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Die beiden Plattformen, die von je zehn Mann getragen worden waren, lagen umgestürzt mitten im Lager; vermutlich waren sie so besser vor Tau und Regen geschützt. Unter einer befanden sich mehrere Kisten und Truhen, in denen ich die kostbare Mitgift der Braut vermutete. Vier Wagen waren neu zu dem Brautzug gestoßen. Sie schienen ebenfalls von jenen ochsenähnlichen Geschöpfen gezogen zu werden, die man Bosk nannte. Mehrere Bosk, an den Beinen gefesselt, grasten auf der anderen Seite des Lagers zwischen den Bäumen.

Eta hatte etwas getan, das sich eigentlich nicht gehörte – sie hatte die Gespräche der Männer belauscht und mir, als mein Goreanisch besser wurde, gewisse Informationen übermittelt.

Bei dem Zug handelte es sich um die Braut- und Mitgiftprozession von Lady Sabina aus der kleinen Handelsfeste von Saphronicus. Das Ziel war Ti, eine der Vier Städte von Saleria, Angehörige der Sale rischen Konföderation. Ti liegt am Olni, einem Zulauf des Vosk, nördlich von Tharna. Die Stadt Tharna, zuweilen auch Stadt des Silbers genannt, ist bekannt für den Reichtum ihrer Silberbergwerke. Sie steht unter der Herrschaft Laras, einer Tatrix; und doch ist die Stellung der Frau gerade in Tharna im Vergleich zu den vielen hundert bekannten goreanischen Städten besonders unsicher.

Ich betrachtete die vier neuen Wagen. Der fünfte Wagen, den ich schon vor einigen Tagen gesehen hatte, war inzwischen fast geleert; möglicherweise hatte es die Prozession nicht mehr weit bis zu ihrem Zieclass="underline" die Vorräte waren zusammengeschmolzen, und das Zeltbaumaterial war aufgestellt. Die anderen vier Wagen jedoch waren voll beladen und enthielten vorwiegend landwirtschaftliche Erzeugnisse und andere Waren.

Eta erzählte mir, daß Lady Sabina von ihrem Vater Kleomenes, einem hochmütigen, doch mächtigen neureichen Kaufmann aus der Handelsfeste von Saphronicus, an Thandar von Ti versprochen worden war, einem Angehörigen der Kriegerkaste, dem jüngsten der fünf Söhne Ebullius’ Gaius Cassius, Krieger und Administrator von Ti. Die Bedingungen dieser Heirat waren in einem zwischen Ebullius Gaius Cassius und Kleomenes geschlossenen Gefährtenvertrag festgelegt, der inzwischen durch die Siegel von Ti und der Festung von Saphronicus zum offiziellen Dokument erhoben worden war. Die einander versprochenen Gefährten – Lady Sabina aus der Festung von Saphronicus und Thandar von Ti aus den Vier Städten von Sale ria – hatten sich nach Etas Worten bisher noch nicht einmal gesehen; ihre Ehe war ausschließlich von den Vätern vereinbart worden, wie es auf Gor durchaus üblich ist. Die Angelegenheit war auf Anregung von Kleomenes zustandegekommen, der daran interessiert war, mit der Salerischen Konföderation eine politische und ökonomische Allianz einzugehen. Solche Bündnisse waren von Vorteil für die Salerische Konföderation und wurden durchaus begrüßt, konnten sie doch ein erster Schritt zu einer vollen Aufnahme der Festung von Saphronicus in die Konföderation sein, deren Macht im Norden immer größer wurde. Es erschien durchaus denkbar, daß die Ehe sich in letzter Konsequenz für die Festung von Saphronicus und die Salerische Konföderation als vorteilhaft erweisen mochte. Beide Seiten konnten davon profitieren. Der Gefährtenvertrag war also offiziell ausgehandelt worden, unter Hinzuziehung von Rechtsgelehrten beider Länder. Und nun war die Gefährtenreise angetreten worden – sicher nicht ohne Prüfung der himmlischen Gunst, die in der Regel aus dem Zustand der Leber eines geopferten Verr abgelesen wird, gedeutet durch Mitglieder der Kaste der Wissenden. Die eigentliche Reise, die über Land führte, dauerte mehrere Tage, wurde aber durch zeremonielle Besuche bei den vier zu der Festung von Saphronicus gehörigen Lehnsdörfern verlängert.

Es ist in der Regel so, daß die Dörfer in der Nähe goreanischer Städte ihr Vieh und ihre landwirtschaftlichen Produkte an die Städter liefern. Diese Dörfer sind der Stadt in den meisten Fällen nicht Untertan. Dennoch obliegt es vorwiegend der Stadt, diese Dörfer zu beschützen, ob sie nun den Treueeid geschworen haben oder nicht – ein Umstand, der zum Vorteil beider Seiten ist. Die Versorgung der Stadt ist nur solange gesichert, wie die Dörfer vor fremden Übergriffen geschützt werden. Daß die Festung von Saphronicus die benachbarten Dörfer voll in ihre politische Einflußsphäre einbezog und sogar einen gewissen Tribut eintrieb, ist auf Gor nicht ungewöhnlich, aber relativ selten. Die meisten Dörfer sind frei. Der goreanische Bauer ist ein entschlossener, halsstarriger Bursche, der stolz ist auf sein Land und seine Selbständigkeit. Außerdem versteht er sich meistens ausgezeichnet auf den Umgang mit dem goreanischen Langbogen, der eine vorzügliche Kampfwaffe darstellt. Wer den Langbogen zu spannen versteht, so lautet ein Bauernsprichwort, kann niemals Sklave sein. Jedenfalls war der Langbogen in den Dörfern der Festung von Saphronicus verboten.

Die Brautreise schloß die Dörfer der Festung von Saphronicus .mit ein, und in jedem Ort fand ein großes Fest statt, und jedes Dorf stiftete einen Wagen mit landwirtschaftlichen Produkten, die der Mitgift zugeschlagen werden sollten. Ich hatte vier solcher Wagen im Lager gesehen und wußte daher, daß die vier Lehnsdörfer besucht worden waren. Die Ladung war nicht sonderlich wertvoll, aber ein Symbol für die Bindung der Dörfer an die Festung von Saphronicus. Zugleich brachte der Besuch auf den Dörfern die Gele genheit, die bevorstehende Heirat bekannt zu machen und während des Fests die Reaktionen und die allgemeine Stimmung bei den Bauern zu prüfen. Waren sie zufrieden? Stand Ärger bevor? Mußte ein Dorfältester abgelöst oder ins Gefängnis geworfen werden? War es ratsam, eine der Bauerntöchter als Geisel in die Stadt zu entführen? Informationen über Unterdrückte sind wertvoll für die Unterdrücker.

Aus dem gestreiften Zelt in der Mitte des Lagers trat ein zweites Mädchen. Es bewegte sich mit gemessenen Schritten, solange es durch die Zeltöffnung noch zu sehen war. Dann aber warf es den Kopf zurück, schüttelte sein Haar aus und huschte wie ein weiblicher Sleen zu den Wagen. Ich hielt den Atem an. Die weiß gekleideten Mädchen, die Lady Sabina begleiteten, konnten nur Sklavinnen sein, aber offensichtlich von hohem Stande, was auch durch ihre vornehme Kleidung dokumentiert wurde. Sie waren Sklavenzofen der Lady Sabina, zweifellos ihr persönliches Eigentum. Ich fragte mich, wie lange dieses Mädchen schon die Berührung eines Mannes hatte entbehren müssen.

»Alles ruhig und friedlich!« rief einer der Wächter.

»Alles ruhig und friedlich!« wiederholten andere Wächter außerhalb des Lagers.

Ich blickte zum größten goreanischen Mond empor. Es war Vollmond.

Morgen sollte die Gruppe weiter nach Ti ziehen, vor deren Mauern in zwei Tagen eine Begrüßungsprozession warten würde. Jedenfalls war dies der Plan.

Ich spürte die Hand meines Herrn am Arm. Er griff nicht fest zu, doch ich wußte, daß ich seiner Macht unterlag.

Ich begriff meine Rolle bei den Ereignissen nicht, die sich hier abspielen sollten. Mir war nicht klar, warum mein Herr, seine Männer und ich dieses Lager beschlichen hatten und uns jetzt in der Nähe aufhielten.

Einen Mondmonat von heute, gerechnet nach dem größten Mond, sollte die Zeremonie der Gefährtenschaft zwischen Thandar aus Ti und Lady Sabina stattfinden. Natürlich hoffte ich, daß sie miteinander glücklich sein würden. Ich war zwar nur eine Sklavin, doch hielt ich mich nicht für weniger frei als Lady Sabina, deren Schönheit ökonomischer und politischer Macht geopfert wurde. Ich mochte halbnackt in der Ta-Teera einer Leibeigenen herumlaufen müssen, doch vermutete ich, daß sie trotz der Kostbarkeit ihrer Kleidung, trotz ihres Schmucks auf ihre Weise ebenso versklavt war wie ich. Dennoch tat sie mir nicht leid, hatte ich doch von Eta erfahren, daß sie ein hochmütiges Frauenzimmer war, das kühne Reden führte und seine Zofen grausam behandelte. So manche Kaufmannstochter erliegt ihrem Stolz, denn auch die Kaufleute neigen angesichts ihrer Macht zu Eitelkeit und Überheblichkeit und kämpfen – ob nun berechtigt oder nicht – für die Erhebung ihres Standes in den Rang einer hohen Kaste.