Er nickte dem Verteidigungsminister zu. Der Verteidigungsminister nickte dem Leiter des Einsatzkommandos zu. Den Rest kennt man aus den Zeitungsberichten, die im Wirbel der Ereignisse eine Kleinigkeit übergangen haben; sie hätten noch folgendes hinzufügen müssen:
»Nach erfolgreicher Beendigung seiner Mission auf dem Flughafen begab sich Ezechiel Schultheiss in das Spital zurück, wo er seine Verhandlungen mit den Bäckern fortsetzte.«
Lauter heldenhafte Retter
Eines Vormittags im Monat Mai besuchte das Ehepaar Geiger die Ausstellung moderner Skulpturen im Museum von Jerusalem. Frau Geigers Aufmerksamkeit fiel schon beim Eingang auf ein interessantes Objekt. Es war ein kleines, in eine schwarze Plastikhülle verpacktes Paket, mit einem Klebestreifen an der Wand befestigt und mit einer weißen, etwa 10m langen Schnur versehen, von deren Ende her sich ein Flämmchen auf das Paket zubewegte.
Frau Geiger wandte sich an Herrn Geiger und sagte:
»Was wird diesen modernen Künstlern als nächstes einfallen?« Ihr in Kunstfragen bewanderter Gatte antwortete: »Alles besser als ein kitschiger Sonnenuntergang.« Dann sah er im Ausstellungskatalog nach, suchte jedoch vergebens nach dem Namen des Objekts und beschloß, sich bei der Museumsleitung zu beschweren, weil sie 3 Pfund für ein paar wertlose Seiten einhob, in denen man nichts finden konnte.
Da niemand zur Entgegennahme seiner Beschwerde in Sicht war, beauftragte Geiger seinen siebenjährigen Sohn Arie, jemanden zu holen. Der Knabe weigerte sich, diesem Befehl nachzukommen und wurde geohrfeigt.
»Jetzt holst du mir sofort einen Museumsdiener«, schrie ihn sein Vater an. Arie entfernte sich schluchzend und fragte unterwegs einen Besucher, wo die Museumsdiener zu finden wären. »Die trinken wahrscheinlich Tee unten im Kiosk«, lautete die Auskunft.
Immer noch unter Tränen machte sich Arie auf den angegebenen Weg. Im Kiosk angelangt, erkundigte er sich beimKellner zunächst nach dem Örtchen fürs Pipi. Dort sah ein Polizist das schluchzende Kind und führte es zu den Eltern in die Ausstellungsräume zurück. Bei dieser Gelegenheit durchschnitt er die Zündschnur, deren Flämmchen jetzt bereits 20 cm vor dem Paket angelangt war.
Überflüssig zu sagen, daß die Geigers über Nacht zu Helden der Nation wurden, besonders der kleine Arie, der noch rechtzeitig Hilfe herbeigeholt hatte.
»Wir verdienen keinen Dank«, erklärte Herr Geiger auf einer am nächsten Tag abgehaltenen Pressekonferenz. »Wir haben unsere Pflicht getan, nichts weiter. Jeder andere Bürger würde an unserer Stelle ebenso gehandelt haben.«
Ein Gruppenbild, darstellend die Familie Geiger, den Polizisten und den Kellner, zierte die Titelseite sämtlicher Tageszeitungen.
»Das Kind zitterte und konnte kaum sprechen«, berichtete der Kellner. »Es war mir klar, daß ich sofort handeln mußte.«
Inzwischen erhob sich die Frage nach dem Unbekannten, der Klein-Arie mit unfehlbarer Sicherheit zum rettenden Kiosk gewiesen hatte. Die Presse nahm sich der Sache an, und schon am nächsten Tag stellte sich der Erfolg ein: Ein Klavierstimmer namens Schmuel Kaganski aus Rechovoth gab sich auf der Polizeistation als der Gesuchte zu erkennen:
»Ich war nicht ganz sicher, ob ich mit dem Kiosk das Richtige getroffen hätte. Aber ich sagte mir, daß unbedingt etwas geschehen muß, nicht wahr. Also schickte ich das Kind, ohne zu zögern...«
Aries Mutter stand noch unter dem Schock der dramatischen Ereignisse:
»Lieber Gott«, seufzte sie während des Festbanketts, das die Stadtverwaltung zu Ehren der Familie Geiger gab. »Wie gut, daß mein Bruder mich gerade an diesem Vormittag ins Museum geschickt hat!«
Frau Geigers Bruder, von Beruf Elektriker, gestand seinerseits, noch nie in einem Museum gewesen zu sein.
»Was mag mich veranlaßt haben, meine Schwester und meinen Schwager hinzuschicken?« äußerte er sich den Interviewern gegenüber. »Vielleicht war es mein Instinkt oder meine
Vaterlandsliebe. Vielleicht lag es auch nur daran, daß ich von einem mir befreundeten Sportjournalisten zwei Eintrittskarten geschenkt bekommen hatte...«
Der Sportjournalist Jankel Horowitz, Spender des schicksalhaften Geschenks, fand die Bekundungen öffentlicher Dankbarkeit völlig unangebracht:
»Der einzelne ist in einem solchen Fall nicht wichtig. Hauptsache, daß ich das Museum gerettet habe.«
Seit Erscheinen des Fotos, das ihn zusammen mit seiner Mutter und dem Bürgermeister zeigte, erfreut sich Jankel Horowitz größter Popularität.
Seine Mutter erhielt vom Bürgermeister ein Ehrendiplom in Anerkennung der Tatsache, daß sie einem solchen Sohn das Leben geschenkt hatte. Vater Horowitz, dem man einen gewissen Anteil an dieser Schenkung zubilligen muß, segnete die Demonstranten vom Balkon seines Wohnhauses:
»Allein aus diesem Grund«, sagte er mit bewegter Stimme, »allein um der Geburt meines Sohnes willen hat es sich gelohnt, daß ich vor vierzig Jahren geheiratet habe.«
Das fehlende Glied in der Kette ist der Rabbiner, der damals die Trauung vornahm. Die Nachforschungen sind im Gange.
Die Bombe für alle
Schulz hielt mich an der Ecke Arlosoroffstraße an:
»Nehmen Sie mich mit?« fragte er, »ich muß dringend zur Post...«
Ich ließ ihn einsteigen. Schulz war sehr aufgeregt. Ich fragte ihn, was los sei.
»Fragen Sie mich nicht! Mein Schwager hat mir aus Deutschland eine Atombombe geschickt.«
»Was?«
»Ja, entsetzlich, nicht war? Ich habe zwar in einer Zeitschrift gelesen, daß es in Deutschland ein Verfahren gibt, das es jedermann möglich macht, Atomwaffen einfach und billig herzustellen. Aber so etwas verschickt man doch nicht per Post!«
»Sehr merkwürdig, muß ich sagen.«
»Neuerdings sieht es so aus, daß sich tatsächlich der kleine Mann die Bombe leisten kann. Sehen Sie, was mein Schwager schreibt: >P. S.<, schreibt Friedrich da, >Ich habe auch eine kleine Überraschung für Dich. Per Luftpost geht heute eine Atombombe an Dich ab. Alles Gute!«
»Er übertreibt.«
»Friedrich war schon immer großzügig«, sagte Schulz, »aber was soll ich mit der Bombe anfangen?«
»Weiß ich auch nicht. Ich habe noch nie eine gehabt.«
»Josepha macht mich ganz verrückt. >Ich will keine Atombomben im Haus<, schrie sie mir nach, als ich das Haus verließ, >ich habe genug Ärger mit dem Kleinen!< Weiß Gott, sie hat recht. Ich sehe es selbst nicht gern, wenn Danny mit einer Atombombe spielt. Da könnte ich für nichts garantieren. Er nimmt nämlich alles auseinander, was ihm in die Finger kommt. - Und außerdem: Wo soll ich die Bombe aufbewahren? Im Kühlschrank vielleicht?«
»Ist sie groß, Ihre Bombe?«
»Keine Ahnung. Ich bin schließlich kein Fachmann. Ich wer de die Gebrauchsanweisung lesen. Jedenfalls hoffe ich, daß er nicht das größte Modell gekauft hat. Unser Kühlschrank ist nämlich sehr klein. Aber Josepha will sowieso einen neuen. Eines können Sie mir glauben, wenn Friedrich nicht so empfindlich wäre, würde ich ihm die Bombe sofort zurückschikken. Wer braucht schon eine Atombombe? Glauben Sie, ich darf sie ausprobieren?«
»Wenn Sie die richtigen Beziehungen haben...«
»Ich weiß nur, daß ich noch eine Menge Ärger kriegen werde. Sie wissen ja, wie unsere Nachbarn sind, die halten uns jetzt schon für eingebildet. Deshalb kann ich es Josepha nicht übelnehmen, wenn sie die Bombe loswerden will, >Verkauf sie doch<, sagte sie. Wären Sie vielleicht interessiert?«
»Nicht direkt.«
»Schon gut. Josepha meint, die Regierung würde sie uns gern abkaufen. Aber ich antwortete ihr: >Das wäre ein schönes Geschäft. Und soll ich meinem Schwager erzählen, wenn er uns besucht und fragt: Wo ist die Bombe, die ich euch geschickt habe? - Die habe ich verkauft, Friedrich.<?«