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Indiana winkte ein Taxi herbei und fuhr mit Joana ins nächstbeste Kaufhaus, wo er eine Bluse für sie erstand. Danach verfrachtete er das Mädchen wieder in dasselbe Taxi und nannte dem Fahrer die Adresse des Hotels, in dem Joana wohnte. Sie protestierte zwar und bestand darauf, ihn zu begleiten, aber Indiana blieb eisern. Der Zwischenfall von gestern abend und der von gerade hatten ihm eindeutig bewiesen, daß das hier kein Spaß war. Der Indio hätte keine Sekunde gezögert, ihn zu töten, wäre es nötig gewesen. Es reichte völlig, wenn sich einer von ihnen in Lebensgefahr begab.

Er versprach Joana, sie noch am gleichen Tag zu besuchen und ihr zu erzählen, was er herausgefunden hatte, wartete, bis das Taxi abgefahren war und winkte dann einen anderen Wagen herbei. Nicht einmal zehn Minuten später stieg er vor Josés Hotel wieder aus und beschied dem Fahrer, auf ihn zu warten.

Der Mann hinter der Theke blickte erstaunt auf, als Indiana zum zweiten Mal an diesem Tage auf ihn zukam.»Dr. Jones? Kann ich noch irgend etwas für Sie tun?«

Indiana nickte, sah sich sichernd nach recht und links um und fragte dann mit gesenkter Stimme:»Ist das Zimmer, in dem Se-ñor Perez und seine Frau gewohnt haben, schon saubergemacht worden?«

Verwirrt schüttelte der Mann den Kopf.»Noch nicht.«

«Das ist gut«, sagte Indiana und legte diesmal gleich zehn Dollar auf die Theke.»Wissen Sie, es wäre für mich sehr wichtig, wenn ich einmal einen Blick hineinwerfen dürfte.«

Der Mann steckte die zehn Dollar ein und starrte Indiana mit unbewegtem Gesicht an.»Das ist ein sehr ungewöhnlicher Wunsch, Dr. Jones. «Indiana schob ihm zehn weitere Dollar zu.»Ich weiß. Aber wissen Sie, Señor Perez und ich sind gute Freunde. Wir haben uns leider verpaßt, und ich weiß nicht, wohin er abgereist ist. Möglicherweise hat er irgendetwas zurückgelassen, was mir weiterhilft.«

Der Mann zögerte noch immer. Sein Blick streifte kurz und gierig die Tasche, aus der Indiana die beiden Zehndollarnoten herausgezogen hatte, und Indiana tat ihm den Gefallen, einen dritten Zehner zu zücken, den er allerdings in der Hand behielt.»Ich habe nicht vor, irgend etwas zu beschädigen oder mitzunehmen«, sagte er.»Sie können mich gern begleiten. Ich möchte mich einfach nur umsehen. «Einige wenige Sekunden lang schwankte der Ausdruck im Blick des Mannes noch zwischen Pflichtbewußtsein und Gier, aber zu Indianas Erleichterung gewann seine Gier die Oberhand. Er drehte sich um, nahm einen Zimmerschlüssel vom Haken und kam hinter seiner Theke hervor.

Sie fuhren mit dem Aufzug in die dritte Etage, wo der Portier sich abermals kurz und prüfend umsah, ehe er die Tür des Zimmers ganz am Ende des Korridors auf schloß und Indiana mit einer einladenden Geste an sich vorbeiließ. Indiana überreichte ihm den Zehndollarschein, und der Mann war taktvoll genug, ihn zu nehmen und zu erklären:»Ich lasse den Schlüssel von außen stecken. Schließen Sie bitte ab und bringen ihn mir zurück, sobald Sie fertig sind, Dr. Jones.«

Indiana schloß mit einem dankbaren Nicken die Tür hinter ihm und wandte sich dann um.

Das Hotelzimmer war überraschend groß und hell. Durch ein Fenster, das fast die gesamte Südseite einnahm, strömte helles Sonnenlicht herein. Die Möblierung war zwar sparsam, aber von auserlesenem Geschmack.

Und es war völlig leer.

Indiana kämpfte das Gefühl der Enttäuschung nieder, das ihn beim Anblick des vollkommen aufgeräumten Zimmers überkam, drehte sich einmal im Kreis und sah sich dabei aufmerksam um, ehe er das Zimmer sorgfältig zu durchsuchen begann.

Er öffnete jede Schublade, schob die Bettdecke zurück, schaute sogar unter das Bett und ging schließlich in das kleine Bad, um sich auch dort gründlich umzusehen.

Aber er fand nichts, und seine Enttäuschung wuchs. Perez schien entweder damit gerechnet zu haben, daß jemand das Zimmer gründlich durchsuchte, oder er war ein durch und durch ordentlicher Mensch — was eigentlich nicht zu dem José paßte, den Indiana kannte. Er fand nicht den winzigkleinsten Hinweis auf seinen Verbleib, keine Notiz, keinen Schmierzettel, kein vergessenes Stückchen Papier — nichts. Wenn nicht der Hotelportier gelogen hatte und das Zimmer schon aufgeräumt worden war, so mußte Perez jede noch so winzige Spur seiner Anwesenheit getilgt haben. Und das wiederum ließ darauf schließen, daß er einen Grund hatte, seine Spur zu verwischen. Einen sehr wichtigen Grund.

Aber vielleicht gab es doch etwas.

Indianas Blick fiel auf einen Notizblock, der auf einem der beiden Nachttische lag, und den Bleistift daneben. Auch auf dem anderen Nachttisch lag ein Notizblock aus feinem weißem Papier und ein Bleistift. Aber dieser Stift war spitzer. Offensichtlich war er nicht benutzt worden, der andere dagegen schon.

Plötzlich war Indiana aufgeregt, ging um das Bett herum und warf einen Blick auf den Notizblock. Das obere Blatt war offensichtlich beschrieben und abgerissen worden, aber wenn man ganz genau hinsah, konnte man die Abdrücke, die der Bleistift hinterlassen hatte, auf dem nächsten Blatt noch erkennen. Indiana grinste still in sich hinein. Wenn da nicht der alte Trick funktionierte, dachte er, den Conan Doyle schon weiland Sherlock Holmes hatte ausprobieren lassen, dann wollte er nicht mehr Indiana Jones heißen. Vielleicht hatte der ach-so-vorsichtige José nun doch einen Fehler gemacht.

Indiana streckte die Hand nach dem Bleistift aus, fuhr damit vorsichtig über das Blatt und beugte sich vor, und fast gleichzeitig schlug etwas klirrend durch die Fensterscheibe und sauste so dicht über seinen Nacken hinweg, daß er den Luftzug spüren konnte, ehe es mit einem dumpfen Klatschen in die Wand über dem Bett fuhr.

Indiana ließ sich instinktiv fallen.

Mit angehaltenem Atem wartete er darauf, daß irgend etwas geschah — ein zweites Geschoß auf ihn abgefeuert wurde oder jemand hereinkam oder sonst irgend etwas.

Aber alles blieb ruhig.

Trotzdem blieb er länger als eine Minute eng gegen den Boden gepreßt liegen und wagte es gerade, den Kopf zu heben, um das zerschossene Fenster zu betrachten.

Aus seinem Blickwinkel heraus konnte er nichts als den Himmel erkennen. Der Schuß mußte aus einem der gegenüberliegenden Häuser abgegeben worden sein. Von dort oder von einem Dach.

Indiana drehte vorsichtig den Kopf und besah sich das, was ihn beinahe getroffen hätte. Es war ein winziger, kaum fingerlanger Pfeil mit drei rot-grün gestreiften Federn an dem hinteren Ende. Er war nicht viel dicker als eine Stricknadel. Aber irgendwie sah er bösartig aus, fand Indiana.

Langsam kroch er um das Bett herum, arbeitete sich auf Knien und Ellbogen zum Fenster vor und zog sich vorsichtig an der darunter angebrachten Heizung in die Höhe. Er rechnete jeden Sekundenbruchteil damit, sich wieder in Deckung werfen zu müssen, aber auch jetzt geschah nichts.

Schließlich wagte er es, ganz behutsam den Kopf über seiner Deckung hervorzuheben und das gegenüberliegende Haus anzusehen.

Es war ein Hotel wie das, in dem er selbst sich befand. Die meisten großen Gebäude in dieser Straße waren Hotels oder Geschäftshäuser. Einige der Indiana zugewandten Fenster waren offen, aber dahinter war nichts zu erkennen. Wenn der heimtük-kische Schütze noch dort stand und auf ihn wartete, dann hatte er sich gut getarnt.

Indiana kroch zurück zum Nachttisch, hob vorsichtig die Hand und klaubte den Notizblock herunter. Dann arbeitete er sich Zentimeter für Zentimeter auf das Bett hoch, mit bis zum Zerreißen angespannten Nerven und jederzeit darauf gefaßt, sich schnell in Deckung zu werfen. Vorsichtig streckte er die Hand aus und zog den Pfeil aus der Wand.

Er war mit solcher Wucht in den Putz gefahren, daß Indiana ihn nicht völlig herausbekam und ihn schließlich abbrach. Wahrscheinlich ist es auch besser so, dachte er. Das Ding war mit Sicherheit vergiftet.