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»Sagen wir, ich habe dafür eine gewisse Begabung.«

»Wie wahr«, sagte Sokai. »Und ich bin mir durchaus be-wusst, dass Sie ein Bedürfnis nach Verschwiegenheit haben.«

»Da Sie über mich so viel zu wissen scheinen«, sagte Indy, »warum erzählen Sie mir nicht ein wenig über sich?« Ohne zu fragen griff er nach seinen Kleidungsstücken und zog sie vom Tisch. Sokai zog erstaunt eine Braue hoch, unternahm aber nichts, um ihn am Umziehen zu hindern.

»Davon abgesehen, dass ich in Kreisen, die dies beurteilen können, als Nippons Meisterspion gelte, bin ich Kampfpilot, ein Chutai-Führer im 24. Sentai der Luftwaffe der kaiserlichen Armee.«

»Und ich dachte schon, Sie tragen die Fliegerbrille nur zum Vergnügen.«

»Um die Wahrheit zu sagen, es hat seine Vorteile, Pilot zu sein. Man ist unabhängig von Schiffs- und Zugfahrplänen, verfügt über überlegene Feuerkraft und hat den Vorteil einer Luftaufklärung aus erster Hand.«

»Faschisten scheinen eine besondere Vorliebe für Luftfahrzeuge zu haben, habe ich herausgefunden«, erwiderte Indy. »Was sind die beiden, die gerade hinausgegangen sind? Ihre Bord- und Bombenschützen?«

»Nein, das sind die anderen Piloten in meiner Chutai«, sagte Sokai. »Leutnant Musashi und Stabsoffizier Miyamoto. Wir fliegen Ki-10-Doppeldecker-Jagdbomber vom Typ 95. Dieser Typ erreicht eine maximale Flughöhe von nahezu 10.000 Fuß, verfügt über eine Höchstgeschwindigkeit von 248 Meilen in der Stunde und ist mit zwei 7.7-Millimeter-Maschinengewehren im Bug bewaffnet.«

»Tragen Sie ein Foto davon in Ihrer Brieftasche?«

»Ich weiß Witz durchaus zu schätzen, allerdings nur, wenn man ihn sparsam einsetzt. Sie beginnen meine Geduld auf die Probe zu stellen wie ein altkluges Kind. Sorgen Sie dafür, dass sie mir nicht reißt.«

Sokai sah Indy einen Augenblick lang unverwandt an, um seiner Bemerkung Nachdruck zu verleihen, dann fuhr er fort: »Lassen Sie mich überlegen, wie lauten die Fragen, die man mir üblicherweise stellt? Ich spreche gut Englisch, weil ich im Westen erzogen wurde. Mein Vater war Ausländer, ein gaijin, ein Diplomat. Meine Mutter? Eine Geisha, die das Pech hatte, sich in ihn zu verlieben. Ich wurde, an jenem Tag des Jahres 1904 geboren, als man ihn als Spion im russisch-japanischen Krieg hinrichtete. Sie sehen also, ich bin im eigenen Land als gaijin aufgewachsen. Das hat mich zu einem großen Verehrer amerikanischer Filme, amerikanischer Zigaretten und amerikanischer Kleidung gemacht.« »Aber Ihre politische Einstellung ist entschieden kaiserlich.« »Amerika ist für mich nichts weiter als ein Zeitvertreib«, sagte Sokai. »Japan hingegen ist das Land meiner Väter. Außerdem stehen wir auf derselben Seite. Wir befinden uns nicht im Krieg.« »Erklären Sie das mal den Chinesen«, sagte Indy. Sokai lachte, ließ den Zigarettenstummel fallen und zertrat ihn mit dem Absatz seines auf Hochglanz polierten Schuhs. »Das Leben ist ein Kampf«, fuhr er fort. »Ich bin ein Schüler des Bushido, des Weges des Kriegers.« Sokai griff unter seinen Wettermantel und zog ein Samuraischwert hervor. Er hielt es vor seinen Körper, senkrecht, in beidhändigern Griff. »Die alten Methoden sind oftmals die besten«, fuhr er fort. »Dieses Schwert ist über fünfhundert Jahre alt und noch immer ist es die schärfste der Menschheit bekannte Klinge.«

Indy wollte etwas erwidern, doch Sokai legte einen Finger an die Lippen.

»Der Schwertmacher, der sie hergestellt hat, hat zehn Jahre seines Lebens dafür geopfert. Sie wurde erst geschmiedet, nachdem man die Werkstatt gereinigt und der Gottheit, die der aus einem einzigen Klumpen Eisenerz bestehenden Klinge innewohnen würde, Opfergaben dargebracht hatte. Anschließend wurde die Klinge erhitzt, geschlagen und fünftausendmal gefalzt - und jedes Mal im Schnee des Fujijama abgekühlt, um sie zu härten.« »Diese Geschichten habe ich schon gehört«, sagte Indy, während er sich bückte, um sich die Schuhe zuzubinden. »Der Geist, der in die Klinge fährt, ist ein Abbild der Frömmigkeit ihres Erzeugers«, fuhr Sokai fort. »Manchmal, wenn ein unguter Gedanke die geistige Reinheit des Schwertmachers beeinträchtigt, befällt ein böser Geist die Klinge. Doch das erfährt man erst, nachdem die Klinge das erste Blut zu schmecken bekommen hat.«

»Ich habe den Eindruck, Sie haben es bereits herausgefunden.« »Das war vor langer Zeit« , erwiderte Sokai. Dann ritzte er mit der Klinge seinen Daumenballen an und zapfte eine winzige Menge Blut ab. »Man sollte eine mit einer Schneide versehene Waffe niemals zurück in die Scheide schieben, ohne dass sie Blut gekostet hat. Ihre Gier danach könnte sonst übermächtig werden.« In einer einzigen eleganten, geübten Bewegung zog Sokai den Schwertrücken durch die fleischige Kerbe zwischen linkem Zeigefinger und Daumen, um die Klinge in die Scheide einzufädeln, dann schob er die Waffe vollends hinein. Indy sah Sokai kommentarlos an. »Ich trage diese Waffe stets bei mir«, sagte Sokai. »Man weiß nie, wann die zwingende Notwendigkeit entsteht, sie zu benutzen.«

»Ich ziehe modernere Methoden vor«, sagte Indy. Dann griff er nach dem Webley.

»Nur zu«, sagte Sokai. »Er ist selbstverständlich nicht geladen.«

Indy klappte die Trommel heraus. Sokai hatte nicht gelogen. Dann schloss er die Waffe und schob das vertraute Gewicht zurück ins Halfter.

»Und was ist hiermit?«, sagte Sokai und schnappte sich die Peitsche von der Bank. »Das betrachten Sie doch gewiss nicht als modern? Seit Anbeginn der Zeit haben Sklaven den Hieb der Peitsche zu spüren bekommen. Was für eine seltsame Wahl.«

Sokai warf ihm die Peitsche zu.

Indy fing sie auf.

»Manchmal«, sagte Indy, »kehren Sklaven die Peitsche gegen ihren Herrn.«

»Ein Idealist«, erwiderte Sokai. »Wie entzückend.«

»Was wollen Sie?«, sagte Indy, während er seinen Hut aufsetzte.

Sokai nahm den Elfenbeinmond zur Hand.

»Aus Qins Grab.«

»Wenn Sie es sagen«, gab Indy zurück.

»Haben Sie sich nie gefragt, woher Qins Astronomen die Kenntnis hatten, dass der Mond eine Kugel ist? Und zwar so detaillierte Kenntnis, dass sie die Krater und Meere auf der Rückseite eingeschnitzt haben? Selbst wir wissen nicht, wie sie aussieht. Der Mond kehrt uns nie den Rücken zu.«

»Kommen Sie zur Sache.«

»Ich bin nicht etwa nur hinter Schätzen her, Dr. Jones«, sagte Sokai, während er den Mond in Indys Mappe legte. »Mein Ziel ist Macht. Uraltes Wissen. Magie. Sie ist eine Kraft, auf die sich alle Kulturen vor uns verstanden haben. Die alten Samurai zum Beispiel haben mehr studiert als nur die Kunst des Krieges. Im gleichen Maße haben sie ihre Begabung für die Malerei, für Musik und Literatur, für das Spiel der positiven und negativen Kräfte innerhalb des Universums sowie für den Gebrauch von Beschwörungen und Zauberformeln entwickelt. Die Soldaten haben mir eine ziemliche Geschichte über Ihr Auftauchen aus dem Berg erzählt. Irgendetwas über den Geist des Kaisers, der Sie ihnen vor die Füße geworfen haben soll.«

»Sie müssen betrunken gewesen sein«, sagte Indy, während er seine Jacke überzog. »Als ich dieses Ding gefunden hatte, war ich so aufgeregt, dass ich ins Stolpern geriet, als ich vom Berg herunterkletterte, um meinem Führer davon zu berichten. Das ist alles.«

Dann hob er seinen Hut auf, bürstete ein wenig Staub vom Kopfteil und legte ihn in die Mappe. Er hängte die Mappe über seine Schulter.

»Sie schicken sich an, uns zu verlassen?«, fragte Sokai. »Würden Sie das nicht tun?«

Sokai bückte sich, hob eine hölzerne Kiste von der Größe einer Hutschachtel auf und stellte sie auf die Bank. Die Kiste war schwarz lackiert, der Deckel mit Scharnieren versehen und mit einem Vorhängeschloss versperrt. Sokai nahm einen Schlüssel aus seiner Tasche, entriegelte den Deckel und klappte ihn auf. Er schob die Kiste zu Indy herüber. »Schon mal so etwas gesehen?« Drinnen lag ein helmartiger Gegenstand, der aus sehr alt aussehendem Eisen gefertigt war. »Man nennt es Nussknacker«, erläuterte Sokai. »Ja, ganz recht. Er wird benutzt, um ganz harte Nüsse zu knacken.« Er klopfte gegen seinen Schädel.