Выбрать главу

190

Segelflugzeug dem Kraterrand näherte.

Auf den letzten fünf oder sechs Metern geriet er aus der Thermik und stürzte. Benommen blieb er einen Moment liegen, ehe ihn die Hitze wieder ins Bewußtsein zurückholte. Hastig sprang er hoch, riß sich den brennenden Mantel von den Schultern und schlug die Flammen aus, die an seinen Hosen beinen züngelten.

Er war genau auf dem Kraterrand aufgeschlagen, zwanzig Meter über und vielleicht fünfzig Meter neben Ganty und den anderen. Rauch nahm ihm die Sicht, während er sich an dem noch immer straff gespannten Seil zurücktastete.

Auch hier oben loderten zahllose Brände. Tote und sterbende Langohren lagen auf dem Kraterrand. Kleine Nester aus rotglühender Lava verwehrten ihm den Weg und zwangen ihn zu einem irren Zickzack, bis er endlich den Kraterrand ober halb der anderen erreicht hatte. Das Seil von seiner Hüfte zu lösen und an einem Felszacken zu befestigen, überstieg fast seine Kräfte.

Er mußte wohl doch das Bewußtsein verloren haben, denn das nächste, was er wieder wahrnahm, waren Nancy und die beiden Australier, die neben ihm knieten und sich mit vereinten Kräften um ihn bemühten, während Ganty und Jonas am Seil standen und den anderen Gefangenen halfen, den Kraterrand zu erreichen.

Die nächste halbe Stunde kam Indiana hinterher vor wie ein böser Traum. Sie waren noch knapp zwanzig, als sie die Flanke des Vulkans hinunterstiegen und den Waldrand erreichten.

Ganty hatte die Führung übernommen, da er der einzige war, der sich auf der Insel wenigstens ein wenig auskannte, aber Indiana fragte sich vergeblich, wohin er sie eigentlich führen wollte. Die Vulkaninsel ging unter, daran bestand gar kein Zweifel. Die Explosionen hatten die ohnehin brüchige Struktur der Insel so erschüttert, daß sie einfach in Stücke fallen würde.

Und das vielleicht schon in ein paar Stunden. Auch hier im Dschungel schwankte und bebte der Boden jetzt ununterbro chen, und die Erdstöße nahmen an Heftigkeit nicht ab, sondern im Gegenteil noch zu. Krachend und splitternd stürzten Urwaldriesen um, und hier und da schossen Flammen aus dem Dschungel.

Und dabei war das alles wahrscheinlich erst das Vorspiel. Indiana dachte schaudernd an das, was Ganty ihm am ersten Tag über diese Insel erzählt hatte: Der Lavasee im Herzen des Vulkans lag ein gutes Stück unter dem Meeresspiegel. Wenn die Erdstöße anhielten, dann würde das Gestein früher oder später so geschwächt sein, daß Wasser in die kochende Lava floß. Der Knall, mit dem die Insel dann in die Luft fliegen würde, würde vermutlich noch auf Hawaii zu hören sein.

Zumindest ließen die Langohren sie in Ruhe. Auf dem ganzen Weg zum Strand hinab sahen sie nicht einen einzigen Eingebo renen. Vermutlich waren sie zusammen mit ihrer Göttin in eine andere Richtung geflohen, um die Insel zu verlassen.

Ganty führte sie nicht zu der Stelle am Strand zurück, an der sie die Insel betreten hatten, sondern nahezu in die entgegenge setzte Richtung. Der Weg wurde immer schwieriger. Zwischen den Bäumen erhoben sich immer öfter scharfkantige Lavafel sen, und ein paarmal mußten sie über glasharte Lava hinweg klettern, die ihnen Hände und Füße zerschnitt. Mehrmals gingen sie den Weg zurück, den sie sich gerade mühsam erkämpft hatten, weil vor ihnen Flammen tobten oder der Boden aufgerissen war und Hitze und giftige Dämpfe erbrach.

Schließlich erreichten sie den Strand. Es war allerdings kein weißer Sandstreifen wie der, über den sie die Insel betreten hatten, sondern eine jäh abbrechende Felskante, kaum zwanzig Meter vom Waldrand entfernt und fünf Meter über einer kochenden See, deren weiße Gischt sich brüllend an der Lava brach. Die Steilküste zog sich so weit dahin, wie der Blick reichte.

Indiana kämpfte sich zu Ganty durch und ergriff ihn unsanft an der Schulter.»Was soll das hier?«schrie er über das Tosen der Brandung hinweg.»Wieso haben Sie uns hierhergebracht?«

Anstelle einer direkten Antwort streifte Ganty seine Hand ab und deutete mit dem anderen Arm aufs Meer hinaus. Indianas Blick folgte der Geste, und erst jetzt sah er, daß der Ozean nicht so leer war, wie er bisher geglaubt hatte: Jenseits der Brandung bewegten sich Dutzende, wenn nicht Hunderte von langgestreckten schlanken Umrissen auf dem Meer. Es waren Schilfboote wie die, die Gantys Yacht geentert hatten.

«Dort!«schrie Ganty.»Sehen Sie?«Sein Arm bewegte sich seitwärts, und er deutete auf einen Punkt an der Steilküste, vielleicht eine halbe Meile entfernt. Als Indiana jetzt genauer hinsah, erkannte er, daß dort der Ursprung der Flotte aus Schilf — booten lag — sie glitten hintereinander und sehr schnell aus einer Höhle heraus, die unter einem überhängenden Felsen verborgen lag; ein perfektes natürliches Versteck.

«Sie fliehen!«schrie Ganty.»Sie wissen, daß diese Insel zum Untergang verurteilt ist! Vielleicht gelingt es uns, ein paar der Boote zu kapern!«

«Sind Sie verrückt?«keuchte Jonas.»Sie werden uns auf der Stelle umbringen!«

«Vielleicht auch nicht«, antwortete Indiana an Gantys Stelle.»Überlegen Sie doch, Jonas — diese Eingeborenen wissen nicht einmal, was eine Kanone ist. Sie glauben wahrscheinlich, daß Make-Makes Zorn für den Untergang ihrer Heimat verantwort lich ist. Keiner von ihnen hat uns angegriffen, seit der Beschuß begann. Im Gegenteil, sie sind allesamt geflohen!«

Jonas überlegte einen Moment angestrengt. Indiana konnte ihm deutlich ansehen, daß er ihm gerne glauben wollte — aber er konnte es nicht.»Selbst wenn«, sagte er.»Wir können unmöglich auf diesen Dingern dreihundert Meilen weit zur nächsten Insel paddeln!«

«Das brauchen wir auch nicht«, sagte Indiana. Er machte eine Kopfbewegung aufs Meer hinaus.»Die HENDERSON kreuzt dort draußen, Jonas. Vielleicht erreichen wir sie, ehe der ganze Laden hier in die Luft fliegt. Wir haben ohnehin keine andere Wahl.«

Wie um seine Worte zu unterstreichen, erschütterte in diesem Moment ein besonders heftiger Erdstoß den Boden. Indiana fuhr erschrocken herum und sah eine gewaltige Feuersäule aus dem Schlund des Vulkans schießen. Glühende Lava regnete meilenweit im Umkreis zu Boden und entfachte Dutzende von neuen Bränden im Dschungel.

Ohne ein weiteres Wort machten sie sich auf den Weg.

Es war nur eine halbe Meile, aber sie brauchten fast eine Stunde für diese Strecke. Die Insel bebte immer stärker, und hier und da hatten sich die Brände schon fast bis zum Wald rand durchgefressen, so daß Hitze und brüllende Flammenzun gen nach den Flüchtenden schlugen. Immer wieder klafften Erdspalten vor ihnen auf, und mehrmals regneten glühende Trümmer vom Himmel. Schließlich schafften sie es.

Aber sie kamen zu spät.

Der Strom aus Schilfbooten versiegte, lange bevor sie das Tor im Felsen erreicht hatten, und unter ihnen lag nichts als eine leere, finstere Höhle.

«Und was jetzt?«fragte Jonas dumpf.

Indiana antwortete nicht. Sein Blick glitt suchend über den finsteren Höhleneingang und das kochende Wasser. Manchmal zerstoben die Brecher mit solcher Gewalt an den Felsen, daß die Gischt bis zu ihnen heraufspritzte. In dieser kochenden See zu schwimmen, daran war nicht einmal zu denken. Und selbst wenn — wohin schon? Die HENDERSON befand sich auf der anderen Seite der Insel, Meilen entfernt, falls Franklin es nicht vorgezogen hatte, sein Schiff in Sicherheit zu bringen, bevor die ganze Insel in die Luft flog.

«Vielleicht … haben sie ein paar Boote zurückgelassen«, sagte Nancy zögernd.

Indiana sah sie nur schweigend an, und nach einigen Sekunden wandte Nancy fast schuldbewußt den Blick ab. Nach dem, was er vorhin im Krater getan hatte, schien sie wohl der Meinung zu sein, er könne Wunder vollbringen. Vielleicht war das manchmal sogar so. Aber Wandeln auf dem Wasser gehörte nicht zu seinem Repertoire.