ten uns gemeinsam.

»Gehen Sie ruhig nach Hause«, sagte er. »Ich ziehe nur rasch meine Zivilkleider an und komme Ihnen nach.«

Als er mir nach fünf Stunden noch nicht nachgekommen war, ging ich zu ihm, fand ihn jedoch nicht vor. Seine Frau ver­sprach mir, ihn über meinen Besuch zu unterrichten.

Am nächsten Morgen kaufte ich einen Revolver, ging zu Stucks und wartete. Zu Mittag kam er nach Hause, nahm die übliche Mahlzeit ein und schickte sich zum üblichen Nicker­chen an. Ich fragte ihn, ob er etwas dagegen hätte, wenn ich seinen linken Arm mit einer Handschelle an meinen rechten fesselte. Nein, sagte er, er habe nichts dagegen.

Wir schliefen etwa eine Stunde und machten uns dann auf den Weg zu meinem Haus. Plötzlich befreite sich Stucks von seinen Fesseln und rannte davon. Ich schickte ihm eine Salve nach. Er erwiderte das Feuer. Als ihm die Munition ausging, kam er mit erhobenen Händen auf mich zu, begleitete mich ohne weiteren Widerstand und reparierte den Wasserhahn. Gestern begann der Hahn wieder zu tropfen.  

Massive Massage

Seit einiger Zeit lese auch ich die Annoncen, die im »Kleinen Anzeiger« unserer Tageszeitungen unter der Chiffre »Körper­pflege« oder »Verschiedenes« immer üppiger ins Kraut schie­ßen. »Kraut« ist vielleicht kein passender Ausdruck, aber »üp­pig« kommt in manchen Texten ganz ausdrücklich vor. Zum Beispiel teilt mir eine »Exotin mit üppiger Oberweite« mit, daß sie meinen Anruf erwartet, oder es ist, im Gegenteil, »Ma­rilyn, schlank, blond, langbeinig«, die sich mir als Masseuse empfiehlt. Vergebens denke ich darüber nach, inwieweit die Tatsache, daß Marilyn blond und nicht brünett ist, ihre Massa­ge beeinflußt, und was die Oberweite einer Exotin mit ihrer Knet-Technik zu tun hat. Wie, frage ich mich, kommt das zu dem? Und warum hat man noch nie ein Inserat gelesen, in dem sich ein schlanker, sonnengebräunter Buchhalter um einen Posten bewirbt?

Das Ganze ist wirklich sehr geheimnisvoll. Was meint die vollschlanke Sandra, wenn sie mir »individuelle Behandlung in privater Atmosphäre« anbietet? Will sie damit sagen, daß sie, solange ich bei ihr bin, keinen anderen Rücken reiben wird? Und was heißt »privat«? Hatte sie etwa die Absicht, mich vor Zuschauern zu massieren? Die dunkelhäutige Shos­hana hingegen, die mir »Halt! Überraschung!« zuruft -bläst sie ein Papiersäckchen auf, um es plötzlich dicht an meinem Ohr zu zerknallen? Oder macht sie mir eine Trillerpfeife zum Geschenk?

Noch tiefer beeindruckt mich die schmiegsame Lily, die mich schon beim Frühstückskaffee wissen läßt, daß sie auch noch nach Mitternacht zu einer Spezialmassage bereit ist. Man muß sich vorstellen, wie diese humanitäre Bereitschaft sich in der Praxis auswirkt. Da erwacht man beispielsweise um drei Uhr früh mit Schmerzen im Genick, und während man sich anklei­det, beruhigt man die aufgestörte Gattin: »Das alte Rheuma,

Liebling. Dieser verdammte Ventilator im Büro. Ich mach nur rasch einen Sprung zur schmiegsamen Lily. Schlaf ruhig wei­ter...«

Früher oder später erhebt sich die Frage, wie eine echte Mas­seuse klarstellen soll, daß sie wirklich massiert. Vielleicht durch ein Inserat des folgenden Wortlauts: »Frau Selma Fried­länder, Anfang 50, häßlich, Brillenträgerin, bietet Heilmassage ohne jede Überraschung.« Oder soll sie sich einen anderen Beruf suchen?

Man muß sich jedoch darüber klar sein, daß die Kunst der Massage schon am Anfang der Menschheitsgeschichte stand, daß schon Adam, sofort nachdem Eva seiner Rippe entsprun­gen war, sich auf die Suche nach einer Masseuse machte, um die schmerzhafte Entsprungstelle ihren lindernden Händen anzuvertrauen. Mit anderen Worten: Die Masseusen gehören zum ältesten Beruf der Welt, und es ist kein Wunder, daß sie sich gewerkschaftlich organisieren wollen.

Ich für meine Person habe allerdings nie verstanden, warum zwei erwachsene Menschen verschiedenen Geschlechts, wenn es sie drängt, von dieser Verschiedenheit Gebrauch zu ma­chen, für die dazu nötige Zeitdauer nicht in aller Form heiraten und sich nach einer oder zwei Stunden nicht scheiden lassen sollten. Wem entstünde dadurch ein Schaden? Unsere hypokri­tische Gesellschaft gestattet jeder Frau, die ihre Seele dem Teufel oder einer politischen Partei verkauft, den Käufer je nach Höhe des Angebots zu wechseln. Aber wenn sie ihren Körper verkaufen will, dann muß sie sich fürs ganze Leben binden.

Auch die Klassenfrage spielt da mit hinein. Wenn Fräulein Oberweite mit einem Mann im Bett liegt, macht sie sich der Heimprostitution schuldig. Wenn Jackie Onassis mit Gastritis ins Bett geht, macht sie Schlagzeilen. Madame Pompadour hat gar nicht gewußt, daß sie eine Masseuse war.

In jahrtausendelangem Kampf ist es dem Menschen ge­lungen, die Natur zu beherrschen - nur seine eigene nicht. Dem Trieb seiner Sinne, dem Drängen seiner Drüsen steht er machtlos gegenüber. Und was tut er infolgedessen? Er betätigt seine Macht im Punkt des schwächsten Widerstandes. Er sperrt die Masseusen ein. Fünfzig Prozent unserer Polizeikräf­te veranstalten Razzien auf liebeshungrige Männer, die ande­ren fünfzig Prozent jagen den Mädchen nach, die jenen Hun­ger zu stillen bereit sind. Zweifellos ist das eine besonders reizvolle Abwechslung im täglichen Trott der Dienststunden.

Aber warum sollen nur die Massagesalons für die Heuchelei unserer Gesellschaft büßen? Warum kontrolliert man nicht auch die Garagen und Werkstätten, die in der Rubrik »Auto-Service« auf Kundenfang gehen? Wer weiß, vielleicht verbirgt sich das Laster auch hinter so harmlosen Inseraten wie: »Las­sen Sie Ihren Wagen bei uns überholen! Sorgfältiger Service! Kulante Preise!«

Klingt das nicht verdächtig nach individueller Behandlung, privater Atmosphäre und diskreter Oberweite?

Ich werde der Sache demnächst auf den Grund gehen.  

Unterwegs mit der Familie

Was immer ich zum Thema »Massage« äußern könnte, ist rein akademisch, denn ich bin ein fanatischer Anhänger der Ehe - einer Institution, die auf Erden nicht ihresgleichen hat. Gewiß, man schuftet wie ein Sklave, aber man weiß, wofür. Man hat ein Heim, das von süßen Kinderstimmchen erfüllt ist, man vergeudet seine Zeit nicht mit leichtfertigen Weibern und trinkfreudigen Kumpanen - man hat, kurzum, nichts mehr mit jener armseligen Figur gemein, die man in früheren, glückli­cheren Junggesellentagen einmal war. Denn was, so frage ich, was ist die wahre Sehnsucht des Mannes? Er sehnt sich nach einer Frau, die des Lebens Bürde mit ihm teilt, die ihn versteht und stützt, der er von seinen Sorgen und Kümmernissen erzäh­len kann. Also heiratet er, und von da an hat er was zu erzäh­len.

Im vorliegenden Fall rühren die erwähnten Kümmernisse hauptsächlich von Autofahrten im Kreis der Familie her. Kaum bin ich zehn Meter gefahren, stößt die beste Ehefrau von allen ihren ersten schrillen Schrei aus:

»Rot! Rot!« Oder: »Ein Radfahrer! Gib auf den Radfah­reracht!«

Diese Begleittexte kommen immer paarweise: der erste mit einem Rufzeichen, der zweite im Sperrdruck. Früher einmal versuchte ich meiner Gattin beizubringen, daß ich seit meiner Kindheit einen Führerschein besitze und noch keines einzigen Vergehens gegen die Verkehrsordnung schuldig geworden bin, daß ich ebenso viele Augen habe wie sie, vielleicht sogar mehr, und daß ich sehr gut ohne ihren Sperrdruck auskommen kann. Seit einigen Jahren habe ich diesen Zuspruch aufgege­ben. Es hilft nichts. Genausogut könnte man den Arabern zu­reden, sich mit der Existenz Israels abzufinden. Sie hört mir einfach nicht zu. Sie ihrerseits hat schon elf Verkehrsstrafen bekommen, aber an denen bin ich schuld.