»Unter Deck«, antwortete Snark.
»Flößen Sie ihm Kaffee ein«, sagte Faye. »Wir brauchen ihn.«
»Ganz wie Sie wollen«, meinte Snark. Er schnippte die Zigarette ins Wasser. Dann lächelte er. »Ach, übrigens. Während der Fahrt ist Rauchen an Bord nicht gestattet.«
»Das hatte ich auch nicht vor«, versetzte Faye.
»Sie kennen diesen Kerl? «, fragte Indy mit schwerer Zunge.
»Leider«, sagte Faye. »Es ist eine lange Geschichte, aber Snark hat mich bei einem Kartenspiel in Taipeh gewonnen. Mystery war mit Geben an der Reihe, und sie sollte mir das Siegerblatt zuschieben. Aber an dem Abend hatte sie Schwierigkeiten mit dem Mithalten.«
»Mutter«, flehte Mystery.
»Snark ist ein Verbrecher, aber die Geschichte nahm ein gutes Ende«, erklärte Faye. »Wir haben zwei Wochen damit verbracht, ihm sämtliche bekannten Kartentricks beizubringen, und er hat zwei Wochen damit zugebracht, uns zu erklären, welche Beamten in welchen Städten geschmiert werden müssen, wenn wir nach Kaspar suchen wollen.«
»Ärger mit der Armee?«, fragte Snark.
»Der Mann ist aus dem Gefängnis geflohen.«
»Dann ist er jetzt Matrose«, erklärte Snark. »Ein Australier mit Namen Smith. Wurde bei einer Kneipenschlägerei im Orchid verletzt.«
»Wann legen Sie ab?«, erkundigte sich Faye.
»Mit der Flut«, sagte er und sah auf seine Uhr. »In gut zwei Stunden. «
»Können wir nicht sofort auslaufen?«
»Nein«, sagte er. »Wir haben unsere Papiere bereits beim Hafenmeister abgegeben. Das würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Außerdem brauchen wir die Flut, um über die Felsen dort draußen wegzukommen. Wir liegen zu tief im Wasser. «
»Na schön«, meinte Faye.
»Willkommen an Bord«, sagte Snark. »Schaffen Sie den Amerikaner ins Lazarett, ich werde inzwischen dafür sorgen, dass unser Knochenklempner Sie dort in Empfang nimmt. Außerdem werde ich die Mannschaft veranlassen, Ihnen Ihre alte Kabine herzurichten.« »In Ordnung«, sagte Faye.
Indy erwachte und gewahrte den Geruch von Antiseptikum und Gin. Der Arzt, ein Besorgnis erregend hagerer Neuseeländer mit einer Halbliterflasche Gordon's Dry Gin in der Tasche seines schmuddeligen weißen Kittels, war soeben mit dem Vernähen der Wunde fertig.
»Ah, Sie sind wach«, sagte der Arzt, als er Indys Lidflattern bemerkte. »Tut mir Leid, aber wir hatten kein richtiges Narkotikum. Ich musste unbedingt die Blutung stillen. Die Kugel ist glatt durchgeschlagen, aber sie hat vorne, wo sie unterhalb Ihres Schlüsselbeins ausgetreten ist, ein hässliches Loch gerissen.
Sie können von Glück reden, dass Sie überlebt haben, mein Freund.«
Indy stöhnte.
»Oh, ich wette, es tut weh.«
»Die Frau«, murmelte Indy. »Das Mädchen.«
»Sie befinden sich sicher an Bord«, erwiderte der Arzt. Er band den Knoten ab, dann bewunderte er sein Werk und nahm einen ordentlichen Schluck Gin. »Das heißt, so sicher, wie dies unter dem Kommando von Kapitän Snark möglich ist.«
»Sind wir auf See?«
»Wir liegen noch im Hafen«, sagte der Arzt.
»Wie lautet unser Bestimmungsort?«
»Das wissen Sie nicht?«, fragte der Arzt und lächelte, was den Blick auf einen Mund voller vernachlässigter Zähne freigab.
»Japan.«
»Nein -«
Der Arzt half Indy auf und ging daran, ihm Brust und Schulter mit einer Bandage zu umwickeln.
»Wir müssen von diesem Schiff runter«, sagte Indy.
»Mein Freund«, erwiderte der Arzt, »wem sagen Sie das?«
Indy verzog das Gesicht.
»Ich muss gehen«, meinte Indy. »Die Magierin und ihre Tochter sind in Sicherheit. Ich habe noch andere Dinge zu erledigen. Aber ich bin so ... müde.«
»Das ist der Blutverlust, mein Freund.«
»Vielleicht ruhe ich mich hier einfach ein paar Minuten aus«, sagte Indy. »Sie wissen schon, um meine Kräfte zu sammeln. Wecken Sie mich rechtzeitig, damit ich von Bord gehen kann.«
An der Tür des Lazaretts klopfte es.
»Herein«, rief der Arzt. Dann, an Indy gewandt: »Ganz ruhig.«
Faye und Mystery kamen herein. Faye war mit einem schwarzen, von einer roten Schärpe zusammengehaltenen Morgenmantel bekleidet, Mystery dagegen trug die dunkelblaue Uniform mitsamt Kappe der japanischen Handelsmarine.
»Wie geht es ihm?«, erkundigte sich Mystery.
»Gar nicht mal so schlecht«, erwiderte der Arzt, »für einen Vierundsechzigjährigen.«
»Ich werde dieses Jahr fünfunddreißig«, sagte Indy.
»Das ist etwas anderes«, meinte der Arzt. »Er wird es überleben, aber Sie müssen bedenken, mit welchem Material ich arbeiten musste. Der Knabe hat mehr Löcher als ein Fliegengitter.«
»Vielen Dank, Albert Schweitzer.«
»Wer?«
»Schon gut«, sagte Indy.
Der Arzt zuckte die Achseln und packte seine Instrumente zusammen.
»Dieses Schiff nimmt Kurs auf Japan«, sagte Indy. »Ich gehe von Bord, sobald ich ein wenig verschnauft habe. Sie müssen ebenfalls von Bord.«
»Das werden wir auch«, sagte Faye. »Bei der erstbesten Gelegenheit. Aber fürs Erste müssen wir bleiben, wo wir sind. In einer Stunde ist Hochwasser, laut Fahrplan ist das der Zeitpunkt, an dem wir auslaufen müssen.«
»Das ist mein Stichwort mich zu verabschieden«, sagte Indy und rappelte sich hoch. Dann hielt er inne. »Wie sind Sie denn angezogen, für eine Halloween-Party?«
»Sie meinen die Kleider?«, fragte Faye. »Wir hielten es für besser, uns umzuziehen. Die einzigen Frauen, die man normalerweise an Bord eines Frachters wie diesem antrifft, sind entführt worden und werden zur Prostitution gezwungen. Man hat sie zu tausenden in ganz Asien geraubt, aus allen Nationalitäten.«
»Und deine Geschichte?«, fragte Indy an Mystery gewandt.
»Ich verkleide mich immer als Junge«, sagte sie.
»Das ist sicherer«, erläuterte Faye. »Wenigstens solange sie die Figur hat, um damit durchzukommen.«
Indy nickte.
»Kommen Sie«, sagte Faye und half Indy vom Tisch herunter. »In Luchow wollen Sie ganz sicher nicht wieder an Land. Verfrachten wir Sie in eine Koje, damit Sie sich ausruhen können. Ich wecke Sie, falls etwas passiert.«
Indy hatte gerade die Augen zugemacht, als die Kabinentür aufflog und dahinter ein Bajonett und schließlich ein Gewehr mit einem japanischen Soldaten am anderen Ende folgte. Der Soldat sagte laut und schnell etwas auf Japanisch und machte schnelle, stoßende Bewegungen mit seinem Bajonett. Indy hatte keine Ahnung, was er sagte, es war jedoch klar, dass Indy sich von der Koje erheben sollte.
Indy schwang die Beine über den Kojenrand, dabei wurde ihm jedoch so schwindelig, dass er ihnen augenblicklich auf den Fußboden folgte. In der Tür erschien der Arzt, schob sich an dem Soldaten vorbei und half Indy zurück auf die Koje.
»Gluck, gluck«, machte der Arzt und mimte das Ansetzen einer Flasche. Der Soldat lachte.
Hinter dem Soldaten erschien ein Sergeant, und der war alles andere als amüsiert. Er fragte den Arzt, was mit dem Amerikaner nicht stimme, woraufhin ihm der Arzt in einem von einem neuseeländischen Akzent verunstalteten Japanisch erklärte, dass es sich bei dem Seemann um einen Australier handele, der sich am Abend besinnungslos betrunken habe, törichterweise in eine Messerstecherei mit einem dreihundert Pfund schweren Malaien geraten sei und dabei den Kürzeren gezogen habe.
Der Sergeant spie aus.
»Für mich sehen alle gaijin gleich aus«, sagte er, sich die Hosen hochziehend. »Ihre Füße sind zu groß und ihre Stimmen zu laut, außerdem stinken sie alle nach verfaultem Hamburger. Wir haben Befehl, sämtliche Schiffe, die heute Abend den Hafen verlassen, nach einem großen, hässlichen Amerikaner mit einer Schusswunde sowie einer Magierin und ihrer äffischen Gehilfin abzusuchen.«