Anschließend traf mein Herr seine Anweisungen und verließ mit den Männern das Lager. Wir blieben allein zurück. Eta entfernte sich und holte Nadeln, eine kleine Schere und Faden. Die Änderung meines Kleides stand offenbar als erstes auf dem Programm. Den weniger wichtigen Aufgaben konnten wir uns später zuwenden.
Eta war eine geübte Schneiderin und leistete gute Arbeit. Als sie fertig war, betrachtete sie mich und ging um mich herum. Sie marschie rte los und holte aus der Höhle einen großen Spiegel, in dem ich mich betrachten konnte. Entsetzt starrte ich mein Spiegelbild an. Ich hatte mich noch nicht als Sklavin gesehen. Ich war zugleich schockiert und verblüfft. Ich konnte kaum glauben, daß ich das war! Wie schön dieses Mädchen aussah, eine reizende Sklavin! Sollte ich das sein? Ich blickte Eta an, die mir anerkennend zunickte. Mir wurde bang, ahnte ich doch, was Schönheit auf einer Welt wie Gor bedeuten mußte. Welcher Mann würde darauf verzichten, eine solche Schönheit mit Ketten oder einem Sklavenkragen an sich zu binden?
Ich trat näher vor den Spiegel, hob vorsichtig den Saum des Kleides und betrachtete das Brandzeichen. Die Stelle fühlte sich noch immer entzündet an, doch die Form zeichnete sich klar und deutlich ab. An meinem Schenkel schimmerte die Sklavenblume Dina. Kein Zweifel, das Geschöpf im Spiegel war eine goreanische Sklavin – sie trug ein Sklavenwams und das Sklavenbrandzeichen. Fehlte nur noch der Sklavenkragen, der vermutlich nicht mehr lange auf sich warten ließ. Ich hob das Kinn und stellte mir vor, wie das Metallband an meinem Hals aussehen würde. Ich hätte nichts dagegen gehabt, ein solches Band zu tragen, von dem ich mir einbildete, daß es doch sehr attraktiv aussehen würde. Erschaudernd machte ich mir klar, daß sich ein Mädchen nicht aussuchen kann, wessen Kragen sie trägt; diese Entscheidung obliegt allein dem Manne, er allein legt ihr den Kragen um.
Plötzlich schlug meine Stimmung um. Mir wurde klar, wie elend doch das Dasein einer Sklavin war. Ich mußte jedem beliebigen Mann gehören. Jedem, der mich erobern konnte oder meinen Preis bezahlen wollte. Vielleicht wechselte ich eines Tages sogar als Spielschuld den Besitzer. Ich war nichts als ein Besitzstück, hilflos und schön anzuschauen, ohne Einfluß darauf, wem ich gehören würde. Ich war ein ... Ding! Tränen schossen mir in die Augen. Mein Herr würde mich doch nicht verkaufen! Ich wollte mir größte Mühe geben, ihn zufriedenzustellen, ich wollte nicht auf dem Sklavenmarkt feilgeboten werden. Wie leid mir die Schönheit im Spiegel plötzlich tat. Aber welcher Mann würde so töricht sein, sie mit einem anderen zu teilen? Oder sie zu verkaufen? Ich wischte mir die Tränen aus den Augen.
In diesem Augenblick rief Eta meinen Namen.
Ich riß mich von meinen Gedanken los und eilte zu ihr.
Sie hatte sich niedergekniet, und ich nahm ihr gegenüber eine ähnliche Position ein. »La Kajira«, sagte Eta und deutete auf sich. »Tu Kajira«, fuhr sie fort und zeigte auf mic h.
»La Kajira«, sagte ich und deutete auf mich. »Tu Kajira«, fuhr ich fort und deutete auf sie. Ich bin eine Sklavin. Du bist eine Sklavin.
Eta lächelte und deutete auf ihr Brandzeichen. »Kanlara«, sagte sie und deutete auf meinen Schenkel. »Kan-lara Dina«, fuhr sie fort, und ich wiederholte die Worte.
»Kra-gen«, sagte sie und deutete auf ihr Halsband.
»Das ist ja dasselbe Wort wie bei uns!« rief ich. Sie verstand meinen Ausbruch nicht. Ich sollte noch aus anderen Beispielen erfahren, daß das Goreanische viele Worte enthält, die irdischen Sprachen entlehnt sind.
»Kragen!« sagte ich, und Eta runzelte die Stirn.
»Kra-gen«, wiederholte sie mit anderer Betonung und deutete wieder auf das Stahlband, das ihren Hals umschloß.
Dann zog sie an dem kurzen Kleid, das sie am Leib trug. »Ta-Teera«, erklärte sie. »Var Kra-gen?« fragte Eta, und ich deutete auf ihr Halsband. »Var Ta-Teera?« Ich wies auf mein kurzes Kleid. Eta schien sich zu freuen. Meine erste Goreanischstunde hatte begonnen.
Plötzlich fiel mir etwas ein. »Eta – var – var Bina?«
Eta blickte mich überrascht an.
Ich mußte an die beiden Männer denken, die mich auf der Ebene bedrängt hatten. »Var Bina? Var Bina, Kajira?« hatten sie immer wieder gefragt. Ich hatte ihre Worte nicht verstehen können, und sie hatten mich geschlagen. »Var Bina, Eta?« fragte ich jetzt.
Eta stand leichtfüßig auf und verschwand in der Höhle. Nach wenigen Sekunden kehrte sie zurück. In den Händen schwang sie mehrere Perlenketten, einfachen Modeschmuck aus kleinen gefärbten Holzkugeln.
Sie hielt die Halsbänder hoch. Mit dem Finger bewegte sie dann die winzigen farbigen Holzkugeln, die auf die Schnur gefädelt waren. »Da Bina«, sagte sie lä chelnd. Sie hob die Kette empor. »Bina«, wiederholte sie. Offenbar war ›Bina‹ das Wort für Perle oder Kugel oder eine Perlenkette. Dieser Schmuck war aber ziemlich wertlos.
Von Eta gefolgt, ging ich in die Höhle. Dort öffnete ich eine der Truhen, nahm Ketten mit Perlen, Goldanhängern und Rubinen heraus und hielt sie in die Höhe. »Bina?« fragte ich.
Eta lachte. »Bana«, erwiderte sie. »Ki Bina. Bana.« Aus einem anderen Kasten nahm Eta ein weiteres Halsband, das aus billigen Glaskugeln bestand, und deutete darauf. »Bina«, sagte sie. »Bina«. Bina waren offenbar wertlose Kugeln; ich sollte später erfahren, daß als ›Bina‹ Sklavenperlen bezeichnet wurden – wertlos, ein billiger Schmuck für Mädchen, die ihrem Herrn Untertan waren.
Eta und ich kehrten ins Freie zurück, um den Sprachunterricht fortzusetzen.
Obwohl ich nun wußte, was die Worte bedeuteten, verstand ich noch immer nicht, was auf der Ebene vor sich gegangen war. »Var Bina? Var Bina?« hatten die Männer gefragt. Die Bina, Sklavenperlen, waren den Fremden wichtiger gewesen als mein Leben. Nicht auf mich war es ihnen angekommen, sondern auf die Kugeln. Als sie dann begriffen, daß ich ihnen nicht weiterhelfen konnte, hatten sie Anstalten gemacht, mich umzubringen. Erschaudernd dachte ich daran, wie knapp ich dem Tode entronnen war – gerettet durch den Mann, dessen Sklavin ich je tzt war. Vielleicht hatten die Männer ein seltenes und wertvolles Schmuckstück bei mir vermutet. Weshalb aber hatten sie sich dann nach ›Bina‹ erkundigt, nach Schmuckkugeln, von denen ich inzwischen wußte, daß sie ganz wertlos waren. Ich verstand nicht, warum die beiden Männer so grimmig nach einem dermaßen trivialen Gegenstand gesucht hatten. Welche Bedeutung konnte eine billige Sklavenkette für sie haben? Weshalb sollte ich sie tragen? Und sollte ich die Perlenkette je gehabt haben, wohin war sie verschwunden? Wer könnte sie haben wollen? Ich begriff das alles nicht.
Eta nahm eine dicke Peitsche zur Hand, die in fünf weichen, breiten Riemen auslief. »Kurt«, sagte sie, und ich wich unwillkürlich zurück. »Kurt«, wiederholte ich. Dann hob sie einen Halskragen mit Ketten hoch, die in Arm- und Beinringen ausliefen. »Sirik«, sagte Eta. »Sirik«, wiederholte ich. Auf Kommando hatte ich die Ta-Teera ausgezogen und stand nun zwischen den Männern.
Der Krieger legte mir eine Schnur um den Leib und zog sie fest; daran baumelte eine ziemlich große Glocke. Weitere Glöckchen hingen an meinem Hals. Sie waren bei der geringsten Bewegung zu hören. Der Mann griff zu und fesselte mir die Hände auf dem Rücken. Wie konnte mein Herr das zulassen? Bedeutete es ihm gar nichts, daß er mir letzte Nacht die Jungfräulichkeit genommen hatte, daß er sich stundenlang an meinem Körper erfreuen konnte? War es ihm gleichgültig, daß er mich erobert hatte, daß ich mich ihm total hingegeben hatte? Ich versuchte einen Schritt in seine Richtung zu machen, doch der Krieger hielt mich fest. Gequält blickte ich meinen Herrn an. Er saß mit untergeschlagenen Beinen da und beachtete mich nicht. Eta hatte ihm gerade einen Kelch mit Paga gebracht. Liebte er mich nicht im geringsten? Wie konnte er das zulassen? Aus zusammengekniffenen Augen musterte er mich nun über den Rand des Gefäßes. »Tu mir das nicht an?« rief ich ihm hilflos zu. »Ich liebe dich doch!« Obwohl er die englische Sprache nicht beherrschte, mußte er doch meine Qual, meine Hilflosigkeit erkennen! Seine Augen verrieten mir jedoch, daß ihm als goreanischem Mann meine Leiden, meine Gefühle nichts bedeuteten. Ich war Sklavin. Er gab das Zeichen, und einer der Männer schob mir eine lichtundurchlässige Kapuze über den Kopf und band sie mir unter dem Kinn zu.