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Während der Riese weiter die Treppe hinaufstürmte, machte Indiana mitten in der Bewegung kehrt, rannte ihm entgegen und packte mit beiden Händen die Tür. Die Angst gab ihm zusätzliche Kraft, so daß er sie fast mühelos völlig aus den Angeln riß und weiterstürmte, ohne auch nur merklich im Schritt innezuhalten. Auch der Riese stürmte heran. Er hatte die Arme jetzt nicht mehr vor der Brust verschränkt, sondern halb erhoben und zu Fäusten geballt, und auf seinen Zügen machte sich ein verblüffter Ausdruck breit, als er Indiana erblickte, der ihm brüllend entgegengestürmt kam und dabei nichts Geringeres als ein ganzes Türblatt vor sich her trug. Offensichtlich konnte er kaum glauben, was er sah.

Eine halbe Sekunde später glaubte er es dann wahrscheinlich doch — als nämlich die zollstarke Eichenplatte, noch beschwert durch Indianas Gewicht, gegen sein Gesicht prallte und ihn einfach umwarf. Er fiel nach hinten und zurück auf die Treppe, klammerte sich dabei aber instinktiv an der Tür fest und riß sowohl sie als auch Indiana mit sich. Was vielleicht auch nicht so besonders klug war. Die Tür samt Dr. Indiana Jones begrub ihn unter sich, und dann begannen sie alle drei — das Muskelpaket zuunterst, Indiana obenauf und die Tür wie die Käsescheibe eines Sandwichs zwischen ihnen — die steile Holztreppe hinunterzurutschen; direkt und immer schneller werdend auf den zweiten Gangster zu, der gerade sein Gewehr aufgeklappt hatte, um es neu zu laden, und ihnen jetzt aus fassungslos aufgerissenen Augen entgegenstarrte.

Als er endlich begriff, daß das, was er sah, weder ein Alptraum noch die verspäteten Nachwirkungen einer Zechtour waren, reagierte er sofort — und völlig falsch. Mit einem Schrei ließ er sein Gewehr fallen, wirbelte herum und raste davon, wobei er aber nicht auf die Idee kam, einfach mit einem Sprung zur Seite auszuweichen, sondern sich in gerader Linie von der Treppe fortbewegte.

Eine Sekunde später hatte Indiana die letzte Treppenstufe erreicht und verlor die untere Hälfte seines improvisierten Schlittens, als sich die Füße des Muskelmannes im Geländer verhakten und er liegenblieb. Die Tür fuhr scharrend über seine Brust und sein Gesicht hinweg und schoß weiter, wobei sie wie ein flach geworfener Stein auf dem Wasser auf dem Teppich in die Höhe sprang und dabei noch schneller wurde und die Entfernung zwischen ihr und dem Flüchtenden dabei rasend schnell schmolz.

Der Bursche hatte das Fenster erreicht und blieb stehen. Mit entsetzt aufgerissenen Augen fuhr er herum und riß die Hände schützend vor das Gesicht, als er das Türblatt und Indiana auf sich zuschießen sah. Aber es erreichte ihn nicht. Das Wohnzimmer der Cordas maß weit mehr als zehn Meter, und diese Distanz und vor allem der Teppich, der sich vor der Tür zu immer größeren Wellen zusammenschob, reichten aus, ihren Schwung aufzuzehren und sie kaum einen halben Meter vor den Füßen des Burschen zum Stillstand kommen zu lassen. Er stand da wie erstarrt und reagierte nicht einmal, als Indiana sich mühsam in die Höhe rappelte.

«Das war ganz schön knapp, wie?«fragte Indiana.

Der Bursche nahm die Arme herunter, klappte den Mund zu und sah Indiana vollkommen fassungslos an. Dann nickte er, begann dümmlich zu grinsen und atmete erleichtert auf. Im selben Augenblick versetzte ihm Indiana einen Faustschlag unter das Kinn, der ihn zurück- und durch das zerborstene Fenster in den Garten hinaustürzen ließ.

«Was ist denn da draußen los?«drang eine zornige Stimme aus der Küche. Indiana fuhr auf der Stelle herum, spannte sich — und erstarrte abermals mitten in der Bewegung, als er in die Mündung eines großkalibrigen Revolvers starrte, mit der eine Gestalt unter der Küchentür auf ihn zielte.

Der Mann war groß, dunkelhaarig und von drahtiger Statur, und das, was er sah, schien ihn zwar zornig zu machen, ihn aber keinen Sekundenbruchteil lang zu überraschen. Indiana begriff sofort, daß er hier dem gefährlichsten der drei Burschen gegenüberstand.

«Rühr dich nicht!«sagte der Mann. Er machte nicht einmal eine drohende Bewegung mit der Waffe, aber Indiana sah, daß der Hahn gespannt und ein Zeigefinger um den Abzug gekrümmt war. Blitzschnell überschlug er seine Chancen, sich mit einem Sprung in Sicherheit zu bringen. Das Ergebnis, zu dem er kam, gefiel ihm nicht besonders.

«Wer bist du?«fragte der Dunkelhaarige und legte den Kopf schräg.»Was tust du hier?«

«Nichts«, antwortete Indiana hastig.»Ich habe mich in der Tür geirrt. Entschuldigen Sie bitte, ich gehe sofort wieder.«

Der Mann lächelte nicht.»Du hast wohl deinen witzigen Tag, wie?«fragte er kalt. Jetzt hob er doch drohend die Pistole, so daß ihr Lauf nun nicht mehr auf Indianas Magen, sondern auf eine Stelle genau zwischen seinen Augen zielte.»Ich habe dich etwas gefragt. Wer bist du? Was tust du hier?«

Indiana sah eine Bewegung hinter dem Mann, und dann erschien Marian in seinem Blickfeld, bleich, zitternd, aus einer kleinen Platzwunde über dem Auge blutend — und mit einer gläsernen Milchkaraffe in der linken und einer gußeisernen Bratpfanne in der rechten Hand.

«Nimm die Pfanne«, sagte Indiana.»Das ist sicherer. Und hol kräftig aus.«

Ein flüchtiges, verächtliches Lächeln huschte über die Züge des Mannes mit der Pistole.»Für wie blöd hältst du mich?«fragte er.»Auf diesen Trick fällt doch keiner mehr rein.«

«Das ist gut«, sagte Indiana, und Marian holte aus und schlug dem Burschen die Karaffe mit solcher Wucht gegen die Schläfe, daß sie klirrend zerbarst und er wie vom Blitz getroffen zusammenbrach. Noch im Sturz krümmte sich sein Finger um den Abzug. Ein ungeheurer Knall ließ das Haus bis in seine Grundfesten erbeben, und hinter Indiana zersplitterte das letzte Bild an der Wand, das die Einbrecher bei ihrem ersten Besuch herabzureißen vergessen hatten.

Mit einem Sprung war Indiana bei Marian, als er sah, wie sie zu taumeln begann. Er fing sie auf, trug sie zum Sofa und überzeugte sich rasch davon, daß sie nicht ernsthaft verletzt war. Sie war benommen und reagierte nicht, als er sie ansprach, und sie war offensichtlich geschlagen worden, denn ihre rechte Gesichtshälfte begann sich dunkel zu verfärben und anzuschwellen. Aber es war wohl nur der Schock, der sie so apathisch machte.

Indiana ging zum Fenster und sah, daß der Bursche, den er niedergeschlagen hatte, ebenso bewußtlos war wie die beiden anderen. Aber das würden sie nicht lange bleiben. Sie mußten hier weg, und zwar schnell.

Trotzdem nahm er sich die Zeit, die beiden Gangster zu durchsuchen — allerdings ohne Erfolg. Er fand weder Ausweise noch andere Papiere oder irgend etwas, das auf ihre Identität hindeutete. Aber das hatte er beinahe erwartet. Die drei waren Profis; vielleicht nicht besonders helle, aber auch nicht so dumm, ihre Visitenkarten zu einem Überfall mitzunehmen.

Marian bewegte sich stöhnend auf der Couch, und Indiana kehrte mit zwei, drei raschen Schritten zu ihr zurück.

«Was ist passiert?«murmelte sie verstört.»Indiana, was — «

«Jetzt nicht«, unterbrach er sie. Er streckte die Hand aus und half ihr aufzustehen. Marians Augen weiteten sich erschrocken, als sie die beiden bewußtlosen Gestalten unter der Küchentür und vor der Treppe sah, aber Indiana gab ihr keine Gelegenheit, etwas zu sagen, sondern fragte hastig:»Kannst du laufen?«

Sie nickte.

«Gut«, sagte er.»Dann geh zum Wagen. Warte dort. Ich komme sofort nach.«

«Wo willst du hin?«

«Ich hole nur rasch etwas«, sagte er.»Lauf ins Auto und verriegele die Tür von innen. Und warte nicht auf mich, wenn einer von den Burschen hier herauskommt.«

Er drehte sich schnell um, sprang mit einem Satz über den bewußtlosen Burschen vor der Treppe hinweg und war in Stanleys Arbeitszimmer verschwunden, noch ehe Marian das Haus verlassen hatte.