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Indy legte seinem alten Freund die Hand auf die Schulter. Dann wandte er sich zu Mystery. »Bleib hinter mir«, sagte er, »aber sieh dich dabei vor.« Damit setzte er seinen Aufstieg die Treppe hinauf fort.

Faye erblickte Jadoos Schatten, den der tief am Himmel stehende Vollmond auf den Sand zu ihren Füßen warf. Sie entblößte ihre Arme, indem sie die Ärmel ihres Gewandes hochschob, strich sich das dunkle Haar aus dem Gesicht, dann drehte sie sich um und sah dem überraschten Magier ins Gesicht.

»Ich wusste, dass Sie kommen würden«, sagte sie. »Aber ich muss gestehen, ich hatte Sie für etwas geschickter gehalten, als sich einfach von hinten an mich heranzuschleichen.«

»Mag sein, aber es erfüllt seinen Zweck«, erwiderte Jadoo, der seine Fassung zurückgewann. »Zumal ich in bewaffneter Gesellschaft komme, die entschlossen ist, notfalls Gewalt anzuwenden.«

Sokai und Leutnant Musashi ließen sich in die Umfriedung fallen, gefolgt von Stabsoffizier Miyamoto sowie einem halben Dutzend mit Maschinenpistolen bewaffneter japanischer Soldaten.

Miyamoto blaffte einige Befehle, woraufhin die Soldaten ihre Waffen auf Faye richteten.

Jadoo ging zu Faye hinüber und riss ihr den Stab aus der Hand.

»Ich hätte mir nie träumen lassen, dass er in so gutem Zustand ist«, stieß er hervor. »Er weist noch immer diese Schwere auf, und das Holz ist von so wunderbarer Beschaffenheit, fast so, als wäre es Teil eines lebendigen Baumes.« Er hielt sich den Stab wenige Zoll vor seine Nase. »Dieser Geruch von frischen Mandeln!«

Faye verschränkte die Arme und betrachtete Jadoo voller Geringschätzung. Von Osten her blies ein sachter Wind, der alte Zeitungen und anderen Müll über den Sand wehte, und sanft über Fayes Haar strich. Jadoo konnte sich nicht erinnern, dass ihr Haar so stark von Grau durchschossen war.

»Sagen Sie, haben Sie damit zu zaubern versucht?«

Faye schwieg.

Jadoo hielt den Stab vor seinen Körper, unschlüssig, was er als Nächstes tun sollte. Dann richtete er ihn gen Himmel und befahl ihm, Hagel zu erzeugen.

Faye lachte.

»Spielt keine Rolle«, sagte Jadoo. »Ich werde die richtigen Worte schon noch finden.«

»Wie ich sehe, hat ihr kleines Grüppchen Ausgestoßener uns bereits einen Großteil der Arbeit abgenommen«, sagte Sokai und kam näher. »Besonders dankbar bin ich, dass Dr. Jones sich freiwillig bereit erklärt hat, den Eingang auf Gefahren zu prüfen.

Sagen Sie, sind sein übergewichtiger Freund und Ihre Range von einer Tochter bei ihm?«

Faye zuckte die Achseln.

»So mutig«, bemerkte Sokai mit gespieltem Bedauern, »und doch so unvernünftig.«

»Ich habe stets auf mein Herz und nicht auf meinen Verstand gehört«, versetzte sie.

Sokai öffnete seinen Wettermantel und zog sein Samuraischwert darunter hervor. Er richtete das Schwert auf Faye, setzte die Klinge unmittelbar unterhalb ihres Kinns an und stieß gerade hart genug zu, um ihr einen Tropfen Blut zu entlocken.

»Wenn Sie auch nur rufen«, sagte er, »werden diese Soldaten Sie töten. Und wenn Sie hier oben Ärger machen, während ich dort unten bin, werde ich Ihre Göre ohne das geringste Zögern töten. Haben Sie verstanden?«

»Ja«, antwortete Faye.

»Gut«, meinte Sokai und schob sein Schwert in die Scheide zurück. »Stabsoffizier Miyamoto, halten Sie ein aufmerksames Auge auf dieses amerikanische Frauenzimmer. Leutnant Musashi, folgen Sie mir.«

Die Stufen endeten in einer kleinen, schmucklosen Kammer. Ein kleine, quadratische Deckenöffnung führte in einen langen Schacht.

»Hilf mir mal hoch«, sagte Indy.

Mystery verschränkte die Finger, um eine Räuberleiter für Indys rechten Stiefel zu machen, dann half sie, ihn zur Decke hochzuhieven. Er stemmte seine Hände gegen die Seiten des kaminähnlichen Schachtes, doch die Schmerzen in seiner verletzten Schulter ließen ihn zusammenzucken und einen leisen

Schrei ausstoßen.

»Lassen Sie mich mal«, sagte Mystery.

»Nein, es geht schon«, meinte Indy und ließ sich wieder herunterfallen. »Ich muss mich nur einen Augenblick ausruhen.«

»So viel Zeit haben wir aber nicht«, versetzte Mystery und rückte die Seilrolle auf ihrer Schulter zurecht. »Überlassen Sie das mir, dann kann ich Ihnen das Seil hinunterlassen. Ich bin an so etwas gewöhnt, Dr. Jones.«

»Zu gefährlich«, sagte er.

»Was glauben Sie, wie gefährlich es wäre, wenn Sie sechs Meter tief abstürzten und auf diesem Felsenboden landeten?«, fragte sie, sprang ab und bekam den Rand des Schachtes, der nur den Bruchteil eines Zolls überstand, mit den Fingerspitzen zu fassen.

Dort hing sie einen Augenblick, dann zog sie sich, den Rücken gegen eine Wand und die Füße gegen die andere gestemmt, hinauf in den Schacht. Sie schleuderte ihre Schuhe von den Füßen.

»Na gut«, gab Indy sich geschlagen. »Aber sei vorsichtig. Mach langsam, und fass nichts an, das Misstrauen erweckend aussieht.

Wenn du das Gefühl hast, dass sich etwas bewegt, komm schnell wieder aus dem Schacht heraus.«

»Glauben Sie eigentlich, ich hätte von gar nichts eine Ahnung?«, fragte Mystery.

»Natürlich nicht«, erwiderte Indy. »Nur habe ich mich eben daran gewöhnt, dich um mich zu haben.«

»Ich sehe einen Balken über mir«, rief Mystery, als sie sich weiter nach oben begab. Sie ließ sich durch nichts anmerken, dass sie Indys Ausdruck väterlicher Gefühle mitbekommen hatte.

»Ist er aus Holz oder Stein?«, fragte Indy.

»Aus Metall«, rief sie.

»Welche Sorte?«, fragte Indy. »Aus Kupfer?«

»Nö«, rief Mystery. »Er ist aus Eisen.«

»Eisen kann es nicht sein«, sagte Indy. »Die Bauwerke in Gizeh wurden vor der Eisenzeit errichtet.«

»Sicher«, gab sie zurück. Während Indy noch mit sich zu Rate ging, ob sie ihn anfassen durfte, packte sie den Balken und schwang sich in die nächste Kammer hinauf. Sie klemmte sich die Lampe unter den Arm, während sie das Seil am Balken festmachte. »Es sieht aus wie Eisen, es fühlt sich an wie Eisen, und es ist so stabil wie Eisen, aber es ist kein Eisen.«

»Fass es auf keinen Fall an«, rief Indy.

»Zu spät«, gab Mystery zurück und warf die Seilrolle in den Schacht hinunter.

Indy klemmte sich die Fackel zwischen die Zähne, packte das Seil und kämpfte sich durch den Schacht hinauf zum Balken, um sich Mystery wieder anzuschließen. Er fand sich in einer halbwegs geräumigen Kammer aus behauenem Kalkstein wieder, die außer dem Balken - der, wie Indy zugeben musste, tatsächlich aus Eisen war - und einer nach Norden gehenden Tür keinerlei Besonderheiten auf wies.

»Gute Arbeit«, meinte Indy.

»Danke.«

»Die nächste Kammer«, sagte Indy und deutete mit einem Nicken auf den Durchgang. »Die Halle der Wahrheit. Wenn das Buch tatsächlich existiert, wird es sich dort drinnen befinden. Bist du bereit?«

»Ich bin bereit, seit ich zwölf war«, kam Mysterys prompte Antwort.

Der Eingang der Kammer wurde von zwei wuchtigen Marmorsäulen flankiert, die auf der Linken war schwarz, die andere hingegen strahlend weiß.

Indy hielt die Fackel in die Höhe und trat durch die Türöffnung, gefolgt von Mystery und ihrer elektrischen Lampe. Man hörte einen auf- und abschwellenden musikalischen Akkord, einen DurAkkord.

Mystery schaltete ihre Lampe aus. Sie wurde nicht gebraucht.

Eine unsichtbare Lichtquelle hatte den Raum in ein diffuses Licht getaucht. Fußboden, Wände und Decke der Kammer waren aus poliertem, rosafarbenem Granit. In der Mitte der Kammer befand sich ein schwarzer Granitpfeiler, und auf diesem Pfeiler standen, plastisch hervorgehoben, eine Reihe von Schriftzeichen aus verschiedenen Sprachen des Altertums - Sumerisch, Ägyptisch, Sanskrit, Koptisch, Griechisch, Chinesisch sowie aus einigen anderen, die Indy nicht geläufig waren. Das einzige Schriftzeichen, das Mystery wiedererkannte, war das griechische. Oben auf dem Pfeiler lag ein Buch, beziehungsweise ein Gegenstand, der zwar einem Buch ähnelte, dennoch keinem glich, das einer der beiden je gesehen hatte: Die Seiten des Buches bestanden aus einem hochpolierten, silbrigen Material und kräuselten sich im Rhythmus zur auf und abschwellenden Musik, die von der Luftbewegung ausgelöst wurde, die Indy und Mystery allein durch das Betreten der Kammer hervorgerufen hatten. Die Seiten drehten sich um einen goldenen Rücken, setzten sich jedoch in das Pfeilerinnere fort, sodass das Buch kein Ende zu haben schien.