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«Das wird sich zeigen«, antwortete Norten. Noch immer lächelnd griff er in die Jackentasche, zog ohne Hast einen kurzläufigen Revolver hervor und schoß José aus allernächster Nähe in den Kopf.

Joana schlug erschrocken die Hand vor den Mund, und aus dem Heer der Maya-Krieger erscholl ein hundertstimmiger, entsetzter Aufschrei. Doch ehe auch nur einer der Krieger seine Waffe auf Norten richten konnte, trat dieser mit einer blitzschnellen Bewegung zurück und riß beide Arme in die Höhe, und etwas — Unheimliches geschah.

Norten sagte kein Wort, trotzdem konnte Indiana die zwingende, hypnotische Macht fühlen, die plötzlich von ihm ausging. Seine Augen schienen zu leuchten, als wären sie von der gleichen lodernden Glut erfüllt wie das Herz des Vulkans unter ihnen, und etwas wie eine unsichtbare Aura knisternder Macht umgab ihn. Sekundenlang stand er einfach so da, reglos, mit hoch erhobenen Armen, in einer beschwörenden Haltung, und dann konnte Indiana ahnen, wie die Indios hinter ihm einer nach dem anderen ihre Waffen wieder senkten.

«Der Verräter ist tot!«rief er.»Dieser Mann hat euch belogen! Er war nicht Mossadera. Auch ich bin es nicht, aber ich kann tun, was er niemals vollbracht hätte. Ich werde euren Gott wieder zum Leben erwecken, und ihr werdet mächtig und stark sein wie einst.«

Und obwohl Indiana sicher war, daß die allermeisten der Maya hinter ihm die Worte nicht einmal verstanden, taten sie doch ihre Wirkung. Einer nach dem anderen sank auf die Knie, bis alle demütig das Haupt senkten.

Langsam ließ Norten die Arme wieder sinken. In seinen Augen loderte noch immer dieses unheimliche, wahnsinnige Feuer, als er sich an Indiana wandte.»Und Sie, Dr. Jones«, sagte er,»werden das einmalige Schauspiel erleben, das Erwachen eines wirklichen Gottes mitanzusehen. «Er kicherte.»Ist das nicht der Traum eines jeden Wissenschaftlers?«

«Sie … Sie sind ja verrückt«, flüsterte Indiana erschüttert.

Norten sprach weiter, als hätte er die letzten Worte gar nicht gehört.»Ich fürchte, Sie werden dieses Schauspiel nicht überleben, Dr. Jones«, sagte er.»Aber für einen wirklichen Mann der Wissenschaft, wie Sie es sind, dürfte dieser Preis nicht zu hoch sein.«

Wieder sah er auf die Uhr. Dann hob er die Hand und gab den Männern am Kraterrand einen Wink. Die drei Maya-Krieger, Anita und Bentley und einer seiner Begleiter bewegten sich über den schmalen Felsgrat auf sie zu. Die beiden Männer mit den Maschinenpistolen blieben, wo sie waren. Auch ihre Waffen blieben drohend auf das Maya-Heer gerichtet, wie Indiana registrierte.

Die Zeit schien stillzustehen. Norten hatte von fünf Minuten gesprochen, und wenn er die Wahrheit gesagt hatte, dann mußte diese Frist jetzt so gut wie abgelaufen sein. Noch wenige Sekunden, dachte Indiana — und etwas Unvorstellbares würde geschehen. Auf dem Altar lagen jetzt alle dreizehn Amulette, und das bedeutete, daß das richtige, das magische Amulett, in dem Quet-zalcoatls ganze düstere Macht gefangen war, sich darunter befinden mußte. Wenn kein Wunder geschah, dann würde nichts mehr das Erwachen dieses finsteren, urzeitlichen Gottes verhindern können.

Während seine Begleiter langsam durch das Heer der knienden Maya näher kamen, drehte sich Norten wieder zum Altar herum und hob abermals die Hände. Seine Lippen begannen düstere, unverständliche Worte in einer längst untergegangenen Sprache zu murmeln, und gleichzeitig vollführten seine Hände die gleichen, unheimlichen, schlängelnden Bewegungen wie Josés vorhin. Einige Sekunden lang stand er so da, dann senkte er die Arme wieder, trat zurück und ging den drei riesigen Maya entgegen, die Anita zwischen sich führten. Auf einen befehlenden Wink hin reichte ihm einer der Männer ein in Segeltuch eingeschlagenes Päckchen.

Und im selben Moment, in dem Indiana es wiedererkannte, begriff er die volle Wahrheit. Er hatte dieses Paket schon einmal gesehen, und das war noch nicht einmal lange her. Er wußte, was es enthielt, noch bevor Norten es öffnete und den grünen Federmantel und den dazu passenden Federkopfschmuck hervorzog und überstreifte.

«Sie?«flüsterte er fassungslos, als Norten sich wieder herumwandte und mit einem Lächeln auf ihn zutrat.

Norten nickte.»Ja. Ich gebe zu, Sie haben mir einen gehörigen Schrecken eingejagt, als ich Sie an Bord des Schiffes in meiner Kabine überraschte.«

«Ich Idiot«, flüsterte Indiana.»Es … es war gar nicht Josés Kabine. Es war Ihre!«

Norten lächelte amüsiert und schwieg.

«Sie waren der Mann, den ich gesehen habe«, fuhr Indiana fort.»Nicht José. «Er deutete auf die hünenhaften Maya-Drillinge.»Und Sie haben diese Männer geschickt, um Joana und mich umzubringen.«

«Nicht umzubringen«, antwortete Norten kopfschüttelnd.»Sie sollten die Anhänger holen, das war alles. Aber das ist heutzutage das Problem mit Bediensteten — sie tun nicht immer, was man ihnen sagt. «Er seufzte spöttisch.»Es ist schwer, gutes Personal zu finden.«

Einen Moment lang wartete er vergeblich darauf, daß Indiana antwortete, dann ging er wieder zum Altar zurück und hob abermals die Hände. Wieder begann er mit diesen schlängelnden, beschwörenden Bewegungen, und wieder flüsterten seine Lippen diese düsteren Worte in einer Sprache, die Indiana nicht verstand, die aber irgend etwas in ihm zum Erstaunen brachte. Und diesmal nahm der Chor der Maya-Krieger die Worte auf, sprach sie nach und wiederholte sie, lauter und immer lauter werdend und dabei in einen unrhythmischen, an- und abschwellenden Gesang verfallend, der aus Worten eine Beschwörung, aus Lauten einen Schlüssel machte, der das Tor in die Vergangenheit, in eine düstere Epoche finsterer Götter öffnete.

Indiana spürte, daß etwas geschah, schon eine Sekunde, bevor es geschah. Es war nichts Sichtbares. Etwas … schien sich zu regen. Es war, als glitte die ganze Welt ein winziges Stückchen weiter in die Richtung, in der die Schatten und die Alpträume wohnen. Das bange Gefühl in Indiana wurde zu einem lautlosen, gellenden Schrei, und er sah aus den Augenwinkeln, wie sich auch Joana neben ihm krümmte, war aber nicht fähig, den Blick von Nortens hoch aufgerichteter Gestalt vor dem schwarzen Altar zu wenden.

Der Boden unter ihren Füßen begann zu zittern. Ein dumpfes, unheimliches Grollen drang aus der Oberfläche des Lava-Sees unter ihnen, und es wurde spürbar wärmer. Das rote Licht aus der Tiefe nahm an Intensität zu, und der Gesang der Maya-Krieger wurde lauter, hektischer, zwingender.

Die Oberfläche des Lava-Sees begann Blasen zu werfen. Zischende Linien aus weißem Feuer zuckten in der roten Glut, Flammen erhoben sich brüllend fast bis an den Rand des Felsenkreises, und plötzlich glaubte Indiana etwas wie einen gewaltigen, sich windenden Körper zu sehen, etwas wie eine Schlange aus purer Glut, die inmitten des flüssigen Gesteins schwamm.

Nortens Oberkörper begann sich hin- und herzuwiegen. Seine Stimme wurde lauter, die Worte, die er hervorstieß, waren jetzt Schreie, unverständliche, kehlige Laute, die keiner von Menschen oder für Menschen gemachten Sprache entstammten, sondern älter waren, unendlich älter. Indiana sah, wie Bentley und sein Begleiter immer nervöser wurden, während sich auf den Gesichtern der drei riesigen Maya ein Ausdruck von Verzückung breitmachte.»Jetzt«, flüsterte er, so leise, daß nur Joana es verstehen konnte.»Wenn wir eine Chance haben, dann jetzt.«

Das Mädchen nickte fast unmerklich, und Indiana spannte alle Muskeln, um den Griff des Maya hinter ihm zu sprengen. Aber er kam nicht dazu.

Ein dumpfer Schlag erschütterte die Höhle. Das Felsplateau wankte, die schmalen Stränge aus Lava und Stein, die es hielten, knirschten hörbar, Steine brachen von der Decke und stürzten in die Tiefe, um in der auflodernden Lava zu versinken — und plötzlich bäumte sich etwas Ungeheuerliches, Weiß-glühendes aus der kochenden Gesteinsmasse empor!

QUETZALCOATL!