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Indiana registrierte mit einer Mischung aus Entsetzen und Unglauben, wie sich das dumpfe Hämmern eines Maschinen gewehres in das Peitschen der Schüsse mischte. Zwei, drei der verzweifelt um ihr Leben schwimmenden Polynesier versanken in einem Strudel aus kochendem Schaum und Blut unter Wasser, dann erreichte die MG-Salve eines der Schilfboote und zerfetzte es mitsamt den beiden Eingeborenen, die sich darauf gerettet hatten.

Nur einem einzigen der kleinen Schiffe gelang es davonzu kommen. Es entfernte sich im rechten Winkel von der Yacht und begann im Nebel zu verschwinden, und so absurd es vielleicht war, Indiana hoffte nichts mehr, als daß es ihm gelingen würde.

Das Boot verschwand im Nebel. Über dem Schatten auf der anderen Seite der Yacht blitzte es grell auf, ein dumpfer Knall wehte über das Wasser, und eine halbe Sekunde später glühten die grauen Schwaden im Widerschein einer gewaltigen Explosion auf. Indiana hörte nicht einmal einen Schrei.

Die Stille, die auf das Krachen der Explosion und das nerven zerfetzende Rattern der MG-Salve folgte, war fast betäubend.

Indiana stand schwankend auf. Aus dem Schatten war mitt lerweile ein Schiff geworden, das langsam längsseits ging, aber er sah nicht einmal hin. Sein Blick glitt über das Deck, und alles, was er empfand, war Entsetzen. Nicht einmal Erleichte rung, noch am Leben zu sein. Seine Hände und seine Jacke waren naß und klebrig vom Blut des Polynesiers, der ihn hatte erwürgen wollen, und er zählte acht, zehn … ein Dutzend Tote, die nicht mitgerechnet, die im Wasser gestorben waren.

Jemand sprang polternd vom Deck des Schiffes auf die Yacht hinunter und kam auf ihn zu. Indiana drehte sich langsam um.

Er war nicht einmal sehr überrascht, als er Delano erkannte.

Der Commander trug ein Gewehr im Arm.

«War das nötig?«fragte er bitter.»Dieses … Gemetzel?«

«Sie haben eine seltsame Art, sich zu bedanken, Dr. Jones«, antwortete Delano.

«Bedanken? Wofür?«

«Zum Beispiel dafür, daß wir Ihnen gerade das Leben gerettet haben«, sagte Delano.»Und Ihren Freunden auch.«

«Dafür hätten ein paar Schüsse in die Luft vermutlich auch genügt«, sagte Indiana aufgebracht.

«Möglich«, antwortete Delano ruhig.»Allerdings wären Sie in diesem Fall jetzt vermutlich tot.«

Indiana setzte zu einer zornigen Antwort an, doch im selben Moment hörte er ein Stöhnen, und eine der Gestalten, die das Deck bedeckten, regte sich. Delano hob sein Gewehr, aber Indiana drückte die Waffe zur Seite und kniete neben dem Verletzten nieder.

Es war Barlowe. Er bot einen fürchterlichen Anblick, wenn das meiste Blut auf seinem Gesicht auch nicht sein eigenes war. Aber die Wunde in seiner Schulter war schwer. Er würde verbluten, wenn er nicht sofort ärztlich versorgt wurde.»Bell!«schrie Indiana.»Kommen Sie her!«

Bell antwortete nicht. Indiana sah auf und erkannte, daß er über dem Ruder zusammengesunken war. Eine Gewehrkugel hatte ihn genau zwischen die Schulterblätter getroffen.

Delano beugte sich neugierig vor, sah eine Sekunde auf Barlowe hinab und bildete dann mit den Händen einen Trichter vor dem Mund.»Sanitäter!«rief er.»Hierher! Wir haben einen Verwundeten.«

Eigentlich hätte Indiana es sofort begreifen müssen, aber es bedurfte erst dieses Ausrufes, ehe er sich die Wahrheit eingestand. Ungläubig starrte er zu Delano hoch.

Delano lächelte. Aber es war ein Lächeln, das Indiana eben sowenig gefiel, wie es zu seiner schwarzen Uniform mit den beiden silbernen Totenköpfen und den SS-Runen auf den Schultern paßte.

Wie sich herausstellte, waren Indiana und Ganty die einzigen, die ohne nennenswerte Verletzungen davongekommen waren. Bell war tot, getroffen von einer verirrten Kugel, die sein Rückgrat zertrümmert hatte. Van Lees hatte eine klaffende Platzwunde an der Schläfe und mindestens eine schwere Gehirnerschütterung, wenn nichts Schlimmeres, und Barlowes durchbohrte Schulter blutete so heftig, daß der Sanitäter nicht versprechen konnte, daß sie ihn durchbringen würden.

Der Nebel begann sich allmählich aufzulösen, während sie an Bord des deutschen Schiffes gingen. Was Indiana im ersten Moment für ein gewaltiges Kriegsschiff gehalten hatte, war eher eine Fregatte, kaum dreißig Meter lang, aber doch mit einer großkalibrigen Kanone vorne und einer Zwillings-Flak im Heck bewaffnet, deren Läufe drohend in den Nebel gereckt waren. Indiana zählte allein an Deck an die dreißig Soldaten, alle in den schwarzen Uniformen der SS und die meisten mit Maschinenpistolen, einige aber auch mit Präzisionsgewehren oder schweren Waffen ausgerüstet.

«Was haben Sie vor?«fragte er, während er neben Delano auf das Ruderhaus der Fregatte zuging.»Einen Krieg anfangen?«

«Wenn es sein muß, ja«, antwortete Delano ruhig.»Aber ich glaube nicht, daß das nötig sein wird. Diese Wilden sind vielleicht ungebildet, aber nicht dumm. Ich schätze, daß eine kleine Machtdemonstration durchaus genügen wird, sie zur Vernunft zu bringen.«

«Oder ein kleines Gemetzel wie das gerade eben«, sagte Indiana bitter.

Delanos Verwirrung war nicht gespielt.»Ich verstehe Ihre Entrüstung nicht, Dr. Jones«, sagte er.»Wir hatten gar keine andere Wahl, um Sie und Ihre Freunde zu retten. Wäre es Ihnen lieber gewesen, wir hätten zugesehen, wie diese Wilden Sie abschlachten? Sie haben selber ja auch schon getötet, Dr. Jones.

Mehr als einen Menschen!«

«Nicht so!«antwortete Indiana.»Das war nicht nötig, Delano oder Müller oder Schmitz oder Meier oder wie immer Sie in Wirklichkeit heißen mögen!«

Delano lächelte und überging die unausgesprochene Frage, die sich in Indianas Worten verbarg. Sie hatten die Brücke erreicht. Delano öffnete eine Tür und forderte Indiana und Ganty mit einer spöttischen Geste auf, einzutreten. Über eine kurze, eiserne Treppe gelangten sie ins Ruderhaus der Fregatte. Die anwesenden Soldaten salutierten eher lässig als mit preußischem Eifer, und Delano erwiderte ihren Gruß mit einem angedeuteten Kopfnicken. Dann deutete er auf eine schmale, eiserne Sitzbank, die an der Wand festgeschraubt war.»Neh men Sie Platz, meine Herren«, sagte er.»Sie müssen erschöpft sein.«

Ganty gehorchte, aber Indiana rührte sich nicht. Delano zuckte nur mit den Schultern und wechselte ein paar Worte auf deutsch mit dem Mann am Ruder. Indiana verstand die Antwort nicht, die er bekam, aber sie schien Delano nicht besonders zufriedenzustellen, denn seine nächsten Worte klangen wesentlich schärfer.

«Wie haben Sie es geschafft, sich in Franklins Vertrauen einzuschleichen?«fragte Indiana, als Delano sich nach einer Weile wieder zu ihm umwandte.»Oder gehört er in Wirklich keit auch zu euch?«

«Ich bitte Sie, Dr. Jones!«Delano lächelte.»Sie erwarten doch nicht, daß ich Ihnen die Geheimnisse der deutschen Abwehr verrate, oder? Aber ich kann Sie beruhigen. General Franklin ist ein loyaler Amerikaner. Er hat nicht die mindeste Ahnung, wer ich bin.«

«Wissen Sie das überhaupt selber noch?«fragte Indiana.

«Eine interessante Frage«, erwiderte Delano.»Leider haben wir im Moment keine Zeit, uns philosophischen Betrachtungen zu widmen. Sobald sich der Nebel hebt, werden wir versuchen, eine Passage durch die Riffe zu finden und an Land zu gehen. Ich nehme an, Sie sind gern dabei.«

«Habe ich denn eine Wahl?«

Delano seufzte.»Ich wollte, Sie wären vernünftiger, Dr. Jones«, sagte er.»So wie die Dinge nun einmal liegen, sind Sie zwar mein Gefangener, aber es wäre mir trotzdem lieber, wenn Sie sich als eine Art Gast betrachten würden. Mit gewissen Einschränkungen, versteht sich.«

«Danke«, murmelte Indiana.»Ich hatte schon mehrmals das Vergnügen, die deutsche Gastfreundschaft zu genießen.«

«Sie haben sie überlebt, oder?«