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Aus dem Flugzeug drang ein helles, unrhythmisches Klopfen und Hämmern, und als Jonas durch das knietiefe Wasser auf die Tür zuging, erschien ein Paar ölverschmierter, kräftiger Hände über dem Rand der offenstehenden Motorhaube, gefolgt von zwei kaum weniger öligen Armen und Schultern und einem nur unwesentlich weniger schmutzigen Gesicht, das Jonas im Grunde nur an dem rotweiß gemusterten Halstuch erkannte, das so etwas wie Tresslers Markenzeichen war.

«Hallo, Jonas!«begrüßte ihn der Pilot und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Eine wellenförmige Bewegung lief über die schwarze Schmiere auf seinem Gesicht. Jonas nahm an, daß es ein Lächeln war.»Wie sieht es aus?«

«Dasselbe wollte ich Sie auch gerade fragen«, gab Jonas zurück, beantwortete Tresslers Frage aber trotzdem:»Perkins und ein paar von den anderen sind vor einer Stunde losgezo gen, um die nähere Umgebung zu erkunden. Sie sind aber noch nicht zurück. Ist das ein gutes Zeichen? Sie sind schließlich der Spezialist für die Inselwelt hier, nicht ich.«

«Danke, zuviel der Ehre. «Tressler zog eine Grimasse und schwang sich ächzend aus den mechanischen Eingeweiden des Flugzeuges heraus. Jonas wich automatisch einen Schritt zurück, als er platschend im Wasser landete und dort in die Hocke ging. Tresslers Versuche, sich mit nichts anderem als Salzwasser die Schicht aus Maschinenöl und Schmiere von der Haut zu waschen, sahen irgendwie nicht sonderlich vielver sprechend aus, fand Jonas.

«Die meisten dieser Inseln sind unbewohnt«, fuhr Tressler nach einer Weile fort.»Und selbst wenn nicht, brauchen wir uns wahrscheinlich keine Sorgen zu machen. Die Polynesier sind ein sehr freundliches Volk. Jedenfalls waren sie das einmal, bevor sie von den Weißen entdeckt und zivilisiert wurden. «Er rieb heftig unter Wasser die Hände. Dunkle Schlieren begannen sich wie Rauch in dem glasklaren Salzwas ser zu verteilen, bis er in einer schwarzen Wolke saß, als hätte er auf einen Tintenfisch getreten. Seine Hände waren allerdings kein bißchen sauberer, als er sich schließlich wieder auf richtete.

«Ich würde es mit Sand versuchen«, schlug Jonas vor.

Tressler schien einen Moment lang ernsthaft über diesen Vorschlag nachzudenken, aber dann schüttelte er den Kopf.»Das lohnt sich nicht«, sagte er.»Ich werde noch eine ganze Weile an dem Ding herumbasteln müssen. Das gibt noch oft schmutzige Hände.«

Jonas betrachtete nachdenklich die verbeulte Junkers. Der Anblick dieser plumpen Maschine hatte ihm schon kein Vertrauen eingeflößt, als sie noch völlig in Ordnung gewesen war.

Auf die Idee, ein Flugzeug aus Wellblech zu bauen, konnten auch wirklich nur deutsche Ingenieure kommen!

«Kriegen Sie sie wieder hin?«fragte er.

«Der Motor ist in Ordnung«, antwortete Tressler. Jonas sah ihn zweifelnd an, und der Pilot fügte hastig hinzu:»Jedenfalls ist nichts kaputt, was ich nicht in ein paar Stunden selbst reparieren könnte. Das abgerissene Leitwerk macht mir Sorgen.«

«Kommen wir hier nun wieder weg oder nicht?«fragte Jonas.

Seine Stimme klang schärfer, als er beabsichtigt hatte. Tress ler blinzelte verstört. Aber er ging nicht auf Jonas’ unangemes sen rüden Ton ein, sondern zuckte nur mit den Schultern.

«Ich weiß es nicht«, antwortete er.»Ich verstehe zwar ein bißchen von Motoren, aber ich bin Pilot, kein Mechaniker. Perkins ist Ingenieur und will mir helfen, irgend etwas zusam-menzubasteln, aber ob es hält und ob wir damit hochkommen und auch oben bleiben, das wissen die Götter.«

Plötzlich lachte er, trat auf Jonas zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.»Kopf hoch. Ich bin schon in schlimmeren Situationen gewesen und bisher immer mit heiler Haut davon gekommen. Und wenn alle Stricke reißen, haben wir immer noch einen Trost.«

«So?«fragte Jonas ärgerlich. Er mußte sich beherrschen, um Tresslers Hand nicht grob abzustreifen.»Und welchen?«

Tressler grinste.»Nun, dies ist doch ein paradiesisches Fleck chen Erde«, sagte er.»Wir können hier jahrelang überleben, wenn es sein muß. Es gibt auf diesen Inseln Nahrung im Überfluß, frisches Wasser und kaum wilde Tiere, und das Wetter ist fast immer gut. Und wir haben noch einen gewalti gen Vorteil. «Er grinste.»Ich habe mindestens fünfmal Robinson Crusoe gelesen. Sie nicht?«

Drei Tage später begann sich Jonas zu wünschen, es wenig stens einmal gelesen zu haben. Sie hatten die Insel erforscht, soweit ihnen dies möglich gewesen war, und Tressler hatte zusammen mit Perkins das Flugzeug repariert — ebenfalls, soweit es ihnen möglich gewesen war. Das Ergebnis ihrer Bemühungen sah ungefähr so aus wie ihre Zukunftsaussichten: abenteuerlich, aber nicht besonders vertrauenerweckend. Jonas jedenfalls war nicht besonders wohl bei dem Gedanken, sich an Bord eines Flugzeuges begeben zu müssen, dessen Heck aus Draht, behelfsmäßig zugeschnittenen Wellblechstücken und allen möglichen anderen, zusammenimprovisierten Ersatzteilen bestand.

Vielleicht würde er das aber gar nicht müssen. Tressler war in den letzten beiden Tagen jedesmal wortkarger geworden, wenn Jonas ihn auf den Fortschritt seiner Arbeit angesprochen hatte.

Aber sie konnten im Grunde auch nicht auf der Insel bleiben.

Jedenfalls nicht annähernd so lange, wie Tressler (und im Grunde auch Jonas) anfangs geglaubt hatte. Ihre Lage sah nicht sehr rosig aus. Seider war am Morgen gestorben, und die Insel war weder so groß noch so fruchtbar, wie sie gehofft hatten. Der Dschungel, gleich hinter ihrem Lagerplatz, der hier begann, zog sich wie ein schier undurchdringlicher Wall am Strand entlang, aber er war nicht einmal eine Meile tief und endete vor einer Felswand, die die gesamte Insel zu teilen schien. Sie wußten nicht, was auf der anderen Seite lag, denn die Wand war mindestens dreißig Meter hoch und so glatt, daß an ein Überklettern ohne entsprechende Ausrüstung gar nicht zu denken war.

Jonas nahm einen tiefen, genießerischen Zug aus seiner letzten Zigarette, schnippte den Stummel ins Feuer und warf einen Blick in die Runde. Mit Ausnahme von Tressler und Perkins, die wie üblich unten am Strand waren und am Flug zeug herumbastelten, saßen sie alle zusammen, seit einer guten Stunde sogar schon. Kaum jemand hatte bisher ein Wort gesprochen. Seiders Tod hatte sie alle tief getroffen. Nicht, weil er ein besonders guter Freund gewesen wäre. Im Grunde waren sie allesamt Fremde, die nur durch eine graue Laune des Schicksals hier zusammengewürfelt worden waren, und trotz einer Situation wie der ihren hatten drei Tage nicht ausgereicht, so etwas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl aufkommen zu lassen. Sein Tod hatte ihnen gezeigt, wie verwundbar sie waren. Ihre Umgebung sah auf den ersten Blick aus wie ein Paradies. Aber ein gebrochenes Bein bedeutete hier den Tod.

Jonas saß direkt neben Adele Sandstein, der kleinen deut schen Lady, die er vielleicht als einzige in den letzten drei Tagen ein wenig ins Herz geschlossen hatte, daneben Bell,

Stotheim, ein holländischer Kaufmann, der seit ihrer Notlan dung fast kein Wort gesprochen hatte (vorher übrigens auch nicht), Anthony und Steve van Lees, zwei australische Brüder, Zwillinge sogar, die sich so unähnlich waren, wie es zwei Männer nur sein konnten, und sich praktisch ununterbrochen stritten, und schließlich waren da Stan Barlowe und seine mindestens zwanzig Jahre jüngere Frau, ein dummes Huhn, dessen gesamtes Vokabular aus nur zwei Lauten zu bestehen schien: hysterischem Gekreisch und albernem Kichern. Eine feine Truppe, um auf einer unbewohnten Insel am Rande der Welt ein neues Bollwerk der Zivilisation zu gründen, dachte er sarkastisch.

Vielleicht war es doch ungefährlicher, sich Tresslers zusam mengepflastertem Flugzeug anzuvertrauen …

Er schob den Gedanken beiseite und wandte sich an die beiden Australier.»Wie weit sind Sie dem Bach gefolgt?«fragte er.

Sie hatten am Vormittag ein Rinnsal entdeckt, das kaum den Namen Bach verdiente. Aber immerhin würde es sie mit Trinkwasser versorgen. Die beiden ungleichen Brüder hatten sich angeboten, seinem Lauf zu folgen; vielleicht entdeckten sie ja einen See oder einen Platz, an dem sie sich auf Dauer einrichten konnten. So malerisch es hier war, wenn man genau hinsah, erkannte man die Spuren, die Stürme und Springfluten im Laufe der Jahre im Dschungel hinterlassen hatten. Ein guter Platz für ein paar Tage, aber nicht für Wochen oder gar Monate.