Выбрать главу

Dicht gefolgt von Sallah ging Indy vorsichtig durch den Gang bis zum Eingang der nächsten Kammer. Wie vorhergesagt, befand sich in deren Mitte eine von vier mächtigen, quadratischen Säulen gesäumte Grube. Die Säulen waren mit stilisierten Abbildungen von Krokodilen und Pavianen verziert.

Indy setzte sich einen Augenblick auf die Fersen und nahm die Kammer in Augenschein. Dann hob er einen Kieselstein vom Boden auf und warf ihn in die Grube.

Ein paar Fuß weiter unten traf er mit einem scharfen Klicken auf Stein.

»Wir gehen mitten durch«, entschied er.

»Bist du sicher?«

»Berühre weder die Säulen noch den Fußboden«, sagte Indy, kletterte in die Grube hinein und ging über die Steinplatten auf die andere Seite.

»Und was geschieht, wenn doch?«, fragte Sallah.

»Keine Ahnung«, sagte Indy, »aber sicher nichts Gutes.«

Indy kletterte auf der anderen Seite der Grube nach oben und wartete, bis Sallah ihn eingeholt hatte.

»In einem typischen Grabmal«, erklärte Indy, »müsste der nächste Raum die eigentliche Grabkammer sein - es sei denn, man hat das Grab um einen zweiten Zugang zum Zentrum erweitert. In diesem Fall dürfte die Kammer der »Saal des Triumphwagens« sein, eine Art Kriegerdenkmal.«

Sie betraten den nächsten Raum, der aus einer geräumigen, mit kriegerischen Szenen geschmückten Kammer bestand: Soldaten in geschlossenen Schlachtreihen, vorbeidonnernde Streitwagen, Reihen enthaupteter Feinde. In der Mitte des Raumes, genau ins Zentrum zwischen die Säulen gerückt, befand sich ein steinernes Grabmal mit flachem Deckel und Reihen von Ankhs auf allen Seiten. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Kammern gab es keinen erkennbaren Ausgang.

»Es muss eine zweite Ebene geben«, stellte Sallah fest.

»Wir brauchen nichts weiter zu tun, als deren Zugang zu finden, ohne uns dabei selber umzubringen«, meinte Indy.

»Eine lohnende Aufgabe«, bestätigte Sallah.

Indy suchte Fußboden und Wände im Schein der Fackel ab. Es gab eine verwirrende Menge von Gemälden und Reliefs und, entlang der nördlichen Wand, eine Reihe von ovalen Hieroglyphenrahmen, in denen die Namen der Pharaonen aufgelistet waren.

»Sieh dir das an«, sagte Indy.

»Die Namen jedes einzelnen Königs, der seit Menes in der ersten Dynastie über Ägypten geherrscht hat«, sagte Sallah, als er seine Fackel ganz dicht davor hielt. »Und sieh hier, die Namen reichen zurück bis zur dritten Dynastie des Alten Reiches.«

»Das ist völlig unmöglich«, sagte Indy ungläubig. »Dieses Labyrinth kann unmöglich vor der Zeit des Mittleren Reiches errichtet worden sein.«

»Und trotzdem«, sagte Sallah, »stehen hier die Namen. Sogar ich/kann sie entziffern.«

»Sie müssen hier während der Restaurationsarbeiten eingeritzt worden sein.«

»Wollen wir es hoffen«, entgegnete Sallah. »Die Alternative ist zu beängstigend, um sie ernsthaft in Erwägung zu ziehen.«

Indy kehrte der Wand den Rücken zu, um das steinerne Monument in der Mitte des Raumes zu untersuchen.

»Vielleicht ist es doch eine Grabkammer«, schlug Sallah vor.

»Es ist zu klein, um eine Mumie zu enthalten«, sagte Indy.

»Und wenn es die Leiche eines Kindes enthält?«, fragte Sallah.

»Oder die eines Tempeltieres, eines Pavians zum Beispiel?«

»Das glaube ich nicht«, sagte Indy, während er mit den Knöcheln dagegen klopfte. »Klingt massiv. Sag mal, wie weit sind wir deiner Meinung nach vorgedrungen?«

»In die Erde hinein?«, fragte Sallah.

»Nein«, meinte Indy. »Horizontal.«

»Schwer zu sagen«, erwiderte Sallah. »Ich habe die Schritte nicht gezählt, aber ich würde sagen, es waren einige hundert Meter, mindestens.«

»Und in welche Richtung?«, fragte Indy.

»Nach Südwesten«, sagte Sallah.

»Genau das dachte ich auch«, sagte Indy und sprang mit einem Satz auf die ebene Oberfläche des steinernen Monuments.

»Wir befinden uns genau unterhalb der großen Pyramide. Wir steigen überhaupt nicht weiter nach unten - sondern gehen bergauf!«

Indy hielt die Fackel dicht unter die Decke und befühlte sie mit den Fingern seiner anderen Hand. Dann stemmte er die Hand dagegen, und die Decke schien nach oben nachzugeben.

»Hilf mir mal«, sagte Indy. »Ich glaube, sie ist nur an einer Seite eingehängt.«

Sallah kletterte, die Fackel zwischen den Zähnen festhaltend, an der anderen Seite des steinernen Monuments hinauf, stemmte seine beiden fleischigen Handflächen gegen die Decke und drückte. Mit einem knarrenden Stöhnen klappte die Decke nach oben weg, während eine Schicht feinen, roten Staubes herabrieselte. Eine schmale Treppenflucht führte nach oben.

»Ein zusätzlicher erster Gang«, sagte Indy, während er sich in den mansardenähnlichen Raum hinaufzog. Dann langte er mit einer Hand nach unten und half Sallah, sich mühsam hochzuziehen.

»So etwas habe ich noch nicht gesehen«, meinte Sallah, dem die Aufregung zum ersten Mal ins Gesicht geschrieben stand. »Wie nannten die Vorväter so etwas?«

»Keine Ahnung«, gestand Indy. »Das ist neu für mich. Aber wir sind unterirdisch sehr weit vorgedrungen, und jetzt beginnen wir unseren Aufstieg - das muss eine religiöse Bedeutung haben. Nennen wir es den Schacht der Erlösung.«

»Was werden wir deiner Meinung nach an seinem Ende vorfinden?«, fragte Sallah. »Denk doch an Carters Entdeckung des Grabes von Tut-Ench-Amun - und der war ein minder bedeutender König! Stell dir vor, auf was wir hier stoßen könnten!«

»Genau das macht mir Angst«, sagte Indy. »Sei vorsichtig - die Treppe ist steil, und durch den Staub ist sie obendrein noch rutschig.«

Dreißig Stufen später und noch immer ohne einen Absatz in Sicht, stützte Sallah sich an der Wand ab und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus dem Gesicht.

»Tut mir Leid, mein Freund«, meinte er. »Mir geht die Puste aus.«

»Macht nichts«, sagte Indy und blieb ebenfalls stehen. »Ich kann auch eine Pause gebrauchen. Sag mir Bescheid, wenn du so weit bist, dass du weitergehen kannst.«

Sallah legte einen Finger an die Lippen.

»Hast du das gehört?«, fragte er. »Ein Scharren, fast so, als würde uns jemand folgen.«

»Diese Grabmale seufzen und stöhnen, als wären sie lebendig, wenn sie erst einmal geöffnet worden sind«, meinte Indy. »Das hat mit der Veränderung des atmosphärischen Drucks zu tun und mit dem Kalkgestein, das der Luft die Feuchtigkeit entzieht.«

»Das war etwas anderes«, widersprach Sallah. »Schritte, glaube ich.«

»Du hast ein feineres Gehör als ich«, sagte Indy.

»Das ist der Beduine in mir«, erwiderte Sallah und lächelte. »Geh du voran. Ich werde ein paar Minuten hier zurückbleiben und mich vergewissern, dass uns niemand folgt.«

»Mir wäre wohler zumute, wenn -«

»Indy?«

Am Fuß der Treppe erschien ein Licht, und Mystery kam geschmeidig in den Gang hineingeklettert. In der Hand

hielt sie eine batteriebetriebene Lampe, und über ihrer Schulter hing noch immer die Seilrolle. »Hier herauf«, rief Indy. »Und sei vorsichtig.« Als sie bei ihnen angelangt war, meinte Indy zu ihr: »Wenn du das nächste Mal in Gräbern herumkriechst, nimm eine Fackel mit. Die Flamme verrät dir, ob du auf einen Einschluss mit verbrauchter Luft gestoßen bist.« »Ich rechne nicht damit, dass es ein nächstes Mal gibt«, erwiderte Mystery.

»Ist deine Mutter wohlauf?«, fragte Indy. »Sie hat mich geschickt, damit ich nach Ihnen sehe«, antwortete Mystery. »Sie schienen schon schrecklich lange fort zu sein. Aber jetzt, wo ich die Pfeile und die Grube gesehen habe, wird mir klar, warum.«

»Du hättest nicht alleine versuchen sollen, an ihnen vor-beizugelangen«, erwiderte Indy in seiner besten Erwachsenenstimme.

»Ich bin schließlich hier, oder etwa nicht?«, versetzte sie trotzig. »Tja, dann wirst du wohl oder übel mitkommen müssen«, sagte Indy. »Alleine lasse ich dich jedenfalls nicht umkehren.« »Nun geh schon«, drängte Sallah. »Ich brauche meinen Schlaf, und du musst so schnell wie möglich arbeiten. Die Morgendämmerung lässt nicht mehr lange auf sich warten. Wenn es Ärger gibt, rufe ich.«