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»Nimm nur das Foto mit«, rief Mystery. »Und meine Tasche mit dem gesamten Repertoire.«

»Lassen Sie sich von Snark nicht in die Irre führen«, riet Bryce Indy, als sie das Rettungsboot von den Blocks des Flaschenzugs lösten. »Er hat keinen Funken Ehre - er will bloß sichergehen, dass er den Safe in seiner Kabine ausräumt, bevor ihm der erste Maat zuvorkommt.«

»Hat er denn so viel zu verlieren?«, fragte Mystery. »Viel nicht gerade«, meinte Bryce. »Jedenfalls nicht nach unseren Maßstäben. Ein paar hundert Dollar, den Gegenwert eines Neuwagens in den Staaten. Aber da das Schiff hin ist, ist es alles, was er noch hat.«

Sie warfen ein brandneues Netz über die Bordwand, und als Faye an die Reling zurückkehrte, kletterten sie hinunter in das sechzehn Fuß lange Beiboot. Indy japste vor Schmerzen, als sie endlich die Ruder im Wasser hatten.

»Überlassen Sie das mir«, sagte Mystery und nahm Indys Platz am Ruder ein. »Gehen Sie in den Bug und halten Sie nach dem Piloten Ausschau.«

»Wir haben Glück«, meinte Bryce. »Die See ist ruhig heute Morgen.«

Dann zuckten sie alle zusammen, als eine weitere Feuerwerkssalve aus dem Frachtraum hervorbrach und heulend in den frühmorgendlichen Himmel stieg. »Glück«, meinte Indy, »ist ein relativer Begriff.« Sie ruderten auf die Ölschicht zu, die die Absturzstelle des Flugzeugs markierte. Die Pilotin trat entschlossen Wasser und konnte gerade eben den Mund über Wasser halten.

Indy lachte, als er den seidigen Schöpf schwarzen Haars erblickte, der um ihren Kopf auf dem Wasser trieb.

»Leutnant Musashi«, rief Indy. »Wieso überrascht mich das nicht?«

Musashi blaffte auf Japanisch eine ätzende Erwiderung, dann schluckte sie Wasser. Sie hustete und spuckte, und ihr Kopf tauchte einmal kurz unter, bevor sie weitersprechen konnte. Sie war offensichtlich müde und der Erschöpfung nahe, trotzdem brachte sie es fertig, auf Englisch hinzuzusetzen: »Jones, Sie sind verhaftet.«

Das Gebaren kam Mystery vertraut vor.

»Ist das etwa die Verrückte, die auf dem Platz hinter Ihnen her war?«

»Ich fürchte, ja«, sagte Indy.

Bryce verließ seinen Platz, um Indy zu helfen, sie an Bord zu hieven.

»Machen Sie schon«, sagte er und streckte ihr den Riemen entgegen. »Benehmen Sie sich wie eine gute Kaisertreue und klettern Sie an Bord.«

Über ihnen kreiste der einsame Doppeldecker.

»Fahren Sie zur Hölle«, spie Musashi und schluckte noch mehr Wasser.

»Machen Sie keine Schwierigkeiten«, schimpfte Indy. »Sie werden sich noch selbst ersäufen, wenn Sie nicht Acht geben. Wissen Sie, es wäre unser gutes Recht, Sie hier draußen zurückzulassen.«

Musashi schüttelte den Kopf.

»Also schön«, meinte Bryce. »Wir sind alle verdammt noch mal verhaftet. Jetzt klettern Sie ins Boot und zwar so, dass Ihr blutrünstiger Kollege da oben das auch mitbekommt.«

Musashi ging erneut unter, bekam jedoch mit letzter Kraft das Ruderblatt zu fassen. Bryce zog sie zum Boot, und Indy langte mit seinem unverletzten Arm nach unten, packte den pelzbesetzten Kragen ihrer Fliegerjacke und wuchtete sie über das Schandeck.

»Sie wiegt in diesem Ding ja eine Tonne«, stöhnte Indy.

Bryce schwenkte das Ruder in der Luft.

Der Doppeldecker wackelte als Antwort mit den Flügeln und entfernte sich in südöstlicher Richtung. Dann warf Bryce das Ruder fort und steckte Musashi den Finger in den Mund, um sich zu vergewissern, dass sie ihre Zunge nicht verschluckt hatte.

»Atmet sie?«, erkundigte sich Indy.

»Ich denke schon«, sagte Bryce, während er ihren Kopf über die Reling legte und ihr auf den Rücken klopfte. Meerwasser sprudelte ihr aus Nase und Mund. Als Bryce sie wieder herumdrehte, versuchte sie, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen, doch dafür fehlte ihr die Kraft.

»Helfen Sie mir, sie nach Waffen zu durchsuchen«, sagte Indy.

»Machen Sie Witze?«, fragte Bryce. »Sie ist fast ein Kind.«

»Dieses >Kind< ist die Person, die mir ein Loch in die Schulter geschossen und unser Schiff versenkt hat«, erwiderte Indy. Er öffnete den Reißverschluss ihrer Fliegerjacke, dann hielt er inne.

»Ah, Mystery. Würde es dir etwas ausmachen?«, fragte er.

»Ganz und gar nicht«, meinte Mystery, während sie vortrat und sich daranmachte, die fremden Taschen gründlich zu durchsuchen. »Da hätten wir einen Dosenöffner, einen Kompass und etwas Kleingeld.« Sie gab Indy die Gegenstände und vergrub ihre Hand in der nächsten Tasche.

»Volltreffer«, sagte sie und zog eine Automatik Kaliber 25 hervor.

Bryce nahm die Waffe an sich und ließ sie in seine Tasche gleiten.

»Such weiter«, sagte Indy.

»Papiere«, meinte sie. »Sieht aus wie ein Pass und irgendwelche anderen offiziell aussehenden Dokumente. Hier, sehen Sie mal das rote Band. Ist das nicht hübsch?«

»Mach weiter.«

»Also gut«, erwiderte Mystery und fühlte Musashis Hosenbeine bis zum Oberrand ihrer Stiefel ab. »Oh, Sie hatten Recht. Was für ein tückisch aussehendes kleines Messer.«

Indy untersuchte das Springmesser und warf es anschließend über Bord. Als sie zurückkehrten, um Snark zu holen, hatte die übrige Mannschaft bereits das Weite gesucht, und der Rumpf neigte sich auf alarmierende Weise zum Heck. Snark stand beiläufig da, rauchte eine Zigarette, einen Seesack über seine Schulter gehängt.

Er warf den Seesack ins Boot.

»Was hat Sie so lange aufgehalten?«, fragte er, als er von seinem Platz an Deck ins Rettungsboot trat.

»Es war nicht ganz einfach«, sagte Indy.

»Wenn die Wind absäuft, wird uns der Sog mit nach unten ziehen«, meinte Snark, während er die Ruderpinne übernahm.

»Wir täten gut daran, etwas Wasser zwischen uns und sie zu bringen.«

Obwohl die Kamikaze Maru im Japanischen Meer unterging, schaffte es das Wasser nicht, das Feuer zu löschen, das sich durch ihren Bauch gefressen hatte. Selbst als das Schiff längst auf Grund lag, schwelte es noch weiter und markierte seine letzte Ruhestätte mit einem Hexenkessel aus Rauch und Blasen.

KAPITEL VIER

TyFung

Die Schiffe, groß und klein, die den Schiffbrüchigen zu Hilfe eilten, tauchten scheinbar aus dem Nichts auf, herbeigerufen von den ungeschriebenen Gesetzen des Meeres und dem Feuerwerk über dem Grab der Divine Wind. Die Mannschaft willigte ein, sich von einem Walfänger zurück nach Japan mitnehmen zu lassen, während Snark an Bord eines Postdampfers ging, der auf dem Weg zum Festland war.

»Auf Wiedersehen, Faye!«, verabschiedete sich Snark überschwänglich, als sich das Postschiff stampfend entfernte, und schwenkte, sich gefährlich weit über die Reling lehnend, seinen Hut. »Bis uns das Schicksal das nächste Mal zusammenführt!« »Jedenfalls scheint er anhänglich zu sein«, meinte Indy und griff nach einem Seilnetz, das die Besatzung einer Dschunke über die Bordwand herabgelassen hatte.

»Oh, das ist einfach seine Art«, meinte Faye abwiegelnd, obwohl sie leicht errötete.

Mystery war als Erste das Netz hinauf und an Deck der Dschunke geklettert, dann streckte sie eine Hand aus und half Bryce über die Reling. Indy war auf halbem Weg nach oben, als Faye ihm zurief: »Was machen wir mit ihr?«

Musashi hockte immer noch mit mürrischem Gesicht im Rettungsboot, die Hände vor dem Körper gefesselt.

»Wir lassen sie zurück«, rief Indy.

»Das können wir nicht tun«, protestierte Faye.

»Doch, können wir«, rief Mystery. »Sie hat versucht, uns umzubringen, Mutter. Hör auf Dr. Jones. Er hat Recht.«