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Und in diesem Nebel … war etwas.

Indiana fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und versuchte, genau hinzusehen. Er konnte jedoch nichts erken nen. Es war mehr ein Ahnen als ein Sehen gewesen, vielleicht ein Geräusch dicht unterhalb der Grenze des Hörbaren, ein Huschen und Wogen außerhalb des Sichtfeldes. Er sah und hörte nichts, aber er spürte, daß dort draußen irgend etwas war, das — Indiana schloß die Augen, ballte die Hände so heftig zu Fäusten, daß es weh tat, und drehte sich mit einem Ruck um. Dieser Platz war geheimnisvoll und unheimlich genug, auch ohne daß er sich bemühte, Gespenster zu sehen.

Als Ganty wieder zu ihm zurückkehrte, hatte er sich beruhigt. Er sah beinahe verlegen aus. Indiana lächelte ihm verstehend zu, und Ganty erwiderte sein Lächeln nach einem kurzen Augenblick, und damit war das Thema erledigt und wurde nie wieder zwischen ihnen besprochen.

«Wo bleiben Ihre Freunde?«fragte Indiana.

Ganty antwortete nicht, aber plötzlich wurde das Gefühl, daß sie beobachtet wurden, fast so deutlich wie eine Berührung.

Indiana wandte sich zum Waldrand um.

Vor der schwarzen Wand des Dschungels waren die beiden Gestalten mehr zu erahnen, als daß Indiana sie wirklich sehen konnte. Sie mußten völlig lautlos aus dem Busch getreten sein, und er fragte sich, wie lange sie wohl schon dastanden und sie beobachteten.

Ganty ging den beiden Männern entgegen und begann in der gleichen, unverständlichen Sprache mit ihnen zu reden, die Indiana zwei Abende zuvor gehört hatte. Indiana verstand ihn auch jetzt nicht, aber ihm entging nicht der Ausdruck auf Gantys Gesicht; und ebensowenig, daß die Gesten der beiden Eingeborenen immer größeren Unwillen verrieten.

«Stimmt etwas nicht?«fragte er.

Ganty schüttelte hastig den Kopf.»Es ist … alles in Ord nung«, sagte er in einem Ton, der nicht einmal ihn selbst überzeugen konnte.»Sie sind ein bißchen nervös, das ist alles. Kommen Sie, Jones. Es wird sich schon alles aufklären.«

Indiana war da nicht so sicher. Ganty war kein talentierter Lügner. Vielleicht war es ihm einfach nicht mehr möglich, in kleinen Dingen überzeugend zu lügen, nachdem sein ganzes Leben im Grunde nichts als eine große Lüge gewesen war. Als Indiana ihm und seinen beiden Begleitern tiefer in den Dschungel hineinfolgte, war er alles andere als beruhigt.

Auch diese beiden waren sehr groß und entsprechend breit schultrig, wahre Riesen, genau wie die Gestalt, die Indiana auf Pau-Pau gesehen hatte. Ganz schwach erinnerte er sich an das, was die Legende über die Ureinwohner der Osterinseln überlieferte: ein Volk von Riesen, das vor Urzeiten über das Meer gekommen war.

Obwohl Indiana so dicht vor den beiden Polynesien herging, daß er ihre Atemzüge in seinem Nacken spüren konnte, hörte er nur seine Schritte und die von Ganty, die beiden Langohren bewegten sich so lautlos wie Schatten.

«Wohin bringen sie uns?«fragte Indiana.

Ganty drehte sich im Gehen herum und warf ihm einen fast beschwörenden Blick zu.»Nicht so laut, Dr. Jones!«Er sprach in einem gehetzten, erschrockenen Flüsterton, der Indiana mehr als alles andere klarmachte, daß hier tatsächlich etwas nicht stimmte. Ganty schien sein eigener Tonfall selber aufzufallen, denn er versuchte zu lächeln.»Wir sind gleich am Ziel, Dr. Jones. Sie lieben es nicht, wenn man die Stille der Nacht stört.«

«Blödsinn«, sagte Indiana.»Hier stimmt etwas nicht, Ganty.

Was ist es?«

Ganty sah ihn erschrocken, aber auch ein wenig nachdenklich an, und vielleicht hätte er Indianas Frage tatsächlich beantwor tet, wenn er dazu noch gekommen wäre.

Neben ihnen raschelte etwas, und die beiden Langohren verwandelten sich von lautlosen in rasende Schatten, die sich so schnell bewegten, daß Indiana ihren Bewegungen kaum mehr folgen konnte. Aber sie waren trotzdem nicht schnell genug.

Etwas kam aus dem Busch geflogen und traf einen der beiden Riesen am Schädel, und im selben Augenblick stürzte ein dunkler Körper aus der Höhe der Baumwipfel auf den zweiten Riesen herab und riß ihn zu Boden. Gleichzeitig traf irgend etwas Indianas Rücken mit solcher Wucht, daß er haltlos vorwärts taumelte und gegen Ganty prallte, den er bei seinem Sturz mit sich riß. Sie fielen. Indiana begrub Ganty unter sich, rollte instinktiv zur Seite und erwachte endlich aus seiner Erstarrung.

Ein Schatten flog auf ihn zu, und jemand versuchte, sich mit weit ausgebreiteten Armen auf ihn zu werfen. Indiana zog blitzschnell die Knie an den Körper. Der Aufprall schien ihn ein Stück weit in den weichen Waldboden hineinzutreiben, und für einen Moment hatte er das Gefühl, seine Beine wären an mindestens einem Dutzend verschiedener Stellen gebrochen und müßten aussehen wie eine Ziehharmonika. Aber aus dem zornigen Knurren des Angreifers wurde rasch ein schmerzer fülltes, pfeifendes Keuchen, als seine Rippen gegen Indianas Knie stießen und mindestens eine davon dabei brach.

Indiana schleuderte ihn von sich, setzte vorsichtshalber noch einen Fausthieb hinterher, der den Burschen vollends ausschal tete, und sprang auf. Er versuchte sich zu orientieren, aber das gelang ihm nicht auf Anhieb. Neben ihm rang Ganty mit einem anderen Angreifer, und wo die beiden Langohren waren, erblickte er nur ein schwarzes, unentwirrbares Knäuel von Körpern und Gliedmaßen.

Für einen Moment war er unentschlossen. Er wußte nicht einmal, wer die Angreifer waren, geschweige denn, warum sie sie überfallen hatten oder wem der Überfall galt. Ganty und ihm oder den beiden Langohren.

Es war wirklich nur eine Sekunde, aber selbst das war zu lang.

Indiana hörte ein Rascheln hinter sich und versuchte sich umzudrehen, aber er war zu langsam. Ein furchtbarer Hieb traf seinen Hinterkopf, schleuderte ihn nach vorn und auf die Knie. Er schwankte. Alles wurde schwarz um ihn herum, und er spürte kaum noch, wie er nach vorn und aufs Gesicht fiel.

Indiana verlor nicht das Bewußtsein, aber er war für Sekun den gelähmt, blind und taub. Er fühlte nicht einmal mehr den Schmerz, als er zu Boden geschleudert wurde. Sein Gesicht schien durch eine gewaltige, schwarze Leere zu gleiten, und hinter dieser Leere wartete noch etwas anderes, etwas Endgül tiges. Mit aller Macht stemmte er sich gegen den Sog, der von diesem Abgrund ausging. Er würde nicht mehr erwachen, wenn er die unsichtbare Grenze in die Dunkelheit erst überschritten hatte.

Er konnte nicht sagen, wie lange es dauerte, bis sich seine Sinne allmählich wieder klärten (außerdem war das erste, was er fühlte, ein rasender Schmerz in seinem Schädel), aber der Kampf war vorüber. Er hörte Stimmen, die sich leise auf englisch unterhielten, ohne daß die Worte so weit in sein Bewußtsein drangen, daß er sie verstehen konnte, hob stöhnend die Hand an den Hinterkopf und fühlte warmes, klebriges Blut.

Jemand trat ihn in die Seite. Indiana krümmte sich, öffnete vor Schmerz die Augen und blickte in ein stoppelbärtiges Gesicht, das in einer Mischung aus Wut und Schmerz zu einer Grimasse verzerrt war.

Der Bursche holte zu einem weiteren Tritt aus, aber plötzlich trat eine zweite Gestalt neben ihn und hielt ihn zurück.»Laß das!«

«Der Kerl hat mir eine Rippe gebrochen!«heulte der Bärtige.

«Dafür hat ihm Bell eins übergezogen«, sagte der andere.»Ihr seid quitt, denke ich. Außerdem haben wir wahrhaftig keine Zeit für solche Spielereien. «Er warf dem Bärtigen noch einen warnenden Blick zu, dann drehte er sich herum und ließ sich neben Indiana in die Hocke sinken.

«Sind Sie okay?«fragte er.

Indiana nahm die Hand herunter, betrachtete mißmutig eine Sekunde lang das Blut, das an seinen Fingerspitzen klebte, und dann das Gesicht seines Gegenübers. Es war unrasiert und schmutzig wie das des Burschen, der ihn getreten hatte, aber ihm fehlte der brutale Zug, der die Physiognomie des anderen beherrschte. Er wirkte entschlossen und sehr mißtrauisch, und auf seiner rechten Wange leuchtete eine frische Narbe, aber im Grunde sah er nicht unsympathisch aus.»Ich glaube schon«, antwortete Indiana mühsam. Seine Zunge fühlte sich schwer an und weigerte sich, seinen Befehlen korrekt zu gehorchen. Er hörte sich an, als wäre er betrunken.»Wer sind Sie?«