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Abgesehen von der Hitze, die schlimmer war, als er erwartet hatte, war es beinahe leicht. Dem Beispiel der Polynesier folgend, breitete er weit die Arme aus, und er spürte schon auf den ersten Metern, wie sich die aufsteigende heiße Luft unter seinen Flügeln fing und den Sturz bremste.

Trotzdem schien ihm das glühende Herz des Vulkans regelrecht entgegenzufliegen. Die Hitze verbrannte sein Gesicht, seine Augenbrauen und Lungen, und als er vorsichtig die Arme bewegte, um seinen Kurs zu korrigieren, wie er es bei den Langohren gesehen hatte, geriet er prompt ins Trudeln und wäre in die Lava gestürzt, hätte ihn das Tau nicht gehalten. Fast eine Minute lang zappelte er hilflos am Ende der Leine herum, bis es ihm auch nur wieder gelang, eine halbwegs ruhige Position wiederzugewinnen; von einem gezielten Flug oder gar dem eleganten Gleiten und Schweben, das er bei den Vogelmenschen beobachtet hatte, gar nicht zu reden.

Etwas im Rhythmus der Trommeln änderte sich. Indiana hob — sehr vorsichtig, um nicht durch eine unbedachte Bewegung wieder aus dem Gleichgewicht und ins Trudeln zu geraten — den Kopf und sah, wie sich dicht nebeneinander drei Polynesier mit weit ausgebreiteten Schwingen in die Tiefe stürzten. Von unten betrachtet sah es noch eleganter aus als von oben. Und noch tödlicher.

Indiana griff nach seiner Peitsche, löste die Hand nach kur zem Zögern wieder vom Griff und zog statt dessen den Dolch.

Seine Peitsche würde vielleicht eine Überraschung für die Langohren sein, aber diese Chance hatte er nur einmal. Wenn er sie zu früh ausspielte, war es aus.

Die drei Polynesier stürzten wie Raubvögel auf ihn herab, einer von rechts, einer von links, der dritte direkt von oben. Offenbar wollten sie die Sache zu einem schnellen Ende bringen.

Indiana hatte dasselbe vor, aber er war nicht sehr sicher, daß ihm das gleiche Ergebnis vorschwebte wie den Vogelmen schen.

Er sah die Messer in den Händen der Polynesier, die ihn von den Seiten angriffen, und versuchte, sich herumzuwerfen und zugleich an Höhe zu gewinnen. Dabei geriet er prompt ins Trudeln.

Wahrscheinlich rettete ihm seine Ungeschicklichkeit das Leben. Indiana überschlug sich am Ende seiner Leine, stürzte ein gutes Stück weit der Lava entgegen und gewann fast gegen seinen Willen in einer bizarren Spirale wieder an Höhe, als er instinktiv die Arme ausbreitete und in die Thermik geriet.

Einer der Polynesier verfehlte ihn nur um Haaresbreite; die beiden anderen schossen plötzlich aufeinander statt auf ihren gemeinsamen Gegner zu und hatten mit einem Male alle Hände voll zu tun, nicht miteinander zu kollidieren und ihre Taue nicht zu verheddern. Vielleicht hätte er in diesem Moment eine gute Chance gehabt, die Überraschung seiner Gegner auszu nutzen und wenigstens einen von ihnen auszuschalten.

Theoretisch.

Praktisch riß die Thermik ebenso plötzlich wieder ab, wie sie ihn in die Höhe katapultiert hatte, und Indiana stürzte kopfüber und mit Armen und Beinen strampelnd in die Tiefe.

Eine grün gefiederte Gestalt schoß auf ihn zu. Indiana breitete die Arme aus und versuchte, wieder in die Thermik zu gelan gen, aber er war nicht schnell genug. Der Polynesier glitt kaum eine Handbreit an ihm vorbei, und sein Dolch schlitzte Indianas Hemd vom Gürtel bis zum Halsausschnitt auf.

Die Haut darunter auch.

Indiana keuchte vor Schmerz auf und versuchte ebenfalls einen Messerhieb anzubringen, aber seine Klinge fetzte nur ein paar Federn aus dem Mantel des Polynesier. Indiana warf sich herum, schlug ungeschickt mit den Flügeln und versuchte ihm zu folgen, wurde aber in diesem Moment von den beiden anderen angegriffen. Sie glitten wieder von beiden Seiten auf ihn zu, diesmal aber in unterschiedlicher Höhe, so daß ihn einer von beiden auf jeden Fall erwischen mußte, ganz egal, was für ein Ausweichmanöver er vollführte.

Also versuchte er es erst gar nicht.

Statt dessen warf er sich herum und raste direkt auf einen der beiden zu.

Seine Attacke überraschte den Polynesier vollkommen. Sie bewegten sich mit irrsinniger Geschwindigkeit aufeinander zu, und Indiana stellte sich dabei so ungeschickt an, daß sein Gegner ihn der Länge nach aufgeschlitzt hätte, wenn er nur das Messer gehoben hätte. Aber er tat es nicht, sondern starrte Indiana nur fassungslos an. Indiana hackte mit dem Messer nach ihm, erwischte aber auch diesmal nichts als ein paar Federn, und dann waren sie aneinander vorbei, und im näch sten Augenblick begriff Indiana schlagartig, warum der Polynesier ihn so fassungslos angestarrt hatte; genauer gesagt: so entsetzt.

Ihre Taue begannen sich umeinanderzuwickeln.

Sowohl Indiana als auch sein Gegner versuchten eine Aus weichbewegung, aber es war zu spät. Ihre Seile drehten sich umeinander, und Indiana und der Polynesier begannen einander gegen ihren Willen und immer schneller zu umkreisen. Der Kraterrand und die lodernden Feuer rasten immer schneller und schneller an ihm vorbei.

Der Zusammenstoß war fürchterlich. Das Messer wurde ihm aus der Hand gerissen und flog davon, und aus dem Federman tel seines Gegenübers löste sich ein fast metergroßes Stück, das trudelnd in die Tiefe zu stürzen begann und Feuer fing, noch bevor es die Lava erreichte.

Indiana klammerte sich instinktiv am Körper seines Gegners fest. Der andere tat dasselbe; allerdings nur mit einer Hand. Mit der anderen griff er nach Indianas Kehle und drückte mit erbarmungsloser Kraft zu.

Indiana ließ die Schultern des Langohrs los und begann mit beiden Fäusten auf dessen Gesicht einzuschlagen. Er traf. Blut lief aus Nase und Gesicht des Eingeborenen, aber sein Würge griff verstärkte sich nur noch. Indianas Kräfte ließen bereits nach. Er hämmerte weiter auf seinen Gegner ein, aber seine Schläge waren jetzt kraftlos und hatten so gut wie keine Wirkung mehr.

Ein furchtbarer Ruck ging durch seinen Körper. Indiana sah hoch und erkannte voller Entsetzen, daß nur noch einer der beiden Polynesier auf seinen Flügeln über ihnen kreiste. Der andere hatte sich zu den ineinandergedrehten Seilen emporge schwungen und daran festgeklammert. In der rechten Hand hielt er ein gewaltiges Messer, mit dem er verbissen an den Tauen herumsäbelte.

Dieser Anblick gab Indiana noch einmal Kraft. Mit einem verzweifelten Hieb sprengte er den Würgegriff seines Gegners, stieß sich von ihm ab und versuchte, irgendwie in die Höhe zu kommen. Augenblicklich begannen sie wieder umeinander zu kreisen, diesmal in entgegengesetzter Richtung.

Wieder spürte er einen Ruck, der ihm sämtliche Knochen im Leib zu zerbrechen schien. Das erste Seil war gerissen. Es war das, an dem sein Gegner hing, aber da ihre Taue sich minde stens dreißig- oder vierzigmal umeinandergedreht hatten, stürzte der Polynesier nicht sofort ab, sondern glitt mit kleinen, harten Rucken in die Tiefe, wobei er gleichzeitig wie besessen mit den Armen ruderte, um in Indianas Nähe zu kommen. Der zweite Polynesier säbelte fröhlich weiter am Seil. Es würde nur noch Sekunden halten.

Indiana hielt verzweifelt nach dem dritten Vogelmenschen Ausschau und löste gleichzeitig seine Peitsche vom Gürtel. Er entdeckte ihn keine zehn Meter von sich entfernt, warf sich herum und sah aus den Augenwinkeln, wie der Polynesier, mit dem er gerade gekämpft hatte, von unten auf ihn zuglitt. Sein Tau gab ihm jetzt keinen Halt mehr, aber er hatte die Thermik so günstig erwischt, daß er für einen Moment tatsächlich flog.

Was er vorhatte, war klar.

Trotzdem ignorierte ihn Indiana und ließ seine Peitsche knallen.

Die Schnur verfehlte den Polynesier und wickelte sich über dessen Schulterblättern um das Haltetau. Aus dem eleganten Gleitflug des Polynesiers wurde ein hilfloses Trudeln, als Indiana die Peitsche mit einem Ruck straffzog und den Eingeborenen auf sich zuzuzerren begann. Hand über Hand zog er den Vogelmann auf sich zu.