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«Wissen Sie, ich hatte ein wenig über den Durst getrunken und konnte mir seinen Namen einfach nicht merken. Aber er sagte, daß er in diesem Hotel wohne, und eigentlich müßten Sie ihn kennen, wenn ich ihn beschreibe. Er ist sehr groß, über zwei Meter schätze ich, und breitschultrig wie ein Preisboxer. Ich glaube, er war Mexikaner oder irgend so etwas.«

«Sie meinen Señor Guzman«, vermutete der Portier.»Ja, der wohnt tatsächlich seit ein paar Tagen hier. «Er drehte sich herum und warf einen Blick auf das Schlüsselbord hinter sich.»Er ist in seinem Zimmer. Wenn Sie es möchten, schicke ich einen Boy hinauf, der ihm das Geld bringt.«

Indiana winkte hastig ab.»Das ist nicht nötig«, sagte er.»Ich wollte mich ohnehin noch selbst bei ihm bedanken. Vielleicht sagen Sie mir einfach, in welchem Zimmer ich ihn finde, und ich gehe rasch hinauf.«

Seine Worte schienen nicht unbedingt auf Begeisterung zu stoßen, und im Blick des Portiers flackerte Mißtrauen auf. Indiana beeilte sich, hinzuzufügen:»Oder der Boy begleitet mich nach oben. Ist vielleicht sowieso besser, ehe ich mich in diesem Riesenhaus verlaufe.«

Der Portier zögerte noch immer, aber dann winkte er doch einen Jungen in einer beige-blauen Phantasieuniform herbei, und Augenblicke später trat Indiana zusammen mit ihm in den Aufzug, um in den fünften Stock hinaufzufahren.

Er gab dem Jungen ein Trinkgeld, woraufhin ihm dieser die Zimmernummer des Indios verriet und diskret zurückblieb, als der Aufzug anhielt und die Türen auseinanderglitten. Zu seiner Erleichterung war der Hotelflur leer. Hinter einigen Türen drangen gedämpfte Stimmen hervor, aber er sah niemanden, als er sich dem Zimmer mit der Nummer 538 näherte und vor der Tür stehenblieb. Einen Moment zögerte er noch. Höchstwahrscheinlich war der Indio sowieso nicht da. Er mußte gesehen haben, daß sein Anschlag mißlungen war, und hatte entweder die Flucht ergriffen — oder lag hier irgendwo auf der Lauer, weil er Indiana dabei beobachtet hatte, wie er das andere Hotel verließ und dieses hier betrat.

Er klopfte.

Niemand antwortete.

Er klopfte noch einmal, zählte in Gedanken bis fünf und drückte dann langsam die Klinke herunter.

Die Tür war nicht abgeschlossen. Indiana öffnete sie vorsichtig, überzeugte sich mit einem raschen Blick davon, daß niemand hinter der Tür stand und auf ihn lauerte, und schlüpfte dann hindurch.

Das Zimmer ähnelte dem Josés, war aber weitaus größer und komfortabler eingerichtet — und es war ebenso leer. Als hätte der Indio gewußt, daß Indiana hier auftauchen und nach Spuren suchen würde, und hätte ihm die Mühe ersparen wollen, standen sämtliche Schranktüren und Schubladen offen und gewährten ihm einen Blick auf leergeräumte Fächer und Bretter. Das Fenster stand offen, und als Indiana hinüberging, erkannte er, daß man von hier aus tatsächlich einen hervorragenden Blick auf das gegenüberliegende Hotel und Josés Zimmer hatte. Er konnte sogar das winzige Loch erkennen, das der Pfeil in der Scheibe hinterlassen hatte.

Er schauderte. Hätte er sich nicht durch einen reinen Zufall im richtigen Moment vorgebeugt, dann könnte man durch dieses Fenster jetzt mehr erkennen als ein leeres Zimmer: nämlich eines, auf dessen Bett eine zusammengesunkene, tote Gestalt mit blau angelaufenem Gesicht lag.

Er durchsuchte das Zimmer genauso gründlich wie das Josés. Aber das Ergebnis war noch magerer. Er fand auch hier in Schränken und Schubladen nichts, und der angebliche Señor Guzman war nicht einmal freundlich genug gewesen, ihm eine Notiz auf einem durchgedrückten Blatt Papier zu hinterlassen. Das Zimmer war so aufgeräumt, als wäre es nie bewohnt gewesen.

Enttäuscht verließ er es wieder und ging zum Aufzug zurück. Die Kabine war nicht da. Indiana drückte den roten Knopf und trat ein paar Schritte zurück, als der Lift wenige Augenblicke später heraufgefahren kam. Die Türen glitten auf. Indiana erwartete halbwegs, den Liftboy wiederzusehen, der ihn hinaufgebracht hatte, aber der Aufzug war leer. Er trat hinein, drückte den Knopf fürs Erdgeschoß und lehnte sich mit über der Brust verschränkten Armen gegen die Wand, als die Türen sich wieder schlossen und der Lift sich rasselnd in Bewegung setzte.

Indianas Blick glitt über die Leuchtanzeige über der Tür. Die gelbleuchtende 5 erlosch, machte der 4 Platz, dann der 3 — und dann kam der Aufzug mit einem so harten Ruck zwischen dem dritten und zweiten Stockwerk zum Stehen, daß Indiana um ein Haar von den Füßen gerissen worden wäre und erst im letzten Moment wieder an der Wand Halt fand.

Fluchend richtete er sich auf, sah sich einen Moment hilflos um und drückte dann mehrmals hintereinander den Knopf für das Erdgeschoß. Jedesmal erklang ein helles Klingelzeichen, aber das war auch alles: Der Lift rührte sich nicht.

Indiana fluchte ungehemmt vor sich hin. Das hatte ihm an diesem Tag wirklich noch gefehlt: in einem verdammten Lift stek-kenzubleiben und unter Umständen stundenlang zu warten, bis ein Mechaniker kam und ihn befreite!

Nun, zumindest brauchte er sich während der Wartezeit keine Sorgen zu machen. Plötzlich ertönte vom Dach der Liftkabine ein dumpfes Poltern, und nur Augenblicke später wurde direkt über Indianas Kopf eine getarnte Klappe geöffnet, und ein dunkles, von glänzendem blauschwarzem Haar umrahmtes Gesicht blickte zu ihm herein. Der Ausdruck darauf war nicht besonders freundlich …

Indiana ahnte die Bewegung mehr, als daß er sie wirklich sah. Ganz instinktiv ließ er sich zur Seite kippen, zog die Knie an den Körper und versuchte, mit einer Rolle wieder auf die Füße zu kommen, was in der Enge der Liftkabine allerdings schlecht möglich war. Aber immerhin brachte ihn die Bewegung aus der Flugbahn der kleinen Axt, die der Indio mit erstaunlicher Präzision nach ihm geschleudert hatte; und mit ebenso erstaunlicher Kraft, denn das Beil fuhr fast mit der ganzen Schneide ins Holz der Rückwand und blieb zitternd stecken.

Ein ärgerliches Knurren erklang, während Indiana noch versuchte, den Knoten aus seinen Beinen zu bekommen und sich wieder auf die Füße zu arbeiten. Es gelang ihm tatsächlich, aber noch bevor er sich herumdrehen konnte, erklang abermals ein dumpfes Poltern, und diesmal zitterte die gesamte Kabine unter riesigen Füßen. Als er seine Drehung vollendet hatte, blickte er genau auf den Adamsapfel des Indios, der sich zu ihm herabgeschwungen hatte, um mit bloßen Händen das zu vollenden, was er mit Blasrohr und Wurfaxt begonnen hatte.

Indiana duckte sich unter einem wahren Hagel von Schlägen und Hieben, die ihn einzig aus dem Grund nicht sofort niederstreckten, daß die Liftkabine einfach nicht groß genug für den Indio war, um mit seinen langen Armen richtig auszuholen. Trotzdem taumelte er gegen die Wand und mußte zwei, drei schwere Treffer an Brust und Gesicht hinnehmen, die ihm die Luft aus den Lungen trieben und nicht zum ersten Mal an diesem Tag bunte Sterne vor seinen Augen tanzen ließen. Hilflos hob er die Hände und versuchte, wenigstens sein Gesicht vor den ärgsten Schlägen zu schützen.

Der Indio packte ihn mit einem zornigen Knurren bei den Rockaufschlägen und riß ihn in die Höhe, so daß Indianas Füße plötzlich zwanzig Zentimeter über dem Boden pendelten. Dann holte er aus und schmetterte sein hilfloses Opfer mit aller Gewalt gegen die geschlossenen Aufzugtüren. Und Indiana mobilisierte sein letztes bißchen Kraft, um mit aller Gewalt das rechte Knie in die Höhe zu reißen und es dem Angreifer dorthin zu rammen, wo auch zweieinhalb Meter große Mayakrieger besonders empfindlich sind.

Die Augen des Indios wurden rund. Ein quietschender, fast komischer Ton kam über seine Lippen, und sein Gesicht verlor unter der Sonnenbräune jedes bißchen Farbe. Er taumelte, machte zwei, drei mühsame Schritte zurück — alles, ohne Indiana loszulassen —, prallte gegen die rückwärtige Kabinenwand und begann wie in Zeitlupe in die Knie zu brechen.

Indianas Füße berührten endlich wieder festen Boden. Mit einem heftigen Ruck sprengte er den Griff des Indios, riß seine Arme in die Höhe und ließ beide Hände flach auf die Ohren des Riesen klatschen.