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Marian riß erstaunt die Augen auf, aber Indiana legte hastig den Zeigefinger auf die Lippen, schob sich mit einer schnellen Bewegung an ihr vorbei und blieb mit angehaltenem Atem und lauschend in dem großen Wohnzimmer stehen, das er betreten hatte.

Er hörte nichts. Obwohl draußen heller Tag war, waren die Vorhänge zugezogen, so daß das Zimmer in einem unwirklichen Dämmerlicht dalag, in dem die Möbel zu gestaltlosen Umrissen zusammenschmolzen und die Schatten voller bedrohlicher Bewegungen zu sein schienen. Aber alles, was er hören konnte, waren Marians hastige Atemzüge hinter ihm, und er spürte einfach, daß niemand hier war. Zumindest nicht in diesem Zimmer.

So leise er konnte drehte er sich zu ihr um und flüsterte ihr zu:»Bleib hier. Wenn du irgendein verdächtiges Geräusch hörst oder jemand anderes als ich oder Stanley hier auftauchen, dann lauf weg und ruf die Polizei.«

Er gab Marian keine Gelegenheit zu antworten, sondern schlich auf Zehenspitzen durch das Wohnzimmer und betrat vorsichtig die angrenzende Küche.

Nichts. Der Raum war vollständig verwüstet: Jemand hatte sämtliche Schränke geöffnet und ihren Inhalt auf den Boden verteilt, den Tisch und die Stühle umgeworfen und sogar die Rückwand des Einbauschrankes neben der Spüle herausgerissen, so daß das nackte Mauerwerk sichtbar war. Aber auch hier war niemand.

Tatsächlich war im ganzen Haus niemand. Indiana durchsuchte es Zimmer für Zimmer, und es war überall der gleiche Anblick: Verwüstung und Unordnung. Sämtliche Schränke waren durchwühlt, sämtliche Schubladen auf den Boden geleert, sämtliche Kommoden untersucht worden. Jemand hatte dieses Haus gründlich und offensichtlich in aller Ruhe vom Dachboden bis zum Keller durchsucht; und zwar jemand, der sein Handwerk verstand. Und der es nicht besonders eilig gehabt haben konnte. Aber dieser jemand war nicht mehr da. Indiana überlegte einen Moment, ob es vielleicht Pat und Pata-chon gewesen waren; aber dieser Gedanke überzeugte ihn nicht.

Marian hatte die Gardinen zurückgezogen und betrachtete nun im hellen Sonnenlicht fassungslos die Zerstörung, die auch vor ihrem Wohnzimmer nicht haltgemacht hatte. Wer immer hiergewesen war, hatte im wahrsten Sinne des Wortes viel Porzellan zerschlagen.

«Und ich hatte Hemmungen, dich mit in meine Wohnung zu nehmen«, sagte er, nur um Marian ein wenig aufzuheitern.»Wenn ich du wäre, dann würde ich meine Putzfrau feuern — und zwar auf der Stelle.«

«Was … was ist hier … passiert?«hauchte Marian fassungslos.»Wer war das?«

«Wahrscheinlich dieselben, die dich heute morgen angerufen haben«, vermutete Indiana.

Marian sah auf. Ihre Augen waren weit und dunkel vor Schrecken.»Die beiden Männer vor der Universität?«

Wieder zögerte Indiana mit einer Antwort. Etwas wie das hier paßte nicht zu den beiden. Außerdem hätten sie gar keine Zeit dazu gehabt. Er zuckte nur mit den Schultern, ging zur Haustür und drückte sie zu. Sie schwang fast sofort wieder auf, da das Schloß herausgebrochen war.

48

«Stanley«, murmelte Marian.»Ich … ich muß Stan anrufen. «Sie ging zum Fenster, hob das Telefon auf, das auf einem jetzt umgeworfenen Blumenhocker danebengestanden hatte, wählte die ersten drei Nummern des Universitätsanschlusses und ließ den Hörer dann resigniert sinken.»Aber ich weiß ja gar nicht, wo er ist«, murmelte sie.

Es wäre aber besser, es würde dir einfallen, dachte Indiana. Er sprach es nicht aus, denn er hatte das Gefühl, daß Marian im Moment nicht mehr besonders viele schlechte Nachrichten vertragen würde — aber er war ziemlich sicher, daß diejenigen, die für diese Verwüstung verantwortlich waren, nicht gefunden hatten, was sie suchten. Und das bedeutete, daß sie wahrscheinlich wiederkommen würden.

«Du solltest die Polizei rufen«, sagte er.

Marian schüttelte fast erschrocken den Kopf.»Keine Polizei«, sagte sie.

Indiana widersprach nicht. Im Moment war die Frage, was vernünftig war oder nicht, völlig unwichtig. Das einzige, was im Augenblick zählte, war, daß Marian sich beruhigte. Er spürte, daß sie mit ihren Kräften fast am Ende war. Er trat hinter sie, legte ihr behutsam den Arm um die Schulter und drückte sie sanft an sich. Marian zitterte. Wieder sah er Tränen in ihren Augen schimmern, aber sie hatte sich noch immer in der Gewalt.

«Okay«, sagte er.»Wie du willst. Aber dann mußt du mir erlauben, dir zu helfen. Wir gehen jetzt zusammen in Stans Arbeitszimmer hinauf und sehen uns dort ein wenig um — einverstanden?«

Marian nickte fast unmerklich. Sie wollte antworten, brachte aber keinen Ton heraus, sondern schluckte nur ein paarmal mühsam. Dann deutete sie eine Kopfbewegung zur Treppe an.

Indiana machte sich keine sonderlichen Hoffnungen, dort oben wirklich etwas von Wichtigkeit zu finden. Wenn das, wonach die Einbrecher gesucht hatten, wirklich dort gewesen war, dann hatten sie es zweifellos gefunden und mitgenommen. Aber vielleicht fand er einige andere Hinweise, die endlich Licht in diese mysteriöse Geschichte brachten.

«Zumindest kann uns Stan jetzt nicht mehr vorwerfen, sein Schloß aufgebrochen zu haben«, sagte er in einem neuerlichen — vergeblichen — Versuch, Marian aufzuheitern, als er das zertrümmerte Schloß an der Tür zu Stanleys Arbeitszimmer bemerkte.

Das Zimmer bot einen ebenso chaotischen Anblick wie der Rest des Hauses. Hunderte, wenn nicht Tausende von Büchern, die heute morgen noch säuberlich geordnet auf den Regalen gestanden hatten, die drei der vier Wände bis zur Decke säumten, waren auf den Boden geworfen worden, und dazwischen lag der Inhalt von Stanleys Schreibtisch; zahllose, zum größten Teil eng bekritzelte Blätter mit seiner fast unleserlichen Handschrift, zerrissene Notizbücher, Landkarten, Notizen, ein Tintenfaß, das aufgeschraubt und offenbar absichtlich über einige der herumliegenden Bücher ausgeschüttet worden war, eine zerbrochene Maya-Statue, die Stanley von einer seiner zahlreichen Expeditionen nach Südamerika mitgebracht hatte, ein silberner Fotorahmen — das Glas war zerschlagen und das Bild herausgerissen, als hätte man dahinter nach etwas gesucht — und etwas, das Indianas besondere Aufmerksamkeit erregte: eine kleine Silberschatulle, deren Deckel mit Smaragd- und Rubinsplittern besetzt war. Verblüfft bückte er sich danach und klappte sie auf, und seine Verwirrung wuchs noch mehr, als er sah, daß ihr Inhalt noch vollzählig war. Sie enthielt die schönsten Stücke aus Stanleys Münzsammlung, die zwar klein, aber von erlesenem Geschmack war. Er verstand das nicht. Die Schatulle allein würde in einem Antiquitätengeschäft sicherlich an die tausend Dollar bringen, und die Münzen, die Stan darin aufbewahrte, noch einmal das Drei- bis Vierfache. Aber die Einbrecher hatten sie achtlos liegengelassen.

«Wenigstens wissen wir jetzt, daß sie nicht nach Wertsachen gesucht hatten«, sagte er, als er wieder aufstand, sich nach kurzem Zögern noch einmal vorbeugte und die Schatulle aufhob, um sie auf ihren Platz auf dem Schreibtisch zurückzustellen.

Marians Blick folgte seiner Bewegung.»Aber was dann?«flüsterte sie.

«Das weiß ich nicht«, antwortete Indiana. Er ergriff Marian am Arm und sah sie durchdringend an.»Bitte, denke nach, Marian«, sagte er.»Stan muß doch irgend etwas gesagt haben. Irgendeine Andeutung, eine Bemerkung, irgend etwas …«

«Er hat ja kaum noch mit mir gesprochen«, sagte Marian hilflos.»Das heißt — «

«Ja?«fragte Indiana, als Marian stockte.

«Einmal hat er eine Bemerkung gemacht, die ich nicht verstanden habe«, sagte sie.»Es ergab keinen Sinn, weißt du?«

«Was genau hat er gesagt?«

«Genau weiß ich es nicht mehr«, sagte Marian.»Er … er hat ein Buch gelesen, weißt du? Und plötzlich hat er laut aufgelacht und gesagt, was für Narren die Spanier doch waren.«