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«Wir hatten vor«, berichtigte ihn Norten kalt,»mit einem der Beiboote nachts an Land zu gehen, und José wollte einen Wagen besorgen, der uns nach Piedras Negras bringt. Jedenfalls hat er uns das gesagt.«

«Ich bezweifle im Moment, daß er das noch tun wird«, sagte Indiana spöttisch.

«Das ist auch nicht nötig«, erwiderte Norten mit einer Spur von Ungeduld in der Stimme.»Joana und Sie waren freundlich genug, uns ein viel besseres Transportmittel zur Verfügung zu stellen.«

«Das Flugzeug?«entfuhr es Indiana überrascht.

«Warum nicht?«Norten zuckte mit den Achseln und tauschte einen fragenden Blick mit Bentley.»Es gibt genug Treibstoff an Bord dieses Schiffes, um die Tanks aufzufüllen.«

«Und wer soll es fliegen?«

Norten druckste einen Moment herum.»Ich dachte an Joana«, gestand er schließlich.»Aber so, wie die Dinge liegen …«

«Einer meiner Offiziere ist Hobbyflieger«, sagte Bentley.»Er wird es tun.«

«Kennt er sich auch mit Wasserflugzeugen aus?«fragte Indiana.

Bentley zuckte nur mit den Schultern.»Ich werde ihn fragen«, antwortete er.»Aber selbst, wenn nicht, der Unterschied wird wohl kaum so gewaltig sein.«

«Das ist doch alles völlig verrückt!«sagte Indiana kopfschüttelnd.

«Trotzdem werden Sie uns begleiten, Dr. Jones«, erwiderte Norten. Indiana blickte ihn böse an, aber Norten lächelte nur dünn.»Und ich bin sicher, daß Sie den Eingang zu diesem verborgenen Tempel finden werden.«

«So?«fragte Indiana.

Nortens Lächeln wurde noch eine Spur kälter.»Wenn schon nicht der Anhänger wegen, dann, um Joana aus der Gewalt dieses Verrückten zu befreien. Oder täusche ich mich?«

Indiana starrte ihn eine Sekunde lang voll kaum noch verhohlenem Haß an. Aber er sagte nichts von alledem, was ihm auf der Zunge lag, sondern zwang sich zu einem angedeuteten, abgehackten Nicken und fragte nur:»Wann brechen wir auf?«

Obwohl nichts im Moment so knapp war wie Zeit, mußten sie sich noch eine Stunde gedulden; der Schiffsoffizier, von dem Bentley gesprochen hatte, traute es sich zwar durchaus zu, die kleine Cessna zu fliegen, erbat sich aber eine gewisse Frist, um sich mit den Kontrollen des Flugzeugs vertraut zu machen.

Indiana nutzte diese Zwangspause, um noch einmal hinunterzugehen und mit Anita zu reden — genauer gesagt, er versuchte es.

Weder Bentley noch Norten hatten sich etwas Entsprechendes anmerken lassen, aber vor der Tür der Kabine stand ein bewaffneter Posten, der Indiana den Zutritt verwehrte und auch auf sein energisches Drängen hin nur sagte, er hätte Befehl, mit Ausnahme des Commanders und Professor Nortens niemanden in die Kabine hinein — und schon gar niemanden hinauszulassen.

Enttäuscht und wütend zugleich wandte sich Indiana um, um zu Bentley zurückzugehen, besann sich dann aber eines Besseren. Solange Josés Frau in ihrer Kabine eingeschlossen war, konnte er zumindest sichergehen, daß ihr nichts zustieß.

Statt seine Zeit mit einem Streit zu vergeuden, der höchstwahrscheinlich sowieso zu nichts anderem als eben zu diesem Streit führen würde, ging er in die Kabine, die Joana bewohnt hatte, und begann sie gründlich zu durchsuchen. Er rechnete sich keine allzu großen Chancen aus, den Anhänger zu finden. Und er fand ihn auch nicht.

Aber er fand zumindest die Kette, an der er befestigt gewesen war.

Indiana war ein wenig enttäuscht, schöpfte aber auch gleichzeitig neue Hoffnung. Josés Worte hatten ihm bewiesen, daß er keine Ahnung davon hatte, daß sich der letzte noch verbliebene Anhänger in Joanas (und somit bereits in seinem) Besitz befand, und die Tatsache, daß Joana das Schmuckstück von seiner Kette gelöst hatte, ließ Indiana zumindest vermuten, daß sie den kleinen goldenen Anhänger ganz besonders sorgsam versteckt hatte.

Er wog die dünne Kette einen Moment lang unschlüssig in der Hand, wollte sie dann schon in die Schublade zurücklegen, in der er sie gefunden hatte, und besah sie sich dann etwas genauer.

Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie filigran das winzige Kettchen gearbeitet war. Was auf den ersten Blick wie eine x-beliebige, vielleicht sechzig Zentimeter lange, schmucklose Kette aussah, das entpuppte sich bei genauerem — allerdings nur bei sehr genauem — Hinsehen als ein wahres Meisterwerk. Jedes einzelne Kettenglied war keine schmucklose Öse, sondern in Form einer winzigen Schlange gearbeitet, die sich selbst in den Schwanz beißt. Sogar die einzelnen Schuppen der winzigen Schlangenleiber waren zu erkennen.

Indiana betrachtete das Kettchen lange und sehr verwirrt. Er selbst hatte es mehr als drei Jahre lang um den Hals getragen, ohne daß ihm auch nur aufgefallen wäre, was diese Kette wirklich darstellte. Er fragte sich, ob alle anderen Ketten ebenso aufwendig gearbeitet waren. Und wenn, warum Greg sich solche Mühe damit gemacht hatte.

Aber natürlich fand er auf diese Frage im Moment ebensowenig eine Antwort wie auf alle anderen, die ihm durch den Kopf geisterten. Nach einer Weile steckte er das winzige Kettchen in die Jackentasche, verließ die Kabine wieder und ging an Deck hinauf, um zu sehen, wie weit der Pilot mit den Startvorbereitungen war.

Piedras Negras. Yucatan

Obwohl mehr als drei Jahre vergangen waren, hatte sich nichts in der Stadt verändert. Die Zeit schien hier stehengeblieben zu sein. Die Häuser rechts und links der schlammigen Straße waren noch immer klein und schmutzig, die vornehmlich weiß gekleideten Menschen mit den dunklen Gesichtern und breitkrempigen Sombreros blickten die hellhäutigen Gringos noch immer voller Mißtrauen und Furcht an, und selbst der Staub in den Gläsern, die der Besitzer der Cantina vor ihnen auf den Tisch gestellt hatte, schien noch derselbe zu sein wie vor drei Jahren.

Es war ein sonderbares Gefühl, hierher zurückzukehren — und nicht nur, weil dies der Ort war, von dem aus Greg und er zu ihrer letzten Expedition aufgebrochen waren. Wie schon damals, so hatte er auch jetzt kein gutes Gefühl. Sie waren Fremde hier, und sie waren Fremde, die nicht erwünscht waren. Niemand hatte es gesagt, niemand ließ es sie spüren, und doch fühlte Indiana es überdeutlich. Sie sollten nicht hier sein. Schon Greg und er hätten nicht herkommen sollen, und Norten und Bentley und er erst recht nicht.

Nortens Rückkehr riß ihn aus seinen düsteren Überlegungen in die Wirklichkeit zurück. Sie waren vor zwei Stunden hier angekommen — er selbst, Professor Norten und Bentley, der Offizier, von dem er gesprochen hatte, sowie zwei breitschultrige Marinesoldaten, an deren Loyalität Bentley gegenüber Indiana nicht den Bruchteil einer Sekunde zweifelte.

Obwohl Indiana dagegen Einspruch erhoben hatte, hatten Bent-ley und auch Norten darauf bestanden, daß Anita an Bord der SARATOGA zurückblieb; eingeschlossen in ihre Kabine und bewacht von zwei bewaffneten Matrosen.

Und wahrscheinlich hatte Bentley auch entsprechende Befehle gegeben, was mit ihr zu geschehen hatte, sollten er und die anderen nicht zurückkehren.

Norten hatte sie hier in diesem schmuddeligen Lokal im Stadtzentrum von Piedras Negras zurückgelassen, um gewisse Erkundigungen einzuziehen, wie er es ausgedrückt hatte. Welcher Art diese Erkundigungen waren, hatte er nicht gesagt — aber dem Ausdruck seines Gesichts nach zu schließen, war das Ergebnis alles andere als zufriedenstellend ausgefallen.

Norten kam an ihren Tisch, gab dem Mann hinter der Theke einen Wink und ließ sich schwer auf einen der wackeligen Stühle fallen, der unter der groben Behandlung protestierend ächzte. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß. Auf dem Rücken und unter den Achseln seines weißen Leinenanzugs hatten sich dunkle Flecken gebildet, und in seinen Augen stand ein Ausdruck tiefer Erschöpfung. Nichts davon überraschte Indiana. Selbst hier drinnen war es so warm, daß sie alle in Schweiß gebadet waren; draußen war es schlichtweg unerträglich.

«Nun?«Indiana wandte sich fragend an Norten.