«Jones!«Nortens Stimme drang nur gedämpft über den Motorenlärm in die Kabine.»Sind Sie wahnsinnig?«
Indiana schob den Gashebel um ein winziges Stückchen weiter nach vorne und blickte gleichzeitig zum Ufer: Norten war bis zu den Knien ins Wasser gewatet, wagte aber nicht weiterzugehen. Er gestikulierte wild mit beiden Armen.»Kommen Sie zurück!«schrie er.»Sie bringen sich um!«
In diesem Punkt waren Indiana und er ausnahmsweise sogar der gleichen Meinung — aber Indiana war nicht besonders überzeugt davon, daß er wesentlich länger leben würde, falls er den Motor jetzt abstellte und zum Ufer zurückfuhr und damit Norten und seinem Begleiter in die Hände fiel.
«Wo ist der andere?«fragte er, während er den Steuerknüppel mit aller Kraft festhielt und versuchte, den Propeller des Flugzeuges auf die Flußmitte auszurichten.
«Welcher andere?«fragte Anita.
Vom Dach des Flugzeugs erscholl ein dumpfes Poltern und dann das Geräusch schwerer, hämmernder Schritte, unter der die dünne Holzkonstruktion der Maschine hörbar ächzte.
«Der«, sagte Indiana düster.
Das Poltern kam näher und befand sich jetzt genau über der Kabine. Indiana sah eine verzerrte Spiegelung auf dem Wasser vor dem Flugzeug, streckte die Hand nach dem Gashebel aus und schob ihn mit einem Ruck ein Stück nach vorn. Den Bruchteil einer Sekunde später ging ein zweiter, sehr viel heftigerer Ruck durch den Flugzeugleib, und aus dem Geräusch von Schritten wurde der dumpfe Aufprall eines schweren Körpers, dem fast unmittelbar darauf ein wütender Schlag folgte.
Aber das Klatschen eines Körpers, der aus drei Metern Höhe ins Wasser fällt, dieses Geräusch, auf das Indiana sehnlichst wartete, kam nicht. Statt dessen erscholl über ihm plötzlich ein splitternder Laut, und als er erschrocken den Kopf hob und nach oben blickte, sah er eine gewaltige, geballte Faust, die das dünne Sperrholz des Kabinendaches glatt durchschlagen hatte.
Anita schrie erschrocken auf, während Indiana noch mehr Gas gab und gleichzeitig den Kopf einzog, denn in dem gewaltsam in das Dach gebrochenen Loch erschien nun ein wutverzerrtes Gesicht, und die Hand hörte auf, nur ziellos hin und her zu fahren, sondern versuchte statt dessen, nach seinem Haar zu grabschen. Nur eine Sekunde später erscholl das splitternde Geräusch ein zweites Mal, und auch die zweite Hand des Soldaten fuhr durch das Kabinendach herunter und tastete nach Indianas Gesicht.
Der beugte sich vor wie ein Rennfahrer über den Lenker seines Motorrades, schrie Anita zu, ebenfalls den Kopf einzuziehen, und schob den Gashebel bis zum Anschlag nach vorne. Der Motor der Cessna brüllte auf, und hinter den beiden Schwimmkufen erschienen kleine, schäumende Bugwellen, als das Flugzeug immer schneller und schneller wurde und auf die Flußmitte hinausschoß. Der Mann auf dem Dach der Maschine schrie vor Schrecken, hörte aber nicht auf, wie wild nach Indiana zu greifen und hämmerte nun auch mit den Füßen auf das Kabinendach ein. Indiana fragte sich, wie lange die Maschine diese grobe Belastung noch aushaken würde.
Als wäre dieser Gedanke ein Stichwort, erscholl das splitternde Geräusch zum dritten Mal, und im Dach des Flugzeuges erschien ein drittes, ausgezacktes Loch, durch das sich ein gewaltiger Militärstiefel schob. Das ganze Flugzeug schien zu stöhnen, und Indiana hatte das Gefühl, er könne es unter seinen Händen auseinanderbrechen spüren.
Er vergaß alles, was er Anita erzählt und selbst gedacht hatte, und zog den Steuerknüppel langsam zu sich heran. Die Cessna zitterte, hob sich eine Handspanne weit aus dem Wasser und fiel mit einem furchtbaren Schlag wieder zurück.
Plötzlich schrie Anita spitz und erschrocken auf, und als Indiana aufsah und nach vorne blickte, konnte auch er nur noch mit Mühe einen Schrei unterdrücken. Weniger als eine Meile vor ihnen machte der Fluß einen scharfen Knick. Das Flußbett bog beinahe im rechten Winkel ab — und es war entschieden zu schmal, als daß Indiana hoffen konnte, das Flugzeug nicht direkt in die Uferböschung zu rammen. Nicht bei der hohen Geschwindigkeit, die die Maschine mittlerweile erreicht hatte.
Er schloß die Augen, schickte ein Stoßgebet zum Himmel und zog den Steuerknüppel ein zweites Mal sehr viel entschlossener zu sich heran. Wieder zitterte und ächzte die Cessna, als wolle sie auseinanderbrechen, aber dann spürte er, wie sich das Flugzeug langsam vom Wasser hob, und diesmal sackte es nicht wieder zurück. Langsam, quälend langsam hob sich die Nase der Cessna, und ebenso quälend langsam begann der Dschungel am Flußufer unter ihnen in die Tiefe zu sacken.
Vom Dach des Flugzeuges drang ein schriller, entsetzter Schrei zu ihnen herab. Indiana zog die Nase des Flugzeuges behutsam noch ein wenig höher und schloß erschrocken die Augen, als der Waldrand ihnen regelrecht entgegenzuspringen schien. Irgend etwas fuhr mit einem häßlichen Schrammen über die Unterseite der Maschine; die Cessna bockte und schüttelte sich wie ein störrisches Pferd, und das Schreien auf dem Dach steigerte sich zu einem hysterischen Kreischen. So dicht, daß einige Äste gegen die Kabinenscheibe klatschten, raste die Cessna über die Wipfel des Waldes hinweg und legte sich in eine sanfte Linkskurve, als Indiana behutsam am Steuer drehte.
Der unerwünschte Passagier auf dem Dach hörte auf, wie am Spieß zu schreien, und verwandte seine Kräfte lieber darauf, mit aller Gewalt auf das Flugzeug einzuschlagen. Die dünnen Sparren ächzten und knirschten unter der groben Behandlung, und im Sperrholzdach über Indiana klaffte plötzlich ein weiterer Riß. Er duckte sich instinktiv, als die Hand des Mannes sein Gesicht nur um Zentimeter verfehlte und ihm den Hut vom Kopf fegte.
Durch diese plötzliche Bewegung des Piloten geriet die Maschine ins Trudeln. Auch Anita schrie erschrocken auf, als sich die Cessna in eine Linkskurve legte und fast im Sturzflug wieder auf den Fluß hinabstieß. Indiana zerrte verzweifelt am Steuer, aber das Flugzeug schien ihm endgültig die Freundschaft gekündigt zu haben und raste nur in einem noch steileren Winkel dem Fluß entgegen.
Der Mann auf dem Dach begann wieder zu brüllen und warf sich wie von Sinnen hin und her. Seine Fäuste fuhren ziellos durch die Kabine, und diesmal kam Indianas Bewegung den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Die riesige Hand des Soldaten klatschte in sein Gesicht und warf ihn in den Sitz zurück, und Indiana klammerte sich automatisch an dem einzigen Halt fest, den er fand: dem Steuer.
Das Wasserflugzeug reagierte höchst unwillig auf diese grobe Behandlung, wenn auch so, wie Flugzeuge vielleicht im allgemeinen reagieren, wenn man an ihrem Steuer kurbelt wie an einem verklemmten Wasserhahn: Es schlug einen Salto. Indiana schrie erschrocken auf, als der Himmel plötzlich unter ihnen war und der Fluß über ihnen, und der Mann auf dem Dach schrie noch erschrockener und klammerte sich mit aller Gewalt an den Rändern der Löcher fest, die er in die Kabine geschlagen hatte.
Eine halbe Sekunde später war er verschwunden, zusammen mit dem größten Teil des Kabinendaches.
Himmel und Erde vollendeten ihre Drehung vor dem Kabinenfenster, und wie durch ein Wunder — vielleicht auch durch pures Glück — gelang es Indiana, die Maschine noch einmal in seine Gewalt zu bringen. Das Flugzeug trudelte immer noch wild hin und her, drohte jetzt aber nicht mehr abzustürzen oder sich in einen völlig außer Kontrolle geratenen Kreisel zu verwandeln, und eine Sekunde, bevor er die Nase des Wasserflugzeuges wieder in die Höhe zwang, sah Indiana tief unter sich im Fluß eine gewaltige Wassersäule hochspritzen.
Fast eine Minute lang saß Anita völlig erstarrt neben ihm auf dem Sitz und wagte nicht einmal zu atmen. Dann schluckte sie laut und sehr hörbar, drehte ihm ganz langsam das Gesicht zu und starrte ihn aus ungläubig aufgerissenen Augen an.