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Er war sehr froh, als die Vorlesung zu Ende war und er den Hörsaal verlassen konnte. Aber seine Erleichterung war möglicherweise ein wenig voreilig.

Der Tag ging so weiter, wie er begonnen hatte — er hatte den Hörsaal gerade verlassen, als er jemand seinen Namen rufen hörte und stehenblieb. Durch den Strom der sich lärmend zum Ausgang wälzenden Studenten versuchte sich seine Sekretärin zu ihm durchzuarbeiten. Indiana sah ihr mit gemischten Gefühlen einige Sekunden lang zu — irgend etwas sagte ihm, daß sie keine guten Neuigkeiten brachte, und außerdem hatte er jetzt wahrlich Besseres zu tun, als sich mit irgendwelchem Verwaltungskram herumzuschlagen —, fügte sich dann aber in sein Schicksal und ging ihr entgegen.

«Gut, daß ich Sie noch treffe, Dr. Jones«, begann sie atemlos.»Mr. Grisswald sucht sie.«

Indiana verdrehte die Augen.»Sagen Sie ihm, ich wäre nicht da«, antwortete er und machte Anstalten, sich schon wieder herumzudrehen und weiterzugehen.»Erzählen Sie ihm, ich wäre zum Südpol abgereist, um Pinguine zu zählen.«

«Ich glaube, Sie sollten besser zu ihm gehen, Dr. Jones. Er sah sehr zornig aus.«

Indiana blieb abermals stehen. Daß Grisswald zornig aussah, war nichts Besonderes. Aber etwas in der Stimme seiner Sekretärin sagte ihm, daß es mehr als der übliche Kleinkrieg zwischen ihnen war. So entschied er sich nach einigen Augenblik-ken, wenn auch widerwillig, das einzig Vernünftige zu tun und den unangenehmen Teil dieses Tages so schnell wie möglich hinter sich zu bringen.

Ohne anzuklopfen, betrat er Grisswalds Vorzimmer. Seine Sekretärin fuhr von ihrer Schreibmaschine hoch und betrachtete ihn eindeutig erschrocken und mit einem Blick, als hätte sie gerade in der Zeitung gelesen, daß er in seiner Freizeit kleine Mädchen vergewaltige, sagte aber kein Wort, sondern deutete nur mit einer Kopfbewegung auf die geschlossene Doppeltür zu Grisswalds Refugium. Indiana warf seine Aktentasche auf ihren Schreibtisch, fuhr sich noch einmal glättend über den Anzug, zog seinen Krawattenknoten zu und öffnete die Tür.

Eine halbe Sekunde später wünschte er sich, es nicht getan zu haben, sondern statt dessen tatsächlich zum Südpol abgereist zu sein.

Grisswald saß wie der Gestalt gewordene Zorn Gottes hinter seinem Schreibtisch und musterte ihn mit Blicken, die so eisig waren, daß er leicht den Pazifischen Ozean damit hätte einfrieren können.

Er war nicht allein. Hinter ihm standen Pat und Patachon. Der kleinere der beiden hatte die Arme vor der Brust verschränkt und die Beine leicht gespreizt; er stand da wie ein Catcher, der einen hoffnungslos unterlegenen Gegner mustert und überlegt, auf welche Weise er ihm wohl am besten Arme und Beine verknoten kann. Der größere der beiden hatte sich nicht ganz so gut in der Gewalt — seine Hände zitterten leicht, und in seinen Augen blitzte eine nur noch mühsam unterdrückte Wut. In Anbetracht dessen, was mit seinem Gesicht passiert war, konnte Indiana das sogar verstehen. Es war auch gestern schon nicht besonders hübsch gewesen, aber die Rutschpartie an der Mauer herab hatte ihm im wahrsten Sinne des Wortes den letzten Schliff verliehen. Es erinnerte an das eines uralten Indianers mit dem fürchterlichsten Sonnenbrand, den man sich nur vorstellen kann.

«Dr. Jones«, begann Grisswald.»Wie schön, daß Sie uns auch einmal mit Ihrer Anwesenheit beehren. «Er machte eine herrische Handbewegung.»Schließen Sie die Tür.«

Indiana gehorchte. Seine Gedanken überschlugen sich, während er langsam auf Grisswalds Schreibtisch zutrat und dabei abwechselnd ihn und die beiden Ganoven musterte. Er hatte plötzlich ein sehr ungutes Gefühl. Etwas war hier nicht so, wie es sein sollte. Besser gesagt, nicht so, wie er geglaubt hatte, daß es war.

«Was geht hier vor?«fragte er knapp.

Grisswalds Gesicht verdüsterte sich noch weiter.»Halten Sie den Mund, Jones«, sagte er.»Ich wußte immer, daß ich eines Tages Ärger Ihretwegen bekommen würde. Aber ich hätte mir nicht einmal träumen lassen, wie groß dieser Ärger ist. «Er deutete mit einer abgehackten Kopfbewegung auf die beiden Gestalten hinter sich.»Wie ich höre, haben Sie sich ja bereits kennengelernt. Meine Herren, darf ich vorstellen: Das ist Dr. Indiana Jones. «Er machte eine Handbewegung auf Indiana, dann nur eine angedeutete Geste auf die beiden Kerle hinter sich.»Dr. Jones — das sind Mr. Henley und Mr. Reuben. Die beiden Herren möchten Ihnen einige Fragen stellen. Und ich bete um Ihretwillen, daß Sie ein paar verdammt gute Antworten darauf wissen.«

«Vielleicht erklären Sie mir erst einmal, was hier überhaupt vorgeht!«sagte Indiana, absichtlich in den gleichen ruppigen Ton verfallend wie Grisswald. Er beugte sich vor, stützte die Fäuste auf die Tischplatte und funkelte den Dekan von oben herab an.»Ich kenne diese beiden Typen in der Tat. Ich konnte Marian Corda gestern gerade noch — «

Er sprach nicht weiter. Der größere der beiden — Reuben — hatte in der gleichen Geste wie gestern unter sein Jackett gegriffen, aber er zog keine Waffe darunter hervor, sondern ein schmales Kunstlederetui, das er nun mit einer gekonnten Bewegung unmittelbar unter Indianas Gesicht aufklappte.

Indiana starrte völlig perplex sekundenlang auf den Ausweis, den es enthielt.»FBI?«stotterte er schließlich.

Reuben ließ das Etui mit einer sichtlich triumphierenden Geste wieder in seiner Jacke verschwinden und nickte.»Special Agent Reuben«, sagte er und deutete auf seinen Begleiter.»Das ist Special Agent Henley.«

«Oh«, sagte Indiana betroffen.

Reuben wirkte nicht betroffen, sondern nur wütend.»Sie haben uns eine Menge Schwierigkeiten bereitet, Dr. Jones«, sagte er.»Bedanken Sie sich bei Mr. Grisswald, daß wir Sie nicht von der Stelle weg verhaftet und für die nächsten zwanzig Jahre eingesperrt haben.«

«Aber — «begann Indiana, wurde aber sofort wieder von Reuben unterbrochen.

«Widerstand gegen die Staatsgewalt, Dr. Jones. Behinderung eines FBI-Agenten im Dienst. Tätlicher Angriff auf einen Staatsbeamten. Ich könnte noch mehr aufzählen, aber das allein reicht schon für fünfzehn Jahre.«

«Woher, zum Teufel, sollte ich wissen, wer Sie sind?«begehrte Indiana auf.»Sie hätten sich ausweisen können!«

«Das haben wir versucht«, sagte Henley.

«Aber Sie haben uns ja sofort angegriffen«, fügte Reuben hinzu,»heimtückisch und vollkommen warnungslos.«

Indiana hatte die Szene etwas anders in Erinnerung, aber er wußte sehr wohl, wie wenig es ihm jetzt nutzen würde, sich mit diesen beiden Männern zu streiten. Er sagte nichts mehr, sondern musterte Grisswald und Pat und Patachon nur abwechselnd mit finsteren Blicken.

«Wo ist Mrs. Corda, Jones?«fragte Grisswald.

«Woher soll ich das wissen?«gab Indiana ruppig zurück.

Reuben machte eine zornige Handbewegung.»Spielen Sie nicht den Narren, Jones. Nachdem Sie uns beide überfallen haben, ist sie zusammen mit Ihnen verschwunden. Seither hat sie niemand mehr gesehen.«

«Waren Sie bei ihr zu Hause?«erkundigte sich Indiana lächelnd.

Reubens Gesicht wurde noch röter, als es ohnehin schon war. Er sah aus, als würde er jeden Moment explodieren, und Indiana trat vorsichtshalber einen halben Schritt vom Schreibtisch zurück.»Das ist die zweite Frage auf unserer Liste, Dr. Jones«, knurrte er.»Das Haus wurde vom Dachboden bis zum Keller auseinandergenommen. Sie wissen nicht zufällig, von wem — und warum?«

«Nein«, antwortete Indiana ruhig.»Und ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt gar nichts mehr sage. «Er wandte sich an Grisswald.»Gestatten Sie, daß ich Ihr Telefon benutze?«