Ein gellender Schrei aus Hunderten von Kehlen ließ die Höhle erbeben, als sich Quetzalcoatls feuriger Körper hoch aus der Lava erhob und der Schlangengott mit Augen aus Glut auf die winzigen Menschen herabstarrte.
Langsam, mit pendelnden Bewegungen, wie der Kopf einer Kobra, die ihre Beute mustert, bewegte sich der gewaltige Schädel des feurigen Gottes hin und her, und Norten riß mit einem Schrei die Arme noch höher — und deutete auf die beiden Soldaten am Kraterrand!
Die Männer begriffen wohl im allerletzten Moment, was da geschah, und rissen auch noch ihre Waffen in die Höhe. Das dumpfe Rattern der Maschinenpistolen ging im Tosen des Vulkans und den Schreien der Maya unter, aber Indiana sah das Aufblitzen des Mündungsfeuers — und dann berührte Quetzalcoatl den Fels dort, wo die Soldaten standen, und der Stein glühte in grellem Weiß auf. Die Körper der beiden Männer zerfielen zu Asche, noch bevor sie auch nur aufflammen konnten, und fast in derselben Sekunde starben auch Bentley und der dritte Soldat, getroffen von Dutzenden winziger Blasrohrpfeile, die die Maya-Krieger auf sie abschossen. Alles ging so schnell, daß Indiana nicht einmal wirklich erschrecken konnte.
Norten drehte sich herum, blickte einen Moment lang verächtlich auf die beiden reglosen Körper hinab, die neben Josés Leichnam lagen, und wandte sich dann wieder dem Altar zu. Der lodernde Flammenkörper des Maya-Gottes glitt zurück, verschwand für einen Moment völlig in der Lava und richtete sich dann wieder auf, ein ungeheuerliches Etwas aus purer Energie, das eine mörderische Hitze und eine noch mörderischere Wut ausstrahlte. Der Blick seiner kleinen, bösen Augen tastete über die Gestalt im grünen Federmantel, glitt über die Menge der knienden Maya und richtete sich dann auf den Altar. Selbst Nor-ten wich ein Stück zurück, als sich das weißglühende Etwas herabsenkte und Quetzalcoatls Schädel den ersten der dreizehn Anhänger berührte.
Das winzige Amulett glühte für eine Sekunde weiß auf und zerfiel dann zu Schlacke.
Nortens Hände vollführten weiter diese kreisenden, schlängelnden Bewegungen, und Quetzalcoatls Kopf glitt weiter, berührte den zweiten Anhänger und vernichtete auch ihn, den dritten, vierten, fünften. Einer nach dem anderen glühten die kleinen Metallscheiben auf und zerfielen zu Asche, bis nur noch ein einziger übrig war — das Amulett, das Joana bei sich getragen hatte.
Und Indiana war kein bißchen überrascht. Tief in sich hatte er es gefühlt, schon auf Nortens Hacienda, als ihm dieses fürchterliche Wesen schon einmal nahe gewesen war. Er hatte geahnt, daß er den einzigen richtigen Anhänger bei sich trug; den, den er von Swanson in der Stunde seines Todes bekommen hatte.
Und dann berührte Quetzalcoatls feuergeborener Schlangenschädel auch dieses Amulett — und vernichtete es.
Norten erstarrte mitten in der Bewegung. Seine Augen quollen vor Fassungslosigkeit fast aus den Höhlen, und aus seinem Gesicht wich jedes bißchen Farbe. Auch der Gesang der Maya verstummte abrupt, und die drei Krieger, die Anita gepackt hielten, fuhren wie unter einem Hieb zusammen.
«Nein!«stammelte Norten.»Das … das kann nicht sein.«
Die Höllenschlange richtete sich mit einem ungeheuren Brüllen wieder auf, so daß ihr Schädel gegen die Decke stieß und einen Teil davon in weiße Glut verwandelte, die zu Boden tropfte und einige der Krieger traf. Aus dem beschwörenden Gesang der Männer wurde ein Chor aus entsetzten Stimmen, während sich Quetzalcoatl abermals mit einem noch lauteren, zornigen Brüllen herumwarf und Feuer und Tod über die versammelte Menge streute.
«Nein!«schrie Norten immer wieder.»Nein! Nein!«
Auf dem steinernen Rund brach Chaos aus. Plötzlich sprangen die Männer auf und rannten blind und kopflos durcheinander, Norten schrie immer wieder Quetzalcoatls Namen und streckte dem Ungeheuer die Arme entgegen, als könne er es durch die bloße Kraft seiner Verzweiflung zurückhalten. Entschlossen packte Indiana mit der linken Hand Joana und Anita mit der rechten und rannte los. Der Maya, der sie bisher gehalten hatte, war so verblüfft, daß er nicht einmal versuchte, sie zurückzuhalten.
Die Höhle bebte. Haushohe Flammen brachen aus dem Schlund des Vulkans, und der Boden wurde so heiß, daß Indiana vor Schmerz aufschrie. Quetzalcoatl tobte wie ein entfesselter Dämon aus der Hölle, und immer mehr Felsen und flüssiges Gestein stürzten von der Decke, fuhren wie tödliche Geschosse unter die Maya-Krieger oder klatschten in die Lava hinab. Der ganze Berg schien zu wanken. Ein tiefes, mahlendes Grollen drang aus dem Boden, und plötzlich spaltete sich die Rückwand des Felsendoms auf ganzer Länge und spie einen Strahl weißen, kochenden Gesteins aus, der das Felsplateau nur um Meter verfehlte.
Die Lavabrücke begann hinter ihnen zusammenzubrechen, als sie auf den Kraterrand zustürmten. Indiana sah voller Entsetzen, wie der Fels unter ihren Füßen barst, wie dünne, rote Adern aus flüssigem Gestein wie blutende Wunden auf der Oberfläche des Felsens erschienen, und er spürte, wie sich die schmale Brücke langsam, aber unbarmherzig unter ihnen zu senken begann. Sie waren noch drei Meter vom Kraterrand entfernt, dann noch zwei, einen — und dann brach der Fels zusammen! Indiana versetzte Anita und Joana einen Stoß, der sie das letzte Stück weiter stolpern und auf der Sicherheit des Kraterrandes zusammenbrechen ließ, warf sich mit verzweifelter Kraft nach vorn und spürte, noch während er sprang, daß er es nicht schaffen würde. Seine Hände glitten über den glasglatten Fels, rutschten ab — und klammerten sich irgendwo fest.
Mit einem Ruck, der ihm das Rückgrat in zwei Teile zu reißen schien, kam er zum Halten, suchte mit verzweifelt strampelnden Füßen nach einer Unebenheit in der Wand, an der er sich halten konnte, und spürte, wie er weiter abzugleiten begann. Hinter ihm tobte Quetzalcoatl, spie Tod und Feuer auf die Männer, die gekommen waren, um ihn zu erwecken, und Norten schrie noch immer aus Leibeskräften. Sein Federmantel und sein Kopfschmuck standen in hellen Flammen, und seine Stimme klang nicht mehr wie die eines Menschen. Aber es war nicht Quetzal-coatl, dessen feurige Glut ihn versengte. Es waren die Schlangen, die den Altar zu Hunderten und Tausenden umgaben. Wie auf einen lautlosen Befehl hin krochen sie auf Norten zu, glitten an seinen Beinen in die Höhe, krochen über seine Arme und seine Schultern und sein Gesicht, und wo sie seine Haut berührten, da flammte diese auf wie trockenes Holz.
Wieder erzitterte der ganze Berg wie unter einem Schlag, und als Indiana in die Tiefe blickte, sah er, daß sich die Oberfläche des Lava-Sees gehoben hatte. Flammen und Funken und Hitze speiend, stieg der brodelnde See in die Höhe, und die Hitze wurde unerträglich. Der Fels, an den er sich klammerte, schien zu glühen. Indiana roch sein eigenes, verschmortes Haar und sah voller Entsetzen, wie sich grauer Rauch unter seinen Fingerspitzen hervorkräuselte. Seine Kräfte versagten. Er ließ los.
Und im gleichen Moment, in dem er zu stürzen begann, ergriffen schmale, aber ungeheuer starke Finger sein Handgelenk und hielten ihn fest.
Indiana sah auf und blickte in ein uraltes, von tiefen Falten und Runzeln durchzogenes Gesicht. Mühelos, wie ein Erwachsener ein Kind am Arm in die Höhe zu heben vermag, zog ihn der uralte Maya auf den Kraterrand hinauf und ließ seinen Arm los. Indiana wankte, sank vor Erschöpfung gegen die Wand und prallte mit einem Schrei wieder zurück, denn auch hier war der Stein glühend heiß.
Fassungslos starrte er den alten Indio an, suchte vergeblich nach Worten und blickte dann wieder in die Höhle zurück. Auf dem steinernen Rund über dem Krater lebte niemand mehr. Der Fels glühte rot und begann zu schmelzen, und dort, wo der Altar gestanden hatte, pulsierte ein Ball aus unerträglich grellem, weißem Licht, wie ein riesiges, schlagendes böses Herz. Aus dem Riß in der gegenüberliegenden Wand floß noch immer Lava und füllte den See auf, dessen Oberfläche immer schneller in die Höhe schoß, und die Luft war so heiß, daß Indiana das Gefühl hatte, Flammen zu atmen.