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Nein, keine Angst, es wird hier nicht von Diät und Kalorien die Rede sein. Es handelt sich um Gepäck, genauer: um die beklagenswerte Angewohnheit der internationalen Fluggesell­schaften, Passagiere, deren Gepäck mehr als 20 kg wiegt, mit schweren Geldstrafen zu belegen. Wo bleiben da die Men­schenrechte? Was unternehmen die Vereinigten Nationen ge­gen diese offene Diskriminierung? Ein feister Fahrgast mit einem Lebendgewicht von beispielsweise 115 kg und den zugelassenen 20 kg Gepäck kommt mit insgesamt 135 kg un­behindert durch die Kontrolle - der kleine Mann hingegen, der seine 70 persönlichen kg durch einen 25 kg wiegenden Koffer auf lächerliche 95 kg steigert, wird an Ort und Stelle bestraft. Nach meinen Erfahrungen ist das mitgenommene Gepäck immer schwerer als 20 kg. Beim Verlassen des Landes viel­leicht noch nicht - bei der Heimkehr um so sicherer. Ganz abgesehen vom neuen Regenmantel, den der Heimkehrer non­chalant überm Arm trägt, mit einem elektrischen Bügeleisen in der einen Manteltasche und einem japanischen Transistor in der anderen.

Seltsamerweise entsteht das Übergewicht völlig unabhängig von Elektrizität oder Japan. Selbst wenn man im Ausland nichts eingekauft hat, wiegt der Koffer um ein paar Kilo­gramm mehr als zuvor. Kenner behaupten, daß sich das spezi­fische Gewicht heimischer Erzeugnisse in der Fremde ändert. Andere machen die Atombombe dafür verantwortlich. Wie immer dem sei - der vom Übergewicht niedergedrückte Flug­gast steht jedesmal vor dem Problem, wie er der drohenden Bestrafung entrinnen könnte. Jedesmal versucht er unter den Damen an den Abfertigungsschaltern die freundlichste ausfin­dig zu machen, eine, aus deren Augen ihm eine Andeutung von Menschlichkeit entgegenschimmert - und in deren Stimme dann auch wirklich aufrichtiges Bedauern mitschwingt.

»Es tut mir leid, mein Herr - Sie haben fünfeinhalb Kilo Übergewicht. Bitte zahlen Sie am zweiten Schalter links.«

Worte vermögen den Haß, den man in solchen Augenblicken fühlt, nicht zu schildern. Was bildet sich diese Person eigent­lich ein? Nur weil auf dem Ticket steht, daß es verboten ist, mehr als 20 kg Handgepäck mitzunehmen? Es ist ja auch ver­boten, das Weib des Nächsten zu begehren, und niemand kümmert sich darum. Wo soll das hinführen?

Im gegebenen Fall führt es zum diensthabenden Manager der Fluggesellschaft, einem wohlerzogenen, glattrasierten Funk­tionär, der deiner gerechten Beschwerde höflich lauscht, dich persönlich in den Schalterraum zurückbegleitet und dir nach kurzem Gespräch mit der Abfertigungsbestie den Kompro­mißvorschlag macht, für die fünfeinhalb Kilo Übergewicht am zweiten Schalter links zu bezahlen.

Eines steht fest: Mit dieser Linie fliegst du nie wieder. Diese Luftwegelagerer sollen sich in acht nehmen. Man hört ja so allerlei über den Zustand ihrer Flugzeuge.

Pflege und Instandhaltung lassen zu wünschen übrig. Und die Betreuung der Fluggäste erst recht.

Um Mißverständnisse zu vermeiden: Es ist nicht die Zusatz­zahlung, die mich erbittert, es ist die Erniedrigung des Er­tapptwerdens. Die paar Shekel, die man zu zahlen hat, spielen wirklich keine Rolle. Das heißt, sie würden keine Rolle spie­len, wenn es wirklich nur ein paar Shekel wären. Aber in Wirklichkeit kostet jedes Kilogramm Übergewicht nicht weni­ger als 40 Shekel, und das summiert sich. Ein unbescholtener Vater, der aus der Diaspora in die alte Heimat zurückkehrt, bringt seinem darbenden Söhnchen ein Spielzeug mit - und die Furie am Schalter knöpft ihm dafür den Gegenwert von 640 Shekel ab, als ob Israel nicht sowieso von lauter Feinden um­geben wäre. Das zwingt den Israeli geradezu naturnotwendig zur Selbsthilfe. Er kauft also eine kleine Handtasche, in der er fünf Kokosnüsse als Wehzehrung unterbringt und das Fahrrad dazu. »Diese Handtasche, Fräulein? Nur Gebrauchsgegenstän­de für die Reise...« Aber in der gleichen Sekunde, in der du die Handtasche hochhebst - du darfst keine Anstrengung zeigen, es sind ja nur ein paar kleine Gebrauchsgegenstände drin, nicht wahr, Zahnbürste, Taschentücher, Kokosnüsse -, in der gleichen Sekunde wirft die röntgenäugige Dame einen Blick auf die Waage, die bereits etwas über 20 kg anzeigt, und säu­selt mit engelsgleichem Lächeln:

»Stellen Sie die Handtasche neben Ihren Koffer, mein Herr.«

Wie sich zeigt, wiegt die Handtasche mehr als der Koffer. Daran sind die beiden antiken Kerzenhalter schuld.

Es empfiehlt sich deshalb, die Handtasche in einer Ecke der Abfertigungshalle stehenzulassen, bevor man zum Check-in an den Schalter tritt. Auf allen Flughäfen der Welt wimmelt es von vorübergehend verwaisten Handtaschen.

Aber das Schlimmste kommt erst. Fräulein Röntgenauge händigt dir ein Spezialetikett mit Bindfaden ein, welches an deiner kontrollierten Handtasche zu befestigen ist; erst dann darfst du sie ins Flugzeug mitnehmen.

Erfahrene Übergewichtler begegnen diesem Sabotageakt durch die sogenannte Kästchenstrategie. Sie besteht darin, daß man in einem Garderobekästchen, wie es gegen geringes Münzentgelt auf jedem Flughafen gemietet werden kann, den Inhalt der Handtasche verstaut und mit der leeren Handtasche zum Schalter geht, wo man sie bereitwillig auf die Waage stellt und das unentbehrliche Etikett ausgefolgt bekommt. Zurück zum Kästchen - hinein mit dem Übergewicht in die Handtasche - hinaus mit der Handtasche zum Flugzeug -und das Leben ist wieder lebenswert.

Schwitzende Israelis, die in fieberhafter Eile den Inhalt eines Garderobekästchens in eine etikettbewehrte Handtasche stop­fen, gehören zu den Alltäglichkeiten des internationalen Flug­verkehrs. Die Umgangssprache im Garderobenraum ist das Hebräische. Und wenn sich eine Boeing nach dem Aufstieg leicht seitwärts neigt, weiß man sofort, daß auf dieser Seite die israelischen Fluggäste sitzen.

Um die Wahrheit zu sagen:

Es gibt nichts Schöneres als unbezahltes Übergewicht. Neue­re psychologische Forschungen haben ergeben, daß das Be­dürfnis, für Übergewicht nichts zu zahlen, sofort nach dem Geschlechtstrieb kommt. Jedenfalls ist es ein unvergleichli­ches Hochgefühl mit einer Handtasche im Gewicht von 32 unbezahlten kg ein Flugzeug zu besteigen. Was mich betrifft, so fliege ich überhaupt nur deshalb.  

Das Trinkgeld-Problem

Der Schreiber dieser Zeilen darf sich schmeicheln, alle Pro­bleme des Reisens, einschließlich verklemmter Reißverschlüs­se, gelöst zu haben - bis auf eines: wieviel Trinkgeld man ge­ben soll.

Das hat nichts mit Inflation, Rezession, Konjunktur und der­gleichen zu tun. Es ist ein rein psychologisches Phänomen. Wann und wo immer ich dem Boten einer Blumenhandlung oder der Garderobenhexe eines öffentlichen Lokals gegenü­berstehe, treten kleine, kalte Schweißperlen auf meine Stirne und ich fühle mich einer Ohnmacht nahe. Dabei weiß ich ganz genau, daß ich in meiner Not nicht allein bin, daß alle Men­schen von der Trinkgeldfrage bedrängt werden, seit jeher, seit Erschaffung der Welt, wahrscheinlich haben schon Adam und Eva der Schlange eine Kleinigkeit zugesteckt, zum Dank da­für, daß sie ihnen den richtigen Baum gezeigt hat... aber was hilft's. Jeder hergelaufene Kellner versetzt mich in Panik, wenn er, kaum daß ich mich über das Steak hermache, an mei­nem Tisch vorüberstreicht und mir zuflüstert: »Der Herr ist doch kein Amerikaner? Amerikaner sind nämlich sehr knaus­rig!« Nach solcherlei Andeutungen bin ich versucht, meine Brieftasche auf den Tisch zu legen und dem Kerl zu sagen, er möge sich doch bitte herausnehmen, was er für angemessen hält. Einmal, in einem Pariser Fischrestaurant, habe ich das wirklich getan. Ich mußte zu Fuß ins Hotel zurückkehren.