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Faye stand auf und rieb sich die Handgelenke. Sie ging hinüber und nahm Mystery den Stab aus der Hand. Plötzlich fuhr ein kalter Wind in die Gewänder der Männer und die Schals der Frauen, und Ali glaubte eine Art phosphoreszierendes Leuchten zu sehen, das den Stab der Länge nach umspielte, »Gib mir den Stab«, verlangte Ali. »Und dann geh.«

»Ich gehe nicht ohne meine Tochter«, sagte Faye mit einem Blitzen in ihren blauen Augen. »Und nicht ohne meinen Freund.«

»Sie müssen sterben«, beharrte Ali. »Geh.«

»Du sollst verdammt sein«, fluchte Faye und richtete den Stab auf Ali. »Du wirst hier niemanden töten.«

Ein schmaler Blitz fuhr aus dem wolkenlosen Himmel, schlug im Sand zu Alis Füßen ein, schlug ihm den khanjei aus der Hand und schleuderte ihn nach hinten.

Die Menschenmenge wich zurück.

»Donnerwetter«, rief Mystery. »Mach das noch einmal, Mom.«

»Ich habe keine Ahnung, was passiert ist«, sagte Faye während sie zu Indy hinüberging. Sie zog ein Messer aus ihrem Gürtel und schnitt ihn los. »Ich war einfach wütend, das ist alles.«

»Erinnern Sie mich daran, niemals Ihren Zorn zu erregen«, sagte Indy.

Ali setzte sich auf und schüttelte den Kopf. Sein Turban und Gewand qualmten, und auf der Erde, dort wo der Sand geschmolzen war, hatte sich eine Lache aus rot glühendem Fulgurit gesammelt.

»Ist das möglich?«, fragte er. »Eine Frau?«

»Was redet er da?«, fragte Faye, wahrend sie Indy auf die Beine half. »Wie geht es Ihrem Knöchel?«

Indy bewegte die Zehen hin und her.

»Komisch«, sagte er, als er die Wunde untersuchte. »Es ist nur ein Kratzer. Ich hätte schwören können, dass Ali ein Stück Fleisch aus meinem Knöchel geschnitten hat wie bei einem Erntedankfest-Truthahn. Aber im Augenblick blutet es nicht, es tut nicht einmal weh.«

»Darf ich den Stab untersuchen?«, bat Ali.

»Warum sollte ich ihn zurückgeben?«, fragte Faye.

»Bitte«, sagte Ali. »Erlaube mir, ihn anzusehen, und sei es nur für einen kurzen Augenblick.«

Er streckte flehend seine Hände aus.

»Geben Sie ihm den Stock«, sagte Indy, während er Socken und Stiefel anzog.

Ali nahm den Stab und wog ihn in der Hand.

»Er ist viel schwerer«, sagte er. »Bringt eine Lampe.«

Jemand brachte ihm eine brennende Öllampe, und er untersuchte den Stab damit der Länge nach. Er fuhr mit dem Daumen über die Buchstaben.

»Seht doch«, sagte er. »Jetzt sind sie ganz deutlich zu erkennen.«

»Was?«, fragte Faye.

»Die hebräischen Buchstaben«, erwiderte Ali und hielt ihr den Stab hin.

»Der Name Aaron«, sagte Indy.

»Er ist es tatsächlich.«

»Aber natürlich, Mom«, sagte Mystery. »Oder glaubst du etwa, du könntest mit irgendeinem alten Stock einen Blitz erzeugen?«

»Dann bist du die Ersehnte«, stellte Ali fest.

»Ich bin nichts dergleichen«, widersprach Faye.

»Die Zeit der Wunder ist zurückgekehrt«, sagte Ali.

»An Ihrer Stelle würde ich ihm nicht widersprechen«, flüsterte Indy ihr ins Ohr. »Schnappen Sie sich den Stab, und dann verschwinden wir von hier.«

»Eine Frau!«, rief Ali voller Verwunderung.

»Ich sagte dir doch, ich bin es nicht«, meinte Indy.

»Ach, aber so ist das mit Träumen«, meinte Ali. »Unser Leben ist nichts weiter als ein Traum, während Allah schläft und Sheitan seinen Spielen nachgeht. Unsere Gebete sind nichts als eine flehentliche Bitte an Allah, weiterzuschlafen, denn wenn er erwacht - vergeht die Welt.«

KAPITEL ACHT

Schlangenbeschwörer

Zwei Wochen später hielt Indy mit seiner Indian in der Muski - dem ältesten Teil Kairos - vor einem Wohngebäude, in dem er schon viele Male zu Gast gewesen war. Mystery, die die Scout mit Faye im Beiwagen fuhr, hielt hinter ihm an. Beide Motorräder waren mit Staub und Schlamm bedeckt und hatten dringend Reparaturarbeiten nötig.

»Warten Sie hier«, trug er den Maskelynes auf, während er die Schutzbrille von seinem schmutzigen Gesicht zog. Er stieg die Treppenflucht zu einer Wohnung im obersten Stock des Gebäudes hinauf, wischte sich den größten Teil des Schmutzes mit einem Taschentuch aus dem Gesicht und klopfte. Ein dunkelhaariges Mädchen von ungefähr drei Jahren kam an die Tür.

»Ist dein Daddy zu Hause?«, fragte Indy auf Arabisch.

Sie sah ihn mit ausdrucksloser Miene an.

Dann erschien ein zweites Kind in der Tür, ein Junge, etwas älter und größer als das Erste. Indy wiederholte seine Frage. Der Junge nickte ernst, unternahm aber weiter nichts. Schließlich gesellte sich noch ein weiteres Mädchen zu den beiden Kleinen, die bereits in der Tür standen, und rief, als Indy seine Frage zum zweiten Mal wiederholte, etwas in die Wohnung. Indy hörte schwere Schritte über den Holzfußboden stapfen und kurz darauf erschien ein altbekanntes Gesicht in der Tür.

»Sallah«, rief Indy. »Ich bin es.«

Sallah starrte einen Augenblick lang, als hätte er ein Gespenst vor sich, schließlich brach er in ein breites Grinsen aus.

»Lasst ihn herein, meine Kleinen«, sagte Sallah. »Das ist unser Freund Indiana Jones, der gekommen ist, um uns einen unerwarteten Besuch zu machen. Tritt bitte ein.«

»Unten warten noch zwei Freunde -«

»Bitte sie ebenfalls herauf«, sagte Sallah. »Nein, warte, ich werde eines der Kinder hinunterschicken, um sie zu holen. Bist du hungrig? Wir können etwas zu essen machen, es wäre keine Mühe. Du siehst aus, als kämst du von weit her.«

Sallah führte Indy hinaus auf den Balkon, schenkte ihm Tee ein und überließ ihm die bequemste Sitzgelegenheit. Der Balkon gewährte Aussicht auf eine enge Gasse, dahinter jedoch konnte Indy die Minarette und Dächer Kairos sehen.

»Verzeih mir meine Frage, mein Freund, aber mit was für einem Bann hat ein Zauberer dich belegt?«, erkundigte sich Sallah besorgt. »Du siehst dir ganz und gar nicht ähnlich - eher einer blassen, älteren Nachbildung deiner Selbst, vielleicht.«

Indy lächelte.

»Wenn ich an die Religion meiner Vorfahren glauben würde«, fuhr Sallah fort, »müsste ich zu dem Schluss gelangen, dein kasei gekommen, um mich auf seinem Weg in die Unterwelt zu besuchen.«

»Ich bin kein Gespenst«, sagte Indy. »Ich werde dir die Geschichte irgendwann einmal erzählen, aber nicht jetzt. Sei versichert, dass ich es wirklich bin. Ich bin überrascht, dich um diese Tageszeit zu Hause anzutreffen.«

»Die Wirtschaftskrise ist in der ganzen Welt zu spüren«, sagte Sallah. »In dieser Gegend hat es seit den späten Zwanzigern nur wenige Ausgrabungen gegeben. Hinzu kommt, dass der Service des Antiquites die Erlangung einer Erlaubnis für die Weiterführung der Ausgrabungen an den berühmteren Denkmälern zunehmend erschwert.« »Behalte diesen Gedanken für dich«, sagte Indy, als Faye und Mystery sich zu ihnen gesellten. Sallah erhob sich und küsste ihnen beide Hände. In der Linken hielt Faye den Stab, in eine dünne Decke gehüllt. »Du hast mir nicht erzählt, dass du mit so hübschen Begleiterinnen unterwegs bist«, sagte Sallah. »Oh, bitte«, meinte Faye. »Ich sehe bestimmt fürchterlich aus.« »Was haben Sie dort, meine Strahlende?« »Sieh doch nach«, schlug Indy vor. Sallah schlug die Decke zurück. Der Stab war dicker und schwerer geworden und hatte mittlerweile eine satte, braune Farbe angenommen. Sallah strich mit den Fingern über die hebräische Inschrift.

»Das ist bestimmt eine neuzeitliche Fälschung«, meinte er. »Nein«, sagte Indy. »Es ist der echte Stab.« »Wie kannst du dir so sicher sein?« »Wir sind Zeugen einer Demonstration seiner Macht geworden.« »Aber dieses Holz weist kaum Altersspuren auf.« »Als ich ihn das erste Mal sah«, sagte Indy, »war er nichts weiter als ein ausgedörrtes Stück Holz. Seitdem hat er sich in das verwandelt, was du jetzt vor dir siehst. Außerdem ist er es, der uns nach Kairo geführt hat.«