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»Leider ja.«

»Haben Sie die Absicht das Land zu verlassen? Für Emi­granten gibt es gewisse Ausnahmebestimmungen.«

»Ich bleibe.«

»Das ist eine schwierige Situation. Könnten Sie nicht mit dem Taxi nach Jerusalem fahren?«

»Nein. In diesen großen Wagen wird mir übel, weil sie so schaukeln.«

»Setzen Sie sich neben den Fahrer.«

»Das kann ich nicht riskieren. Im letzten Augenblick steigt eine schwangere Frau ein, der ich meinen Platz abtreten muß.«

»Kommen Sie morgen wieder«, sagte der Steuerfachmann. »Ich werde nachdenken.«

Damit war ich entlassen.

Am nächsten Tag empfing er mich mit der Mitteilung, daß es zwei Möglichkeiten gäbe.

»Die erste ist verhältnismäßig einfach. Ihre Frau erwirbt eine mit Verlust arbeitende Firma und fungiert als Ihr literarischer Agent.«

»Sehr gut. Es kann ja nicht schwer sein, eine solche Firma zu finden.«

»Gewiß nicht«, bestätigte Spielberger. »Aber Sie dürfen, das ist eine unerläßliche Bedingung, in keiner wie immer gearteten Form mit dieser Firma persönlich in Zusammenhang stehen, da Sie ja von ihr geschäftlich vertreten werden. Haben Sie Scheidungspläne?«

»Noch nicht.«

»Dann müssen wir uns nach etwas anderem umsehen. Die Firma Ihrer Frau wird das gesamte Honorar aus Jerusalem eintreiben und keine Steuer dafür zahlen, denn der Betrag dient dazu, das Debetsaldo der Firma zu verringern.«

»Eine glänzende Idee!«

»Warten Sie. Wenn das Geld aufs Firmenkonto verbucht wird, erhebt sich sie Frage, wie wir es wieder herausbe­kommen. Ihre Frau kann es nicht einfach als Gehalt abziehen, sonst müßte sie dafür Steuer zahlen.«

»Entsetzlich.«

»Es gibt einen Ausweg. Die Firma Ihrer Frau gründet eine Tochtergesellschaft im Namen Ihres Sohnes und schließt für Sie eine Lebensversicherung in Höhe des von Weintraub an Sie gezahlten Honorars ab. Wie Sie wissen, sind Lebensversi­cherungen steuerfrei.«

»Muß ich deshalb sterben?«

»Nicht unbedingt, obwohl es die ideale Lösung wäre. Es gibt eine bestimmte Art von Versicherungen, in Fachkreisen >der lebende Tote< genannt, die man nach drei Jahren kündigen kann, und dann bekommt man die Versicherungssumme in bar ausbezahlt.«

»Großartig!«

»Allerdings besteht die Gefahr, daß die Behörden diesen Versicherungsabschluß als Scheingeschäft ansehen. Deshalb sollten Sie als Nutznießer eine dritte Person namhaft machen, die weder zu Ihnen noch zu der Firma Ihrer Frau, noch zur Tochtergesellschaft Ihres Sohnes irgendeine Verbindung un­terhält. Haben Sie einen Freund, dem Sie vertrauen können?«

»Nein.«

»Dann bin ich bereit, als dritte Person aufzutreten. In einem zwischen uns beiden abzuschließenden Separatabkommen übernehme ich die Rolle einer Stiftung mit dem Zweck, die Versicherungssumme, die mir am Ende der dreijährigen Kün­digungsfrist ausbezahlt wird, Ihnen zur Verfügung zu stellen.«

»Sie sind ein Genie.«

»Nicht so eilig. Sie müssen die Summe voll versteuern.« »Was?!«

»Aber das läßt sich vermeiden, indem ich Sie auf der Basis einer Verleumdungsklage ausbezahle.«

»Ich verstehe nicht.«

»Es ist die einzige gesetzlich zulässige Möglichkeit zur Durchführung von Zahlungen zwischen zwei hier ansässigen Personen. Für Beträge, die Ihnen von einem ordentlichen Ge­richt als Wiedergutmachung einer wörtlichen oder tätlichen Ehrenbeleidigung zugesprochen werden, brauchen Sie keine Steuer zu zahlen.«

»Wieso nicht?«

»Solche Beträge gelten als Spesen.«

»Kennen Sie einen Präzedenzfall?«

»Aus meiner eigenen Praxis. Ich habe einem meiner Klienten auf diese Weise 1000 Shekel verschafft. Er brauchte nichts weiter zu tun, als sich von mir zwei Ohrfeigen geben zu las­sen. In Ihrem Fall wird bereits eine kleine Beschimpfung ge­nügen. Ich könnte Ihnen zum Beispiel höhnisch vorwerfen, daß Sie mit ungarischem Akzent sprechen.«

»Das ist keine Beschimpfung. Das ist die Wahrheit.«

»In drei Jahren haben Sie ihn vielleicht verloren.«

»Ich glaube nicht an Wunder.«

»Nun, wir werden schon etwas finden. Hauptsache, daß Sie mich auf Ehrenbeleidigung verklagen und daß die Ihnen zuge­sprochene Entschädigungssumme genau mit der Versiche­rungsprämie übereinstimmt, die von der Tochtergesellschaft Ihres Sohnes zu meinen Gunsten als Stiftung deponiert wird, und zwar in der gleichen Höhe, in der die Firma Ihrer Frau das von Weintraub gezahlte Honorar gegen ihr eigenes Verlust­konto verrechnet. Sind Sie mit dieser Prozedur einverstan­den?«

»Gerne. Aber Sie sagten etwas von einer zweiten Mög­lichkeit?«

»Die zweite Möglichkeit wäre, daß Sie keine Bestätigung ausstellen und der Steuer die 460 Shekel verschweigen.«

»Auf keinen Fall. Das kann zu Komplikationen führen.«  

Die Bürde des weißen Mannes

Wenn ich mir unser Steuersystem betrachte und all die übri­gen labyrinthischen Gesetze und Verordnungen, denen wir ausgesetzt sind, dann glaube ich immer, daß Franz Kafka sich unter uns sehr wohl gefühlt hätte. Seit unsere progressive Ein­kommenssteuer die 100%-Grenze überschritten hat, seit wir also unter bestimmten, leicht erhältlichen Voraussetzungen mehr Steuern zahlen müssen, als wir verdienen, hat der schwarze Geldmarkt eine noch nicht dagewesene Hochblüte erreicht. Ehrliches, weißes Geld ist kaum noch in Zirkulation, und wenn ein gesetzestreuer Bürger der Regierung tatsächlich alles zahlt, was sie von ihm verlangt, wird er von seiner Um­welt gemieden.

Des eingedenk sprach die beste Ehefrau von allen zu mir ei­nes Tage wie folgt: »Es ist Wahljahr. Geh und kauf uns ein Grundstück.«

Obwohl ich da keinen unmittelbaren Zusammenhang entdek­ken konnte, suchte ich gehorsam Herrn Nissim Zwanziger auf, den bestbekannten Grundstücksmakler.

»Guten Morgen«, sagte ich. »Ich möchte etwas kaufen.«

»Was?«

»Grundstücke, Häuser, Wohnungen, was immer.«

»Gerne«, sagte Herr Zwanziger. »Wieviel Geld haben Sie?«

Ich gab ihm die gewünschte Auskunft.

»Und wieviel davon ist schwarz?« fragte Herr Zwanziger.

Nicht ohne Selbstgefälligkeit ließ ich ihn wissen, daß kein Groschen meines Geldes schwarz sei. Herr Zwanziger wurde deutlicher: »Ich wollte wissen, wie­viel Sie unter dem Tisch verdient haben.«

»Ich habe alles auf dem Tisch verdient.«

»Das meine ich nicht«, erläuterte Herr Zwanziger, immer noch höflich. »Ich meine jenen Teil Ihrer Einkünfte, für den Sie keine Bestätigungen ausgestellt haben und von dem die

Regierung nichts weiß.«

»Die Regierung weiß alles. Ich habe meine Einkommens­steuer voll bezahlt.«

Jetzt lachte Herr Zwanziger schallend auf:

»Großartig! Ihr berühmter Humor! Wie Sie mir da ganz ruhig ins Gesicht sagen, daß Sie alle Ihre Steuern bezahlt haben... also das macht Ihnen niemand nach. Das ist einmalig. Ich freu mich schon drauf, es im Kaffeehaus zu erzählen.«

Und sein Lachen steigerte sich so gewaltig, daß ich Angst hatte, er würde ersticken.

»Na, schön«, sagte er, als er wieder zu Atem kam. »Wir hat­ten unseren Spaß, wie haben gelacht, und jetzt kommen wir zum Geschäft. Wieviel von Ihrem Geld ist schwarz?«

»Es ist alles weiß.«

Meine Beharrlichkeit schien ihm ein wenig auf die Nerven zu gehen: »Grundstücksgeschäfte sind eine Sache des Vertrauens. Ich verspreche Ihnen absolute Diskretion. Wieviel schwarzes Geld haben Sie!«

»Keinen Groschen.«

Jetzt wurde Herr Zwanziger wütend: »Wir sind unter uns«, brüllte er. »Niemand hört zu. Sie können völlig ungeniert sprechen.«

Ich blieb ungeniert stumm. Vielleicht bin ich ein jämmer­licher Feigling, aber ich habe tatsächlich meine sämtlichen Steuern bezahlt. Was war zu tun?