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«Ich fürchte, da liegt ein Mißverständnis vor, Mr. Ganty«, sagte Indiana. Er tauschte einen verwirrten Blick mit Delano und deutete ein Achselzucken an.

«Ein Mißverständnis, ha!«Ganty sprach jetzt sehr laut. Eigentlich schrie er schon. Erregt beugte er sich vor und blies Indiana und Delano eine Kokosnußschnapsfahne ins Gesicht, als er weitersprach.»Ich erkenne Aasgeier auf hundert Mei len!«behauptete er.»Ein paar nette Worte, ein paar Schnäpse und vielleicht noch ein paar Dollar, und schon habt ihr eine Story, wie? Und die Leser eures Schmierblattes können sich über den alten Spinner amüsieren, der — «

«Wir sind keine Journalisten, Mr. Ganty«, unterbrach ihn Indiana.

Ganty blinzelte.»Nicht?«

«Ganz bestimmt nicht«, versicherte ihm Delano. Er deutete auf Indiana.»Dr. Jones ist einer der führenden Archäologen der Welt. Und auch ich habe mit Reportern sehr wenig am Hut. Wir sind ganz bestimmt nicht hier, um uns über Sie lustig zu machen, Mr. Ganty. Dafür wäre der Weg wahrhaftig ein bißchen zu weit.«

Ganty musterte sie abwechselnd voller Mißtrauen. Er war zwar noch immer nicht völlig besänftigt, aber zumindest kochte er nicht mehr vor Zorn.

«Sie haben so etwas schon einmal gesehen, nicht wahr?«Indiana deutete auf das Foto, das zwischen ihnen auf dem Tisch lag.»Aber nicht auf den Osterinseln.«

«Und wenn?«knurrte Ganty.

«Sie haben soeben ›ja‹ gesagt, Mr. Ganty, ist Ihnen das klar?«fragte Indiana.

Ganty sah ihn an, und zum ersten Mal lächelte er. Allerdings nur eine Sekunde.»Was wollen Sie?«fragte er noch einmal.

«Wir gehören zu einer wissenschaftlichen Expedition«, begann Indiana noch einmal.»Wir versuchen, das Rätsel dieser Statuen zu lösen. Sehen Sie, Ganty, es gibt da eine Theorie, nach der es noch andere Inseln geben soll, auf der solche Statuen stehen. Bisher wissen wir nicht einmal, ob die Kultur, die diese Statuen erschaffen hat, tatsächlich auf den Osterinseln entstanden ist. Es wäre ein gewaltiger Durchbruch für die Wissenschaft, wenn uns der Nachweis gelänge, daß es ähnliche Statuen auch noch auf anderen Inseln in Polynesien gibt.«

«So, wäre es das?«brummelte Ganty.»Und was habe ich davon?«

«Unsere finanziellen Mittel sind nicht unbegrenzt«, sagte Delano,»aber — «

«Geld?«Ganty machte ein unanständiges Geräusch.»Behal ten Sie es, Mister. Ich habe alles, was ich brauche.«

«Sie könnten der ganzen Welt beweisen, daß Sie recht hat ten«, sagte Indiana. Ganty starrte ihn an und schwieg, und Indiana fuhr fort:»Daß Sie nicht der alte Spinner sind, als den man Sie denunziert hat. Wenn Sie uns helfen, mit einer solchen Sensation aufzuwarten, Ganty, dann wird niemand mehr über Sie lachen, da bin ich sicher.«

Ganty überlegte.»Wie kommt es, daß ein Mann wie Sie einem alten Säufer wie mir glaubt?«fragte er mißtrauisch.»Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie den ganzen Weg von Amerika aus nur mal so auf blauen Dunst hin gemacht haben!«

«Nein, bestimmt nicht. «Indiana lächelte, griff abermals in die Tasche und zog das angesengte Notizbuch heraus. Auf Gantys Gesicht war nicht die mindeste Reaktion zu erkennen, als er es aufschlug und die Zeichnungen auf den letzten beiden Seiten betrachtete. Auch keine Überraschung.

«Das stammt von einem Schiffbrüchigen, den man in diesen Gewässern aufgefischt hat«, sagte Indiana.»Leider war er nicht mehr in der Lage, uns genauere Informationen zu geben. Aber eines wissen wir hundertprozentig: Es stammt nicht von den Osterinseln.«

Ganty schwieg. Nachdenklich blätterte er in dem Notizbuch. Auf eine Art und Weise, die Indiana verwirrte. Hätte er es nicht besser gewußt, dann hätte er geschworen, daß Ganty die Seiten las. Aber schließlich hatten die fähigsten Kryptologen der USA einhellig bestätigt, daß es sich nur um das Gekritzel eines Wahnsinnigen handelte.

Schließlich klappte Ganty das Buch zu, gab es Indiana zurück und sah ihn und Delano lange fast durchdringend an. Doch allmählich erkannte Indiana, daß das nicht stimmte. Er sah nicht sie an, er sah ihre Ohren an. Verrückt. Und gleichzeitig hatte Indiana das Gefühl, eigentlich wissen zu müssen, was das bedeutete.

«Ich denke darüber nach«, sagte Ganty, ehe Indiana den Gedanken weiter verfolgen konnte.»Morgen früh sage ich Ihnen Bescheid.«

«Wir sind ein bißchen in Eile, Mr. Ganty«, drängte Delano.

«Morgen früh«, beharrte Ganty stur. Und dabei blieb es.

Sie hatten sich wohl oder übel ein Zimmer im Hotel genom men; klein, schmutzig und zu einem wahren Wucherpreis — aber immer noch besser, als in der Kabine des Wasserflugzeu ges zu schlafen, das draußen auf den Wellen schaukelte. Nachdem sie eine halbe Stunde mit Spinnen- und Wanzenjagen verbracht hatten, gingen sie bei Sonnenuntergang zu Bett. Es gab auf Pau-Pau natürlich keinen elektrischen Strom, und für eine winzige Petroleumlampe mit einem gesprungenen Glas hatte der Halsabschneider unten am Empfang nicht weniger als fünf Dollar Miete verlangt; ein Ansinnen, das Indiana schon aus Prinzip ausgeschlagen hatte.

Wider Erwarten schlief Indiana fast auf der Stelle ein, aber er erwachte nach einer Weile auch von selbst wieder, und er spürte, daß noch nicht allzuviel Zeit vergangen war. Er spürte aber auch, daß er zumindest im Moment nicht wieder würde einschlafen können. Vorsichtig, um Delano nicht zu wecken, stand er auf und ging zum Waschtisch, um einen Schluck Wasser zu trinken.

Die Wasserkaraffe war leer, und Delano konnte er nicht wecken, denn der lag gar nicht in seinem Bett. Er war nicht einmal im Zimmer.

Vielleicht hatte er ebenfalls nicht schlafen können und war noch einmal hinunter in die Bar gegangen, um etwas zu trinken. Also verließ auch Indiana das Zimmer und ging nach unten.

Er fand Delano nicht in der Bar, der Mann hinter der Theke erklärte ihm aber, daß er vor einer halben Stunde hier etwas getrunken und dann das Hotel verlassen hätte, um draußen noch ein wenig frische Luft zu schnappen.

Auch Indiana ging nach draußen. Er war irritiert, aber auch ein wenig beunruhigt. Delano gehörte nicht zu den Menschen, die mitten in der Nacht noch Spazierengehen, um frische Luft zu schnappen.

Er fand ihn draußen auch nicht. Indiana durchsuchte sowohl den Hafen als auch die Stadt von einem Ende bis zum anderen (was wahrhaftig kein großes Kunststück war), ohne auch nur eine Spur von ihm zu entdecken. Schließlich wandte er sich dem zu, was die Einheimischen wohl als Landesinneres bezeichnen mochten, und stieg auf den höchsten (und einzigen) Berg des Atolls hinauf, einen nicht einmal zehn Meter hohen Hügel, von dessen Gipfel aus er die gesamte Insel überblicken konnte.

Am anderen Ende der Insel stand eine einsame Gestalt und blickte aufs Meer hinaus.

Delano? Aber was tat er da?

Indiana blickte eine ganze Weile schweigend auf Delano hinab, und Delano stand während der ganzen Zeit reglos da und blickte aufs Meer hinaus. Schließlich balancierte Indiana vorsichtig die jenseitige Flanke des Hügels hinunter und ging auf den Commander zu. Da er sich keine Mühe gab, besonders leise zu sein, hörte Delano schon bald seine Schritte und drehte sich zu ihm herum. Er machte eine hastige Bewegung, fast als würde er etwas unter seiner Jacke verschwinden lassen. Indiana merkte sich diese Beobachtung für später, ging aber im Moment nicht darauf ein.

«Delano?«fragte Indiana.»Was tun Sie denn hier?«

Delano zuckte mit den Schultern und lächelte.»Dasselbe könnte ich Sie auch fragen.«

«Ich habe Sie gesucht«, antwortete Indiana leicht verärgert.

«Und Sie?«

Delanos Schulterzucken wiederholte sich.»Es ist eine schöne Nacht«, sagte er.»Ich wollte ein bißchen frische Luft schnap pen. Außerdem konnte ich nicht schlafen.«